Sibirische Lärche in Baumärkten: Trotz Handelsverbot gelangen mutmaßlich nach wie vor große Mengen Holz aus Russland nach Deutschland, zeigt jetzt eine neue Recherche. Der Schmuggel erfolgt über Drittländer – und ist für Moskau äußerst lukrativ.
Trotz Sanktionen gelangen mutmaßlich weiterhin große Mengen an Holz und Holzprodukten aus Russland nach Deutschland. Wie eine aktuelle Marktrecherche der Umweltorganisation WWF belegt, könnte dies neben Hölzern auch Einmalbestecke betreffen, sagte die Organisation dem FOCUS.
Der WWF hatte Holzproben in einem unabhängigen Labor untersuchen lassen. Die Kaffeelöffel, Rührstäbchen, Messer und Gabeln stammten sowohl von Fast-Food-Ketten als auch aus Supermärkten und Drogerien. Das Ergebnis: Bei 14 der 21 analysierten Produkte handelte es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Birkenholz aus Russland. Lediglich bei zwei Produkten konnte Russland als Herkunftsland ausgeschlossen werden.
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Russland, das über ein Fünftel der weltweiten Waldflächen verfügt, war viele Jahre einer der wichtigsten Holzlieferanten für die EU, so auch für Deutschland. Wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine ist die Einfuhr seit Juli 2022 verboten. Bereits Anfang des Jahres hatten Analysen von NDR und WWF aufgedeckt, dass in deutschen Baumärkten weiterhin russisches Holz angeboten wird, vor allem Konstruktionsholz und Terrassendielen aus Sibirischer Lärche und Birkensperrholz.
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Die Anbieter hatten auf Nachfrage zum Teil erklärt, es handele sich um Altholzbestände. WWF-Holzexperte Johannes Zahnen hält dies für unwahrscheinlich: „Wenn wir drei Jahre nach dem Embargo in Vielzahl Holz aus Russland finden, ist das nicht mehr plausibel, weil allein die Lagerung sehr viel Geld kostet.“
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Laut Eurostat ist der Import aus Russland seit dem Embargo um fast einhundert Prozent eingebrochen. Laut Undercover-Recherchen der britischen Nichtregierungsorganisation Earthsight schmuggelt Russland seine Hölzer nun über Drittländer in die EU. Importe von Birkensperrholz aus China, der Türkei, Kirgisistan und Kasachstan boomen neuerdings – obwohl es dort nur wenige bis gar keine Birken gibt.
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Durch die Umgehungspraktiken soll Russland seit Beginn der Sanktionen etwa 1,5 Milliarden Euro eingenommen haben. Die Steuern aus diesem Segment dürften zumindest indirekt die russische Kriegsmaschinerie befeuern.
Der WWF fordert dringend strengere Kontrollen: „Nur so können wir sicherstellen, dass der Handel mit illegalem Holz gestoppt wird und Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zur Finanzierung der Kriegshandlungen beitragen, indem sie Currywurst essen“, sagt Zahnen.
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Der Gesamtverband Deutscher Holzhandel fordert schon länger, die illegalen Praktiken zu bekämpfen. Dem Verband seien bereits ein Jahr nach dem Embargo Fälle bekannt geworden, bei denen „in Drittstaaten ansässige Unternehmen Ware offerierten, deren Ursprung aus diesen Staaten anzuzweifeln ist.“
Der Verband rate seinen Mitgliedern strikt davon ab, auf diese Angebote einzugehen, so Geschäftsführer Thomas Goebel. „Außenwirtschaftsrechtlich ist das unverantwortbar, denn es genügt der staatsanwaltliche Verdacht der Beteiligung an einer Sanktionsumgehung, um Ermittlungen einzuleiten.“
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Der Zoll erklärte auf FOCUS-Anfrage, er überwache die Einhaltung der EU-Sanktionen gegenüber Russland „mit höchster Priorität“, sollte es „tatsächliche Anhaltspunkte auf Sanktionsverstöße geben“.
Ob manche Abnehmer in Deutschland wissen, dass das Holz womöglich ursprünglich aus Russland kommt, ist offen. Im Fall der aktuell untersuchten Einmalbestecke erklärte die Unternehmensgruppe Rewe gegenüber FOCUS, dass das für das Besteck verwendete Holz aus Lettland stammt. Das habe der Lieferant auf Rückfrage nochmals bestätigt. McDonald’s teilte mit, die 2024 nach Deutschland gelieferten Produkte stammten aus dem Baltikum oder Osteuropa.
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Beide Unternehmen betonen, die Lieferketten des Holzes würden durch FSC- oder PEFC-Zertifizierung abgesichert und zusätzlich über die unabhängigen Zertifizierungssysteme Traceability beziehungsweise Chain-of-Custody überprüft.
Auch das Labor Agroisolab in Jülich hat im Auftrag des WWF die betreffenden Produkte noch einmal überprüft und ist in beiden Fällen sicher, dass sowohl die angegebene Herkunft Lettland als auch Baltikum und Osteuropa „nach dem derzeitigen Kenntnisstand auszuschließen sind, wahrscheinliche Herkunft bleibe Russland“.
Zahnen kommentiert das knapp: „Die Bemühungen der Unternehmen waren offensichtlich nicht ausreichend, um die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten.“ Er verweist auf Laborproben, die Unternehmen und Zoll auch selbst stichprobenartig tätigen könnten.