Trumps Zölle haben die Welt in Ungewissheit gestürzt. Für die EU könnte sich auch eine Chance bieten, glaubt Denis Suarsana von der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Die US-Zollpolitik der vergangenen Monate hat die globale Handelsordnung ins Chaos gestürzt. Handelsverträge, die die Amerikaner mit Partnern auf der ganzen Welt hatten, sind nicht mal mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind. Die multilateralen Regeln der Welthandelsorganisation (WTO), denen bisher immerhin 83 Prozent des weltweiten Handels zugrunde lagen, scheinen für die US-Regierung keine Gültigkeit mehr zu haben.

Auch wenn die von US-Präsident Trump am 2. April verhängten Zölle jetzt für 90 Tage aufgeschoben wurden, herrscht bei Handelspartnern weltweit große Unsicherheit über das, was danach kommt.

Die EU steht mit Blick auf die erratische US-Zollpolitik fraglos vor großen Herausforderungen. Schließlich ist die europäische Wirtschaft wie kaum eine andere auf offene Märkte und funktionierende globale Lieferketten angewiesen. Doch gleichzeitig eröffnet Trumps radikaler Protektionismus der EU dank ihrer enormen handelspolitischen Bedeutung jetzt die große Chance, ihre eigenen Wirtschafts- und Handelspartnerschaften weltweit zu vertiefen und zu diversifizieren.

Viele aufstrebende Schwellenländer wurden von Trump mit besonders hohen Zöllen belegt. Aufgrund einer hohen Abhängigkeit vom US-Markt und teils enormer Handelsbilanzüberschüsse mit den USA ist die Verhandlungsmacht dieser Länder gegenüber der US-Regierung eng begrenzt. Statt auf Gegenzölle setzen die meisten Schwellenländer auf direkte Verhandlungsbereitschaft und bieten beispielsweise eine Absenkung, wenn nicht sogar vollständige Aufhebung eigener Zölle auf US-Importe an.

Der Fall Vietnams ist hierfür ein eindrückliches Beispiel. Das Land wurde von der Trump-Regierung mit Strafzöllen von 46 Prozent belegt. Vietnam gilt als wirtschaftlicher Shootingstar Südostasiens und bevorzugtes Investitionsziel vieler westlicher Unternehmen im Rahmen ihrer China+1-Strategie. 2024 erwirtschaftete Vietnam mit den USA einen Handelsüberschuss von gigantischen 123 Milliarden US-Dollar.

Die Exporte in die USA machen 27 Prozent der gesamten vietnamesischen Wirtschaftsleistung aus. Dauerhafte amerikanische Strafzölle hätten damit einen potenziell katastrophalen Effekt auf Vietnams wirtschaftliche Entwicklung. Die vietnamesische Regierung hat denn auch direkt nach Trumps “Liberation Day”-Verkündung direkte Verhandlungen und eine Absenkung aller Zölle auf US-Importe auf null Prozent angekündigt.

Doch auch wenn die meisten Schwellenländer im Zollstreit auf Beschwichtigungen gegenüber der Trump-Administration setzen, so ist doch gleichzeitig das Vertrauen in eine langfristige und stabile wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den USA erheblich erschüttert worden. In vielen dieser Länder werden nun Stimmen lauter, die eine Diversifizierung der eigenen Exporte weg vom US-Markt fordern. Gleichzeitig wachsen insbesondere (aber nicht nur) in den asiatischen Schwellenländern die Befürchtungen, dass die eigene Wirtschaft dadurch noch stärker in die Abhängigkeit von China geraten könnte.

Denn China ist für viele Schwellenländer schon heute der wichtigste Wirtschafts- und Handelspartner. Die USA galten bisher als wichtigstes wirtschaftliches Gegengewicht. Vor dem Hintergrund des amerikanischen Protektionismus sind die aufstrebenden Volkswirtschaften weltweit deshalb auf neue Handelspartnerschaften jenseits von USA und China angewiesen.

Für die EU ergibt sich dadurch eine große Chance. Aufgrund des riesigen europäischen Binnenmarkts, der hohen Kaufkraft europäischer Konsumenten sowie der zahlreichen hochtechnologischen Unternehmen mit ihren global vernetzten Lieferketten gilt die EU für viele Schwellenländer mit Blick auf die notwendige Diversifizierung der eigenen Handelsbeziehungen als bevorzugter Partner. Trumps Zollpolitik könnte für die EU einen dringend notwendigen Wendepunkt in ihren Handelsverhandlungen mit Schwellenländern weltweit bedeuten.

Viele dieser Verhandlungspartner sind jetzt dringend auf einen besseren Zugang zum europäischen Binnenmarkt angewiesen. Eine ganze Reihe von Regierungen hat deshalb in den vergangenen Tagen und Wochen bereits ihren Willen bekundet, die Handelsverhandlungen mit der EU endlich zum Erfolg zu führen. Die EU muss dieses Momentum nutzen, um ihrerseits auf einen schnellen Abschluss laufender Handelsverhandlungen hinzuwirken.