Während sich vor dem Gipfel in der Frage der Verteidigungsausgaben Einigkeit abzeichnet, scheint eine Waffenruhe in der Ukraine in weiter Ferne zu liegen. Sowohl beim Treffen der Verteidigungsminister der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe (UDCG) am Mittwoch als auch beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister am Donnerstag dürfte es vor allem darum gehen, die USA an Bord zu behalten.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wandte sich zuletzt mit zwei wesentlichen Forderungen an seine Verbündeten: Sie sollen zum einen durch Sanktionen den Druck auf den russischen Staatschef Wladimir Putin erhöhen, damit dieser sich beim Thema Waffenruhe bewegt; zum anderen forderte Selenskyj, zum NATO-Gipfel Ende Juni eingeladen zu werden, weil eine Nicht-Teilnahme gleichbedeutend mit einem „Sieg für Putin“ sei.
Mehrere NATO-Mitglieder haben sich für eine Teilnahme der Ukraine an dem Treffen in Den Haag ausgesprochen. Schließlich hat die Allianz dem Land für die Zeit nach einem Ende des mehr als drei Jahre andauernden Krieges eine Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. An den beiden zurückliegenden NATO-Gipfeln in Vilnius und Washington hatte Selenskyj teilgenommen.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte wollte sich zu der Frage einer Teilnahme des ukrainischen Präsidenten bislang nicht klar äußern. Hintergrund könnte sein, dass die Regierung von US-Präsident Donald Trump einem NATO-Beitritt der Ukraine kritisch gegenüber steht und Selenskyjs Anwesenheit als hinderlich für weitere Verhandlungen mit Russland ansehen könnte. Der Verzicht auf einen NATO-Beitritt der Ukraine ist eine der Hauptbedingungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin für einen Waffenstillstand.
Weitgehende Einigkeit bei Rüstungsausgaben
Beim ersten NATO-Gipfel seit Beginn der zweiten Trump-Amtszeit sollen Misstöne vermieden und stattdessen Einigkeit demonstriert werden. Es gehe darum, „so wenig wie möglich die heiklen Themen anzusprechen, um Trump nicht zu verärgern“, sagt etwa der Sicherheitsexperte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Zentrales Ziel sei, dass die USA „bei ihrer Rolle bleiben und keinen großen Rückzug aus Europa vollziehen“.
Rutte hat es offenbar geschafft, mit seinem Vorschlag zur Anhebung der Verteidigungsausgaben sowohl die USA als auch die Europäer an Bord zu holen. Der Vorschlag sieht vor, dass die NATO-Mitglieder bis 2032 ihre Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigern und zusätzlich 1,5 Prozent des BIP für verteidigungsbezogene Maßnahmen ausgeben wie den Ausbau von Infrastruktur.
Eine solche Zielvorgabe würde den von Trump geforderten fünf Prozent für Verteidigungsausgaben Rechnung tragen und den NATO-Ländern gleichzeitig Spielraum bei ihren Ausgaben einräumen. NATO-Länder wie Deutschland und Frankreich haben sich bereits hinter Ruttes Vorschlag gestellt. Länder wie Italien, Spanien oder Belgien, die bisher nicht einmal das 2014 in Wales festgelegte Ziel von zwei Prozent erreicht haben, dürften beim Treffen am Donnerstag aber zumindest Zweifel anmelden.
Viele Mitgliedstaaten werden laut Meister „keine Chance haben, dieses Ziel zu erreichen“, trotz EU-Unterstützung mit höheren Krediten. Dennoch geht er davon aus, dass Ruttes Vorschlag angenommen wird, denn es gehe „vor allem um Symbole“. Es sei „eher unwahrscheinlich“, dass Trump noch US-Präsident sei, wenn die Zahlen erreicht werden müssen.
Trump lehnt neue Sanktionen ab
Grundlage für die Festlegung der Verteidigungsausgaben sind die Fähigkeitsziele der NATO, welche die Verteidigungsminister am Donnerstag beim letzten NATO-Treffen auf Ministerebene vor dem Gipfel in drei Wochen beschließen wollen. Darin wird festgelegt, welche militärischen Fähigkeiten jedes Mitgliedsland in einem vorgegebenen Zeitraum erreichen soll.
Einen Tag vor dem NATO-Treffen beraten die Verteidigungsminister der UDCG im sogenannten Ramstein-Format unter Leitung Deutschlands und Großbritanniens über die weitere Unterstützung der Ukraine. Die deutsche Regierung kündigte vergangene Woche weitere militärische Unterstützung in Höhe von fünf Milliarden Euro an. Damit soll die Produktion weitreichender Waffen durch die Ukraine finanziert werden. Zudem beinhaltet das Paket Munition sowie Landwaffensysteme und Handwaffen.
Die Treffen finden im Schatten der Ungewissheit ab, wie es in den Verhandlungen um eine Waffenruhe in der Ukraine weitergeht. Um Russland weiter unter Druck zu setzen, arbeitet die EU derzeit an einem 18. Sanktionspaket. Auch im US-Senat werden weitreichende Sanktionen gegen Moskau diskutiert. Präsident Trump lehnt dies jedoch trotz wachsender Frustration in Washington mit Moskau ab. (AFP)