Die Brandenburger AfD-Fraktion verbreitet auf Youtube und X ein Video zum gewaltsamen Überfall auf ein Toleranzfest in Bad Freienwalde, in dem der lokale AfD-Landtagsabgeordnete Lars Günther und der AfD-nahe Musiker Björn Banane nach Analyse der Amadeu-Antonio-Stiftung „absurde Verschwörungsmythen“ verbreiten und „den rechtsextremen Hintergrund des Angriffs in Zweifel ziehen“.

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Der Angriff einer Gruppe Vermummter am Sonntag „wirkte wie eine Inszenierung“, sagte Lars Günther im Video. Er spekulierte über eine „Lohnliste“, auf der die „Anstifter“ stehen könnten, und adressierte an Jugendlichen, ihnen Wege aufzuzeigen, „wie man Zorn positiv analysieren kann“. Björn Banane deutete zudem Verständnis an, sollte es sich bei den Tätern um „durchgedrehte Eltern“ handeln, die sich die „sexuelle Desorientierung von Kindern […] nicht gefallen“ lassen wollten.

Deutlich kritisierten beide den Auftritt einer Dragqueen beim Fest, das Günther ein „reines, ideologisch aufgeladenes Gender-Gaga-Schauspiel“ und „Antifa-Fest“ nannte. Genauso wie Bürgermeister Ralf Lehmann (CDU) verharmloste der AfD-Politiker den Angriff als „Störung“, bei der „nichts Schlimmes passiert“ sei. Beide waren nicht auf dem Fest und stützen sich lediglich auf Augenzeugenberichte. Das Video erschien am 17. Juni. Zwei Tage später durchsuchten Ermittler die Räume eines Tatverdächtigen, der der rechtsextremen Partei „Der Dritte Weg“ nahe stehen soll. Einen „rechten Angriff“ fände er „verurteilenswert“, so Günther im Video. Zuvor hatte AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt „rechts motivierte Gewalt“ verurteilt.

Gegennarrative verfangen im Ort

„Dieses Narrativ, dass nichts war oder wenn was war, dass es die ‘Richtigen’ getroffen hat, verfängt vor Ort“, berichtet Judith Strohm vom Bündnis „Bad Freienwalde ist bunt“, das das Fest veranstaltete. „Jetzt ziehen die Gegennarrative ihre Kreise“, sagt sie. In Bad Freienwalde hatten 41,7 Prozent die AfD bei der Bundestagswahl gewählt. Das besagte Video hatte auf Youtube am Freitag 19.000 Klicks. Auf Tiktok hatte ein Auszug auf Björn Bananes Kanal 12.500 Views.

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Dieses Narrativ, dass nichts war oder wenn was war, dass es die ‘Richtigen’ getroffen hat, verfängt vor Ort.

Judith Strohm, Bündnis „Bad Freienwalde ist bunt“

Julian Muckel vom Verein Opferperspektive nennt die Äußerungen im Video „zutiefst menschenverachtend“. Der Verein lasse das Video nun auf strafrechtlich relevante Äußerungen prüfen. Die Amadeu-Antonio-Stiftung schreibt auf ihrer Website: „Unter dem Deckmantel des vermeintlichen Kinderschutzes und der angeblichen Frühsexualisierung werden trans* Menschen entmenschlicht und kriminalisiert.“ Sie attestiert dem Video eine „systematische Faktenverdrehung“ und „klare Täter-Opfer-Umkehr“.

Kritik an medialer Berichtertstattung

Generell sagt Judith Strohm, dass die umfangreiche, bundesweite Berichterstattung über den Überfall den Ermittlungsdruck hochhalte. Zugleich kritisiert sie, dass das mediale Framing der Veranstaltung als queer – ohne die anderen beteiligten Akteure und Gäste wie Jugendliche, migrantische Personen und Menschen mit Behinderung zu benennen – ein Wegducken ermögliche. „All diese Menschen zusammen sind am Sonntag angegriffen worden“, so Strohm. Im Übrigen sei das auch das Publikum, das am Samstag die Kunstsommernacht im Schloss Freienwalde besuche.

Auf dem Marktplatz von Bad Freienwalde nach der Kundgebung.

© dpa/Christoph Soeder

Der Vorstand der Michael-Linckersdorff-Stiftung, Veranstalter der Kunstsommernacht sowie weiterer Kultur- und Bildungsangebote im Schloss, hatte sich zuvor an den Tagesspiegel gewandt. Michael Linckersdorff und Cordula Weitze kritisierten eine Verzerrung und einen „zweifelhaften Bekanntheitsgrad“ der Stadt, auch „aufgrund der fehlenden Berichterstattung über die vielen positiven Aktivitäten“. Überwiegend seien die Menschen in der Stadt rechtschaffend und demokratisch gesinnt.

All diese Menschen zusammen sind am Sonntag angegriffen worden.

Judith Strohm, Bündnis „Bad Freienwalde ist bunt“

Judith Strohm sagt dazu: Das Image von Bad Freienwalde leide nicht wegen der aktuellen Berichterstattung oder des Fests, sondern „weil es hier gewaltbereite, junge Menschen gibt, denen nicht Einhalt geboten wird, und weil es keinen gesellschaftlichen Aufschrei gibt“. Die Aussage des Bürgermeisters und das AfD-Video führten dazu, dass es „keine breite, gesellschaftliche Ächtung gibt“.

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Doch das Bündnis lässt sich nicht entmutigen: „Wir werden weiterhin im öffentlichen Raum in Bad Freienwalde stattfinden.“ Im Gespräch ist eine Aktion zur Bürgermeisterwahl im September. Lehmann tritt bei der Wahl nicht erneut an.