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Europa wendet sich zunehmend der Kernkraft zu. Jetzt will ein französischer Konzern Brennstäbe in Deutschland herstellen. Dabei gibt es Probleme.

Lingen – Wer Energie aus Russland bezieht, riskiert bis zu 500 Prozent Zölle aus den USA. Das zumindest könnte Europa blühen, wenn die neuen US-Sanktionen gegen Russland in Kraft treten. Problematisch ist das mitunter für die europäischen Nationen, die Kernkraftwerke betreiben. Weil Russland einen Großteil der Kapazitäten für Uran-Anreicherung hält, kommt man an dem Land kaum vorbei. Ein französischer Konzern will das ändern – und baut auf deutsche Mithilfe.

Rückkehr der Kernkraft – nukleare Brennstäbe aus deutscher Herstellung?

Darum plant der französische Atomkonzern Framatome die Herstellung von nuklearen Brennstäben in Deutschland. Konkret soll die Firma Advanced Nuclear Fuel GmbH (ANF), eine Framatome-Tochter, die Brennstäbe im niedersächsischen Lingen herstellen. Das soll die Abhängigkeit von Lieferungen aus Russland verringern. Allerdings gibt es Schwierigkeiten mit den Behörden.

Kühltürme eines AKW in Belgien.

Kühltürme eines AKW in Belgien (Symbolfoto). Europa wendet sich zunehmend der Kernkraft zu. Jetzt will ein französischer Konzern Brennstäbe in Deutschland herstellen. Dabei gibt es Probleme. © IMAGO / Werner Lerooy

Dabei steht wohl nur noch eine Entscheidung des niedersächsischen Landesumweltministeriums aus, geführt vom Grünen-Politiker Christian Meyer. „Wir haben uns intensiv und konstruktiv mit den Behörden ausgetauscht. Jetzt ist die Zeit reif für eine Entscheidung“, zitierte das Handelsblatt Mario Leberig, Vice President Fuel Engineering & Fuel Germany bei Framatome. Die Anlagen in Lingen seien noch auf die Fertigung von Brennelementen für Reaktoren westlicher Bauart ausgerichtet, aber es brauche nur wenige Maßnahmen, um sie auch für russische Reaktortypen zu nutzen.

Die behördliche Genehmigung lasse jedoch auf sich warten. „Leider müssen wir feststellen, dass sich die Dinge sehr langsam bewegen“, erklärte Lebering. Der Antrag auf die Genehmigung der notwendigen Maßnahmen liege dem Amt bereits seit März 2022 vor.

Hürden bei der Kernkraft – Grünes Ministerium hält Brennstäbe-Produktion auf

Das große Problem dabei: Angeblich hat ein dreitägiger öffentlicher Erörterungstermin Ende 2024 rund 11.000 Einwendungen nach sich gezogen, die das Umweltministerium zuerst durcharbeiten muss. Eine Prognose darüber, wann die Entscheidung fällt, sei nicht möglich.

Kritiker des Vorhabens verweisen darauf, dass ANF zumindest anfangs auf russische Experten zurückgreifen will, um die Anpassungen vorzunehmen. Unter anderem würden die von einem Tochterunternehmen des russischen Atom-Giganten Rosatom kommen. Das wiederum sorgt für Sicherheitsbedenken. Im schlimmsten Fall könnten russische Akteure solche Leute zur Sabotage oder Spionage einsetzen – war gerade bei Atomreaktoren tödliche Folgen haben könnte.

Europa produziert mehr Atomstrom – vor allem Frankreich treibt die Produktion an

Atomkraft hat innerhalb der EU zuletzt einen größeren Anteil an der Stromerzeugung gehabt. Laut dem Statistischen Bundesamt generierte Kernkraft im Jahr 2023 rund 1,7 Prozent mehr Elektrizität als noch im Jahr zuvor. In einigen Ländern, darunter Deutschland und Belgien, kam es dabei zu massiven Abfällen, während Finnland, Frankreich und die Slowakei ihre Stromproduktion aus Kernenergie hochfuhren.

Frankreich ist dabei einer der Treiber vom EU-Atomstrom. Rund 70 Prozent des französischen Stroms kommen aus der Kernkraft, die Grande Nation liefert außerdem mehr als die Hälfte des europäischen Atomstroms.

Comeback der Kernkraft – Europa-Staaten planen neue Maßnahmen

Mehr noch: zwei entscheidende Entwicklungen führen dazu, dass viele europäische Staaten aktuell eine Art Comeback der Atomkraft einläuten. Erstens geht es dabei um Energiesicherheit: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat das Vertrauen in die Ankäufe von Gaslieferungen aus Russland zerstört; europäische Länder sehen bei der Atomkraft eine Möglichkeit, sich davon zu lösen.

Zweitens hat die EU Atomkraft als umweltfreundlich in dem Sinne eingestuft, als dass sie extrem wenig CO₂ verursacht. Klimaschützer haben seit jeher gegen die Atomkraft lobbyiert und dabei vor allem vor Katastrophen wie Tschernobyl oder Fukushima gewarnt. Außerdem steht die Frage nach der Endlagerung immer mit im Raum, wenn es um Kernkraftwerke geht.

„Erfüllt alle drei Kriterien“ – warum Belgien die Atomkraft zurückholen will

Als Beispiele für Länder, die derzeit die Kernkraft-Wende vollziehen, gelten Belgien, Polen, Italien und Spanien. Spanien steht dabei vor allem wegen eines Blackouts unter Druck, der im Mai stattfand. Polen ist von Kohle abhängig, Italien hatte sich wiederum in den Achtzigern von Atomkraft verabschiedet und plant für 2030 den Wiedereinstieg.

„Wir wissen, dass es eine Energiequelle mit wenig CO₂-Ausstoß ist, was heißt, dass wir unsere europäischen Klimaziele erreichen können“, zitierte das Nachrichtenportal Euronews den belgischen Energieminister Mathieu Bihet. „Gleichzeitig ist es eine reichhaltige Energiequelle.“ Die europäischen Partner hätten drei Ziele: Sicherheit für die Versorgung, einen kontrollierten Preis und wenig CO₂-Ausstoß. „Nuklearenergie erfüllt alle drei Kriterien“, sagte Bihet.