Die Aufnahme entstand am 3. April 1945 in Rechtenbach, Gemeinde Hüttenberg, in der Nähe von Wetzlar. Der Junge auf dem Foto ist offensichtlich ein “Flakhelfer”, also Mitglied der Luftwaffe. Gegen Ende des Kriegs wurden Flugabwehreinheiten der Wehrmacht auch gegen Panzer und Infanterie eingesetzt.
Laut den Berichten meines Opas, der aufgrund einer Verwundung schon seit 1943 wieeder zu Hause war, lag eine Flak-Einheit in der Nähe des Dorfes und sollte gegen den amerikanischen Vormarsch aus Wetzlar eingesetzt werden. Nach einem Artilleriebeschuss der US Army ergab sich die Einheit.
Die sich ergebenen deutschen Soldaten wurden im Anschluss unter anderem in der Hofreite (ein auf vier Seiten geschlossener Hof) meines Großvaters gebracht, da sie hier bis zu ihrem Abtransport in Sammellager besser bewacht werden konnten. Unter den gefangenen war auch der auf dem Foto abgebildete, ca. 16jährige Junge. In der Nachkriegszeit wurde es zum Sinnbild für die “Flak-Helfer-Generation”, also für die Kindersoldaten, die auf deutscher Seite noch in den letzten Kriegsmonaten mobilisiert und in den Kampf geschickt wurden
John Florea, der das Bild aufnahm, war damals Fotograf für Life Magazine und begleitete den Vormarsch der 9th Armoured Division der USA Army. In den Wochen zuvor hatte die 9th Armoured die Brücke von Remagen erobert und war vom Brückenkopf weiter nach Osten vorgestoßen. Später arbeitete er als Regisseur in Hollywood und drehte unter anderem mit Marylin Monroe.
Mein Opa sah das Bild wahrscheinlich zum ersten Mal in den 1960ern in einem Jugendmagazin meines Vaters und war sich sicher, dass es in seinem Hof entstanden ist. Nachweisen konnte er es nicht, da der Hintergrund der ersten Veröffentlichungen in Deutschland stark retouchiert ist und der Hintergrund unkenntlich gemacht wurde. Erst Jahre nach seinem Tod bin ich zufällig vor ca. 15 Jahren beim Prokrastinieren im Internet auf eine ganze Bilderserie gestoßen, die Florea in besagtem Hof aufgenommen hat. Hier waren auch Details deutlich erkennbar, z.B. die Ziegelmauer der alten Scheune meiner Großeltern, in der wir als Kinder gespielt haben. Die Ziegelmauer wirkt hier fast wie ein “Fingerabdruck”, da hier Beschädigungen der Ziegel zu erkennen sind, die noch heute vorhanden sind.
Im 1988 in der DDR erschienenen Dokumentarfilm “Zwei Deutsche” von Gitta Nickel, in dem sie die Lebensgeschichte von zwei Mitglieder dieser Generation dokumentierte. Wilhelm Hübner, ein Westdeutscher, ist als Hitlerjunge auf den letzten Filmaufnahmen von Adolf Hitler zu sehen, als Hübner von diesem das Einserne Kreuz verliehen bekommt. Aus der DDR wurde Hans GeorgHenke interviewt. Henke, der sich als 16jähriger freiwillig meldete und als Flakhelfer eingesetzt wurde, gab an, das Bild in den 1950er zum ersten Mal währen eines Jugendfestivals iun der DDR gesehen zu haben und sich selbst wiedererkannt hatte. Seither wird er als der Junge auf dem Bild genannt.Henke, selbst aus Eberswalde bei Berlin stammend, wurde aber nach eigener Aussage im Mai 1945 von der Sovietarmee in Blankenberg, Meklenburgvorpommern, gefangengenommen. Laut seiner Aussage wurde er dort von einem sovietischen Fotografen aufgenommen.
Blankenberg liegt etwa 420 Km Luftlinie nordöstlich von Rechtenbach, dem eigentlichen Aufnahmeort des Bildes.
Wer der Junge auf dem Bild tatsächlich ist, konnte bis heute nicht geklärt werden. Weitere Links:
Stand in dem Buch Wetzlar 1945 nicht was von Flakhelfer aus Berlin?
Vielen Dank für das Teilen des Bildes und des Kontextes. Ich finde solche persönlichen Erzählungen von geschichtlichen Ereignissen hochinteressant.
Ich bin aus dem Raum Wetzlar und das Bild hab ich auch schon oft gesehen. Weißt du ob dass aktuell noch irgendwo zu sehen ist? Kommt mir nämlich vor als hätte ich es erst vor kurzem gesehen. Und danke für die Geschichte dazu!
Wer sich für Solche Geschichten interessiert ist auf LeMO, lebendiges Museum online gut aufgehoben. Dort gibt es sehr viele Zeitzeugenberichte, auch zum WK2.
Am besten jedem zeigen der denkt, Krieg wäre doch mal wieder was, was man ja machen könnte. Wenn dieses Bild nicht alles sagt, dann weiß ich auch nicht.
Warum war Mika Häkkinen vor 80 Jahren auf dem Hof deiner Großeltern?
Verstehe nicht, wieso der so bedröppelt dreinschaut. Er hatte schließlich die Ehre, unser Vaterland zu verteidigen /s.
Krieg ist Scheisse.
Superinteressante Geschichte – und immens traurig, wie diesem Jungen der Schrecken des Krieges im Gesicht steht. Ich hoffe, er hatte dennoch noch ein schönes Leben und konnte diese schlimme Erfahrung verarbeiten.
Das Bild sieht so ähnlich aus wie ein Bild aus dem Antikriegsfilm “Die Brücke” aus dem Jahr 1959, der auf dem gleichnamigen Roman von Manfred Gregor basiert. Regie führte Bernhard Wicki. Der Film gehört zu den bekanntesten und eindrucksvollsten Werken des deutschen Nachkriegskinos.
Wir fahren kreuz… und quer. Wir fahren hin…. und her…
Ist der Herr mit dir verwandt? Ich erinnere mich mal eine Doku mit ihm und willi Hübner gesehen zu haben, wo er von seinem Leben erzählt
Das ist doch ein super berühmtes Bild, oder? Danke fürs Teilen
Fuck. Faszinierende Geschichte. Vielen Dank für die Erzählung
Unglaublich wie alt ein “Kind” aussehen kann.
Dieses Bild sollten sich die ganzen Damen und Herren der Politik und der Autokratien, auf der ganzen Welt anschauen und mal verinnerlichen ,um zu sehen was Krieg verursacht mit einem Menschen, sich in die Lage dieses Jungen versetzten. Dann würde es deutlich friedlicher auf der Welt zugehen, und man würde nicht mit den ganzen Waffen rum rasseln.
Na klar, die Bilder von der Me-323 entstanden auf dem Rasen meiner Eltern.
Wär doch was für r/thewaywewere
Mein Opa wurde damals auch ganz am Ende des Krieges mit 14 Jahren eingezogen. Der musste damals nach Frankreich, nach zwei Wochen war er bereits Kriegsgefangener.
Ich stamme auch aus Wetzlar und habe dieses Foto bereits mehrfach gesehen. Nice, endlich mal den Kontext dahinter erfahren zu können
Danke für das tolle Bild und an alle die hier so spannende Geschichten teilen. Es ist wichtig, dass wir uns daran erinnern, wie scheiße Krieg ist.
Moritz Rath alias Ivo Pietzcker aus Babylon Berlin.
Meine Befürchtung ist, dass wir solche Bilder wieder sehen könnten – oder gar keine mehr. Es ist ja kaum noch einer da, der die Zeit miterlebt hat. Und die, die Politik bestimmen ziehen nicht in den Krieg. Und ihre Kinder auch nicht!
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Die Aufnahme entstand am 3. April 1945 in Rechtenbach, Gemeinde Hüttenberg, in der Nähe von Wetzlar. Der Junge auf dem Foto ist offensichtlich ein “Flakhelfer”, also Mitglied der Luftwaffe. Gegen Ende des Kriegs wurden Flugabwehreinheiten der Wehrmacht auch gegen Panzer und Infanterie eingesetzt.
Laut den Berichten meines Opas, der aufgrund einer Verwundung schon seit 1943 wieeder zu Hause war, lag eine Flak-Einheit in der Nähe des Dorfes und sollte gegen den amerikanischen Vormarsch aus Wetzlar eingesetzt werden. Nach einem Artilleriebeschuss der US Army ergab sich die Einheit.
Die sich ergebenen deutschen Soldaten wurden im Anschluss unter anderem in der Hofreite (ein auf vier Seiten geschlossener Hof) meines Großvaters gebracht, da sie hier bis zu ihrem Abtransport in Sammellager besser bewacht werden konnten. Unter den gefangenen war auch der auf dem Foto abgebildete, ca. 16jährige Junge. In der Nachkriegszeit wurde es zum Sinnbild für die “Flak-Helfer-Generation”, also für die Kindersoldaten, die auf deutscher Seite noch in den letzten Kriegsmonaten mobilisiert und in den Kampf geschickt wurden
John Florea, der das Bild aufnahm, war damals Fotograf für Life Magazine und begleitete den Vormarsch der 9th Armoured Division der USA Army. In den Wochen zuvor hatte die 9th Armoured die Brücke von Remagen erobert und war vom Brückenkopf weiter nach Osten vorgestoßen. Später arbeitete er als Regisseur in Hollywood und drehte unter anderem mit Marylin Monroe.
Mein Opa sah das Bild wahrscheinlich zum ersten Mal in den 1960ern in einem Jugendmagazin meines Vaters und war sich sicher, dass es in seinem Hof entstanden ist. Nachweisen konnte er es nicht, da der Hintergrund der ersten Veröffentlichungen in Deutschland stark retouchiert ist und der Hintergrund unkenntlich gemacht wurde. Erst Jahre nach seinem Tod bin ich zufällig vor ca. 15 Jahren beim Prokrastinieren im Internet auf eine ganze Bilderserie gestoßen, die Florea in besagtem Hof aufgenommen hat. Hier waren auch Details deutlich erkennbar, z.B. die Ziegelmauer der alten Scheune meiner Großeltern, in der wir als Kinder gespielt haben. Die Ziegelmauer wirkt hier fast wie ein “Fingerabdruck”, da hier Beschädigungen der Ziegel zu erkennen sind, die noch heute vorhanden sind.
Im 1988 in der DDR erschienenen Dokumentarfilm “Zwei Deutsche” von Gitta Nickel, in dem sie die Lebensgeschichte von zwei Mitglieder dieser Generation dokumentierte. Wilhelm Hübner, ein Westdeutscher, ist als Hitlerjunge auf den letzten Filmaufnahmen von Adolf Hitler zu sehen, als Hübner von diesem das Einserne Kreuz verliehen bekommt. Aus der DDR wurde Hans GeorgHenke interviewt. Henke, der sich als 16jähriger freiwillig meldete und als Flakhelfer eingesetzt wurde, gab an, das Bild in den 1950er zum ersten Mal währen eines Jugendfestivals iun der DDR gesehen zu haben und sich selbst wiedererkannt hatte. Seither wird er als der Junge auf dem Bild genannt.Henke, selbst aus Eberswalde bei Berlin stammend, wurde aber nach eigener Aussage im Mai 1945 von der Sovietarmee in Blankenberg, Meklenburgvorpommern, gefangengenommen. Laut seiner Aussage wurde er dort von einem sovietischen Fotografen aufgenommen.
Blankenberg liegt etwa 420 Km Luftlinie nordöstlich von Rechtenbach, dem eigentlichen Aufnahmeort des Bildes.
Wer der Junge auf dem Bild tatsächlich ist, konnte bis heute nicht geklärt werden. Weitere Links:
[https://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Presseberichte/GAZBN20130701S5.pdf](https://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Presseberichte/GAZBN20130701S5.pdf)
[https://www.fr.de/politik/verzweifelte-gesicht-11272190.html](https://www.fr.de/politik/verzweifelte-gesicht-11272190.html)
In dem kaff war ich heute um halb 3 morgens lol
Stand in dem Buch Wetzlar 1945 nicht was von Flakhelfer aus Berlin?
Vielen Dank für das Teilen des Bildes und des Kontextes. Ich finde solche persönlichen Erzählungen von geschichtlichen Ereignissen hochinteressant.
Ich bin aus dem Raum Wetzlar und das Bild hab ich auch schon oft gesehen. Weißt du ob dass aktuell noch irgendwo zu sehen ist? Kommt mir nämlich vor als hätte ich es erst vor kurzem gesehen. Und danke für die Geschichte dazu!
Wer sich für Solche Geschichten interessiert ist auf LeMO, lebendiges Museum online gut aufgehoben. Dort gibt es sehr viele Zeitzeugenberichte, auch zum WK2.
Am besten jedem zeigen der denkt, Krieg wäre doch mal wieder was, was man ja machen könnte. Wenn dieses Bild nicht alles sagt, dann weiß ich auch nicht.
Warum war Mika Häkkinen vor 80 Jahren auf dem Hof deiner Großeltern?
Verstehe nicht, wieso der so bedröppelt dreinschaut. Er hatte schließlich die Ehre, unser Vaterland zu verteidigen /s.
Krieg ist Scheisse.
Superinteressante Geschichte – und immens traurig, wie diesem Jungen der Schrecken des Krieges im Gesicht steht. Ich hoffe, er hatte dennoch noch ein schönes Leben und konnte diese schlimme Erfahrung verarbeiten.
Das Bild sieht so ähnlich aus wie ein Bild aus dem Antikriegsfilm “Die Brücke” aus dem Jahr 1959, der auf dem gleichnamigen Roman von Manfred Gregor basiert. Regie führte Bernhard Wicki. Der Film gehört zu den bekanntesten und eindrucksvollsten Werken des deutschen Nachkriegskinos.
Wir fahren kreuz… und quer. Wir fahren hin…. und her…
Ist der Herr mit dir verwandt? Ich erinnere mich mal eine Doku mit ihm und willi Hübner gesehen zu haben, wo er von seinem Leben erzählt
Das ist doch ein super berühmtes Bild, oder? Danke fürs Teilen
Fuck. Faszinierende Geschichte. Vielen Dank für die Erzählung
Unglaublich wie alt ein “Kind” aussehen kann.
Dieses Bild sollten sich die ganzen Damen und Herren der Politik und der Autokratien, auf der ganzen Welt anschauen und mal verinnerlichen ,um zu sehen was Krieg verursacht mit einem Menschen, sich in die Lage dieses Jungen versetzten. Dann würde es deutlich friedlicher auf der Welt zugehen, und man würde nicht mit den ganzen Waffen rum rasseln.
Na klar, die Bilder von der Me-323 entstanden auf dem Rasen meiner Eltern.
Wär doch was für r/thewaywewere
Mein Opa wurde damals auch ganz am Ende des Krieges mit 14 Jahren eingezogen. Der musste damals nach Frankreich, nach zwei Wochen war er bereits Kriegsgefangener.
Ich stamme auch aus Wetzlar und habe dieses Foto bereits mehrfach gesehen. Nice, endlich mal den Kontext dahinter erfahren zu können
Danke für das tolle Bild und an alle die hier so spannende Geschichten teilen. Es ist wichtig, dass wir uns daran erinnern, wie scheiße Krieg ist.
Moritz Rath alias Ivo Pietzcker aus Babylon Berlin.
Meine Befürchtung ist, dass wir solche Bilder wieder sehen könnten – oder gar keine mehr. Es ist ja kaum noch einer da, der die Zeit miterlebt hat. Und die, die Politik bestimmen ziehen nicht in den Krieg. Und ihre Kinder auch nicht!
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