12. Mai 2025
Deutschland brilliert bei Level-3-Technologie, verliert aber den Anschluss bei vollautonomen Fahrzeugen. Ein Simulationsexperte erklärt, wie der Standort seine Stärken ausspielen und den globalen Rückstand aufholen kann.
Die Zukunft rollt bereits – nur nicht unbedingt auf deutschen Straßen. Während in China und den USA täglich Tausende Robo-Taxis ohne Fahrer unterwegs sind, dominieren hierzulande noch Testprojekte und Regulierungsfragen. Der Kontrast könnte kaum größer sein: Deutschland, das Autoland schlechthin, droht bei einer der wichtigsten Mobilitätsrevolutionen den Anschluss zu verlieren. Doch es gibt Hoffnung – wenn man auf die richtigen Technologien setzt.
Vorreiter bei Level 3, Nachzügler bei Level 4
Bei teilautomatisiertem Fahren steht Deutschland glänzend da. „Deutschland hat beim hochautomatisierten Fahren (Level 3) eine Vorreiterrolle eingenommen – Mercedes-Benz war mit dem Drive Pilot weltweit der Erste, der eine Zulassung für ein Level-3-System erhalten hat“, erklärt Thomas Guntschnig, Europa-Chef des südkoreanischen Simulationsspezialisten Morai im Gespräch mit dem „Merkur“. Die deutsche Industrie punktet mit funktionaler Sicherheit und Systemintegration.
Doch sobald es um vollautonomes Fahren geht, ändert sich das Bild dramatisch. „Beim autonomen Fahren auf Level 4 sind Länder wie China und die USA allerdings schon deutlich weiter – vor allem, weil sie weniger regulatorische Hürden und mehr Freiräume für Testflotten haben“, so Guntschnig. Der entscheidende Unterschied: Während in Shanghai oder San Francisco bereits fahrerlose Taxis im Alltagsbetrieb unterwegs sind, verharrt Europa im Entwicklungsmodus.
Zwischen Perfektionismus und Pragmatismus
Die Ursachen für diesen Rückstand liegen tief in der deutschen Innovationskultur. Während Südkorea „sehr zielgerichtet und zentralisiert“ vorgeht, mit koordinierten Testumgebungen und enger Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft, verfolgt Deutschland einen „methodischeren, stärker föderalen Ansatz“. Das Ergebnis: „Das schafft Tiefe, aber manchmal fehlt die Geschwindigkeit“, analysiert der Experte.
Europa setzt auf Standardisierung und regulatorische Nachvollziehbarkeit – ein Ansatz, der langfristig Vorteile bringen kann, kurzfristig aber bremst. „Europa geht deutlich strukturierter vor, aber dadurch auch langsamer“, bringt es Guntschnig auf den Punkt. Der „regulative Flickenteppich“ mit unterschiedlichen Prozessen und Anforderungen in jedem Land erschwert schnelle Fortschritte zusätzlich.
Simulation als Game-Changer
Die Lösung könnte in einer Technologie liegen, die bisher unterschätzt wird: Simulation. „Sie ermöglicht es, sicherheitskritische Szenarien zu testen, die in der realen Welt nicht oder nur mit großem Aufwand abbildbar wären“, erklärt Guntschnig. Der Effekt ist beeindruckend: „Im Validierungsprozess können durch den Einsatz von Simulation bis zu 50 Prozent an Zeit eingespart werden – und das bei gleichzeitiger Erhöhung der Nachvollziehbarkeit und Skalierbarkeit.“
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