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Frankreich und Großbritannien wollen sich aktiv für einen nachhaltigen Frieden in der Ukraine einsetzen. Dabei kommt auch Deutschland ins Spiel.

Paris – Wie groß die Chancen für einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg tatsächlich sind, muss sich erst noch zeigen. US-Präsident Donald Trump verliert zwar langsam die Geduld und poltert immer lauter in Richtung Kreml-Chef Wladimir Putin und Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj. Doch wirklich realistischer scheint ein Ende des Blutvergießens dadurch nicht zu werden.

Hatte der Republikaner im Wahlkampf noch vollmundig angekündigt, binnen 24 Stunden Frieden zu bringen, zeigt sich nun, dass es ihm nicht einmal in 24 Tagen gelungen ist. Ohnehin hatte er die Devise ausgegeben: Die USA sorgen für das Kriegsende, ein neues Aufflammen müssten die Europäer danach aber in Eigenregie verhindern.

Schutztruppe für die Ukraine: Streitmacht zur Abschreckung an „strategischen“ Punkten

Doch wie soll ein Kontinent, der sich bei militärischen Konflikten seit Jahrzehnten auf Washington verlassen hat, Putin auf Dauer im Zaum halten? Zumal Moskaus Machthaber in seinem Land längst eine Kriegswirtschaft etabliert hat.

Keir Starmer (l.) und Emmanuel Macron klatschen ab

Arbeiten in der Ukraine-Politik Hand in Hand: Der britische Premierminister Keir Starmer (l.) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollen eine gemeinsame „Sicherungstruppe“ aufbauen. © Ludovic MARIN / AFP

Auf einer Versammlung von 31 Ukraine-Verbündeten in Paris machten sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Großbritanniens Premierminister Keir Starmer für eine Art „Sicherungstruppe“ stark, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) berichtet. Dabei handele es sich keinesfalls um eine klassische „Friedenstruppe“.

Laut Starmer soll sie vielmehr der „Abschreckung“ dienen und einen künftigen Waffenstillstand auch wirklich verteidigen. Ähnlich sieht es Macron, demzufolge die Streitmacht nicht direkt an vorderster Front eingesetzt werden, sondern „strategische“ Punkte schützen soll.

Europa will Frieden in Ukraine sichern: Kaum Länder bereit zur Beteiligung an Schutztruppe

Ein erstes Problem offenbart sich jedoch darin, dass sich kaum ein Land bereiterklärt haben soll, eigene Soldaten für diese europäische Truppe abzustellen. Deutschland äußerte sich sowohl in Person des scheidenden Bundeskanzlers Olaf Scholz als auch seines designierten Nachfolgers Friedrich Merz zurückhaltend.

Auch Italien, Spanien und Polen als einer der wichtigsten Unterstützer der Ukraine zeigen dem Bericht zufolge wenig Neigung für eine direkte Beteiligung. Die deutlichste Unterstützung hätten Paris und London noch von Litauen erhalten, das an Putins Verbündeten Belarus und die russische Exklave Kaliningrad grenzt.

Französische Soldaten in Uniform und mit Waffen bei einer Übung

Bald zur Friedenssicherung in der Ukraine im Einsatz? Französische Soldaten nehmen an einer Übung teil. © IMAGO / MAXPPP

Auch Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen habe sich positiv geäußert. Doch von den Skandinaviern werde keine große Hilfe erwartet, da sie wegen Trumps Drohungen gegen Grönland einen weiteren Brandherd zu löschen haben.

Ukraine-Schutztruppe und Deutschland: Bundeswehr könnte Lücken andernorts auffüllen

Dass sich Berlin zurückhaltend präsentiert, soll keinen großen Effekt haben. „Deutschland wurde hier nie als Schlüsselakteur gesehen“, betont Elie Tenenbaum, führender Experte des Französischen Instituts für Internationale Beziehungen (IFRI), in der FAS. Zugleich erwähnt er aber auch, dass Deutschland „bei Unterstützung und Logistik eine entscheidende Rolle spielen“ könne.

So könnte die Bundeswehr die Lücken füllen, die die Teilnehmernationen anderswo hinterlassen. Erwähnt werden das Baltikum und Rumänien. Großbritannien etwa könnte 4000 bis 5000 Soldaten für die „Sicherungstruppe“ abstellen, müsste dafür aber Truppen von seinen aktuellen Nato-Einsätzen abziehen.

Die Frage, ob die beteiligten Nationen überhaupt genug Truppen zur Verfügung stellen könnten, um im Falle eines russischen Angriffs auch noch ausreichend Verstärkung entsenden zu können, muss aber auch noch beantwortet werden. Ebenso wie die, was von den USA zu erwarten ist.

Panzer, Drohnen, Luftabwehr: Waffen für die Ukraine

Kampfflugzeug des Typs „Gripen“ aus Schweden

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Zwar sollen manche Experten nach wie vor die Hoffnung hegen, Trump ändere seine Meinung und helfe den Europäern auch, wenn die Waffen schweigen. Wolfgang Ischinger aber befürchtet eher ein Desaster für die Nato. Der Präsident des Stiftungsrates bei der Münchner Sicherheitskonferenz erwähnt in der FAS die Möglichkeit, dass Russland den Waffenstillstand bricht.

Das könne so ablaufen: Während sich Truppen von Nato-Ländern in der Ukraine aufhalten, provoziert Putins Militär einen Zwischenfall und behauptet, Kiew habe angefangen. Der Krieg entbrennt von neuem. Auch europäische Soldaten werden hineingezogen, doch die Amerikaner verweigern jede Hilfe.

„In diesem Augenblick wäre die Nato tot“, warnt Ischinger. Dies sei „endgültig, denn keiner würde dem Schutzversprechen von Artikel 5 noch glauben“. Laut diesem wird ein Angriff auf einen Bündnis-Partner als Angriff auf alle Nato-Staaten angesehen. Putin aber würde die sich ihm in der Ukraine bietende Chance nutzen, um das Bündnis auf eine Probe zu stellen und letztlich „die Nato zu zerstören“, befürchtet Ischinger.

Wolodymyr Selenskyj, Emmanuel Macron und Keir Starmer (v.l.) sitzen zusammen

Dreierrunde: Beim Treffen in Paris tauschen sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Großbritanniens Premierminister Keir Starmer (v.l.) aus. © Ludovic Marin/POOL AFP/AP/dpaUSA und Schutztruppe für Ukraine: Amerikaner sehen europäisches Engagement wohl auch kritisch

Daher müssten sich die Europäer mit den USA abstimmen. Dies sieht in dem Artikel auch Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations so, der wegen Putins Atomwaffen-Arsenal eine „Rückversicherung“ der Amerikaner für „essenziell“ hält.

Neil Melvin vom britischen Royal United Services Institute (RUSI) schwebt in diesem Zusammenhang eine bindende Verpflichtung vor, die „vom amerikanischen Kongress ratifiziert“ sei. Zusagen von Trump würden nicht reichen, denn in ihn habe niemand Vertrauen.

Allerdings sollen die USA gar nicht mal so glücklich über das europäische Engagement für die Ukraine sein. So soll in Kiew wahrgenommen werden, dass führende Köpfe in Washington offenbar befürchten, wegen der großen Rückendeckung aus Europa würde die Ukraine Zugeständnissen widersprechen, die Trump für einen „Deal“ mit Putin benötigt. Das berichtet die FAS unter Berufung auf ukrainische Insider.

Trump und Frieden in der Ukraine: USA wohl nicht gegen eine Schutztruppe aus Europa

Verwiesen wird auch auf Roderich Kiesewetter. Dem Experten für Außenpolitik und Verteidigung in der CDU zufolge unterstellen einige Amerikaner, Deutschland wolle mit seiner Unterstützung für die Ukraine seine „Rüstungsindustrie großmachen“. In den USA werde diese wiederum angesehen „als Konkurrenz, die man gerne weg hätte“.

Die Interessen sind also durchaus verschieden. Washington sieht die Europäer keinesfalls als reine Verbündete an. Sondern eben als Länder, mit denen sich die USA im Wettbewerb befinden. Kurt Volker, Trumps früherer Ukraine-Beauftragter, sagte laut dem Artikel zwar auch: „Ich glaube nicht, dass die Administration versucht, eine europäische Abschreckungsmacht zu stoppen.“ Der US-Präsident halte die Idee sogar für richtig und habe mit Macron und Starmer bereits darüber gesprochen.

Auf den 78-Jährigen zählen sollten die europäischen Ukraine-Unterstützer aber wohl eher nicht. Zwar wollen beide Lager den Frieden lieber heute als morgen. Aber die Beweggründe sind dann doch unterschiedlich.

Für Trump dürfte es eher nachrangig sein, welche Gefahr Putin auf Europa ausstrahlt. Er hofft auf seinen Rohstoffdeal mit der Ukraine und eine engere Zusammenarbeit mit Moskau. Inwiefern er sich darüber hinaus noch für Europas Zukunft interessiert, wird mutmaßlich stark von seinen Launen abhängen. (mg)