Lars-Eric Nievelstein

VonLars-Eric Nievelstein

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Die West-Sanktionen zeigen Wirkung. Russlands Wirtschaft geht allmählich das Geld aus. Der Kreml muss bereits Investitionen kürzen.

Moskau – Russlands Wirtschaft ächzt unter neuem Druck. Aus dem Vereinigten Königreich kamen zuletzt neue Sanktionen, die Russlands Gewinne aus dem Verkauf von Öl und Gas einschränken sollen. Aus der EU sind Töne über Zölle auf russische Düngemittel zu hören. Außerdem verliert das Land Milliarden, weil Öl und Gas mittlerweile zu billig sind. Jetzt zieht der Kreml-Herrscher Wladimir Putin Konsequenzen.

Wegen Schwäche in Russlands Wirtschaft – Regierung streicht Investitionen

Offenbar streicht die russische Regierung derzeit rigoros verschiedenste Investitionsprogramme zusammen. Das betrifft eine Bandbreite von Sektoren, von der Luftfahrt über die Schiffsproduktion bis hin zur Herstellung von Industrierobotern. So berichtete es das kreml-freundliche Magazin Kommersant am 22. Mai. Als Grund dafür gab das Nachrichtenportal die drastisch gefallenen Öl- und Gaspreise an.

Russlands Problem dabei: Öl- und Gasexporte sind mit die wichtigsten Einkommenstreiber. Sobald die Gewinne aus ihrem Verkauf zurückgehen, steht die gesamte Staatsplanung auf dem Spiel. Bei der Jahresplanung ging der Kreml noch von wesentlich höheren Einnahmen von rund 70 US-Dollar pro Barrel Öl aus – zwischenzeitlich brachen die Preise aber auf unter 50 US-Dollar pro Barrel ein.

Wladimir Putin in Moskau (Symbolfoto). Die West-Sanktionen zeigen Wirkung. Russlands Wirtschaft geht zunehmend das Geld aus. Der Kreml muss bereits Investitionen streichen.

© IMAGO / ZUMA Press Wire

Milliarden von Rubeln fehlen der Industrie – nach Öl-Einbruch kürzt Putin die Gelder

Für die russische Industrie ist das eine schlechte Nachricht: Aufgrund der westlichen Sanktionen schwächeln Sektoren wie die Luftfahrt oder die Industrieproduktion ohnehin schon. Dass jetzt auch noch die staatliche Hilfe fallen soll, könnte zu Milliardendefiziten führen. Als Beispiele führte Kommersant etwa ein Luftfahrt-Entwicklungsprogramm auf, dessen Finanzmittel um 22 Prozent auf nurmehr 78,8 Milliarden Rubel gekürzt werden (rund 868,75 Millionen Euro). Ein wichtiges Programm, das eigentlich darauf abzielte, den Output der russischen Güter bis 2030 um 40 Prozent zu verstärken, soll ebenfalls drastische Einschnitte erfahren.

Die Förderung für die „High-Tech-Industrie“ des Landes soll ebenfalls um 46 Milliarden Rubel schrumpfen (umgerechnet etwa 507 Millionen Euro). Bei der Automobilindustrie stehen Kürzungen in Höhe von 35 Milliarden Rubel an (385,8 Millionen Euro). Der Transportsektor sollte eine Förderung zur „Produktion von innovativem Transport“ erhalten, diese kommt nun auch um 25 Milliarden Rubel (275 Millionen Euro) schwächer daher.

Am 16. Mai hatte die russische Statistikbehörde Rosstat mitgeteilt, dass das Land eine erhebliche Delle im Wirtschaftswachstum einsteckt. Verschiedene Faktoren schwächen Russlands Wirtschaft; darunter die Ölpreise, westliche Sanktionen und Inflation.

Sanktionen erdrücken Russlands Wirtschaft – „toxische Kredite“ im Bankensektor?

Für den Westen könnte das bedeuten, dass die Sanktions-Strategie von 2022 aufgeht. Viele der damals aufgesetzten Sanktionen waren langfristig ausgelegt und zielten darauf ab, das zugrundeliegende Fundament von Russlands Wirtschaft zu schwächen. Investitionen sollten geringer ausfallen, was langfristig zu einem schwächeren Wirtschaftswachstum führt, aber auch dazu, dass Russland den Anschluss an andere Industrienationen verliert.

Was das Ganze für den Kreml noch gravierender macht, ist, dass er selbst diese Entwicklung mit befeuert. Um die Kriegswirtschaft zu stärken, soll die russische Regierung ein Umfeld im russischen Bankensektor geschaffen haben, das die Kreditvergabe der Banken an diejenigen Unternehmen, die mit dem Verteidigungssektor verbandelt sind, fördert und incentiviert. Teils war das mit Kreditbedingungen passiert, die der Markt nicht wirklich hergibt, hatte der Ökonom und Harvard-Forscher Craig Kennedy dazu mitgeteilt. Jetzt sei ein „Grundstock an toxischen Krediten“ gewachsen.

Russland verdient weniger Geld aus Öl-Verkäufen – folgen neue Sanktionen aus den USA?

Im April schrumpften die Gewinne aus Russlands Öl-Exporten um sechs Prozent, verglichen mit dem März. Gleichzeitig wuchs die Exportmenge „geringfügig“ um ein Prozent. Das teilte das Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) mit. Außerdem vermutet CREA, dass Russland seltener auf die Schattentanker zurückgreift, um Öl zu transportieren. Das hätten die Zahlen gezeigt: Der Anteil der Lieferungen russischen Öls durch die sogenannte Schattenflotte ging von 65 Prozent auf 53 Prozent zurück.

Kurz zur Erklärung: Nach Kriegsbeginn hatten die G7-Staaten Sanktionen verhängt, die es Händlern und Dienstleistern verbieten, mit russischen Tankern Geschäfte zu machen, die russisches Öl transportieren – es sei denn, dieses war billiger als 60 US-Dollar pro Barrel. Um diese Regeln zu umgehen, hatte Russland aus alten und maroden Tankern die sogenannte Schattenflotte aufgebaut. Diese Schiffe fuhren generell unter falscher Flagge und arbeiteten mit abgeschalteten Schiffsortungssystemen, um zu verschleiern, wo sie Ladung aufnahmen oder löschten.

Die verschiedenen Strafmaßnahmen und wirtschaftlichen Einschränkungen häufen sich für Russland zunehmend auf. Ein Ende der Sanktionen ist nicht in Sicht – im Gegenteil. Erst am 26. Mai hatte US-Präsident Donald Trump aus Wut über russische Drohnenangriffe in der Ukraine angedeutet, neue Sanktionen gegen Russland könnten erfolgen.

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