Im Geheimdienst-Ausschuss des Bundestags ist künftig nur noch ein einziger Oppositionsabgeordneter vertreten. Sowohl die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek als auch die beiden AfD-Kandidaten Martin Hess und Gerold Otten verfehlten bei der Wahl der neuen Mitglieder des Gremiums im Bundestag die notwendige Mehrheit von 316 Stimmen.
Reichinnek erhielt nach Angaben von Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz 260 Ja-Stimmen, bei 258 Nein-Stimmen, 27 Enthaltungen und 42 ungültigen Stimmen. Für den AfD-Kandidaten Gerold Otten stimmten 127 Abgeordnete. Sein Fraktionskollege Martin Hess erhielt 121 Ja-Stimmen.
Neben drei Unions-Abgeordneten und zwei SPD-Vertretern sitzt damit nur noch der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz im Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr).
Das PKGr überwacht die Geheimdienste, bekommt Zugang zu sensiblen Informationen und tagt deshalb unter strenger Geheimhaltung in einem abhörsicheren Raum. Die Mitglieder werden von ihren Fraktionen nominiert, müssen aber auch im Bundestag gewählt werden.
Reichinneks Wahl ins PKGr wurde bereits zuvor kontrovers diskutiert. So hatte der SPD-Innenexperte Lars Castellucci anders als Kollegen aus der Unionsfraktion dafür plädiert, die Linke ins PKGr zu wählen. „Es gibt keine Gründe, sie nicht zu wählen – anders als bei den Kandidaten der AfD“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Es sei wichtig, dass der Bundestag die Sicherheitsbehörden kontrolliere. „Dabei sollte man die demokratischen Oppositionsfraktionen einbeziehen.“ Nun scheint das ja der SPD aber zu wackeln.
Gegen Reichinnek hatte sich schon zuvor Widerstand in der Union geregt. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann hatte dem „Spiegel“ gesagt: „Dieses hochsensible Gremium braucht passendes Personal statt parteipolitischer Provokation. Die Nominierung von Frau Reichinnek ist das genaue Gegenteil.“
Linke verknüpft Wahl mit Zustimmung bei anderen Abstimmungen
Die Linke selbst hatte die Wahl ihrer Fraktionschefin mit der Zustimmung bei anderen Abstimmungen verknüpft. Auf die Frage, was die Partei unternehmen würde, falls Reichinnek durchfallen sollte, antwortete der Parteivorsitzende Jan van Aken: „Dann würde ich mal laut darüber nachdenken, wie die CDU sich eigentlich vorstellt, in den kommenden vier Jahren hier Beschlüsse mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament zu fassen.“
Reichinnek selber drohte zuvor mit Konsequenzen, falls die Unionsfraktion ihr die Unterstützung verweigere. „Ich erwarte, dass die Union mit ihren fakten- und substanzlosen Anwürfen aufhört und der Linksfraktion den ihr zustehenden Platz im PKGr ermöglicht“, sagte sie dem RND. „Sollte das nicht geschehen, müsste man sich Gedanken machen über die weitere Zusammenarbeit.“
Die Fraktionschefin verwies darauf, dass die Union an vielen Stellen auf die Linke angewiesen sei, etwa bei der Wahl von Verfassungsrichtern oder der Reform der Schuldenbremse.
Der Innenpolitiker Konstantin Kuhle von der aktuell nicht im Bundestag vertretenen FDP warnte vor einer Schwächung der Geheimdienst-Kontrolle. Er verwies im „Stern“ auf die Folgen, falls nicht nur die beiden AfD-Kandidaten durchfallen sollten, sondern auch Reichinnek.
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„Die Kontrolle gegenüber der Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit durch die Opposition wird auf einen einzigen Abgeordneten zurechtgestutzt“, kritisiert Kuhle, bisher selbst Mitglied im PKGr. „Das ist gerade in Zeiten internationaler Krisen nicht der richtige Weg.“
Den Vorsitz des PKGr soll der nordrhein-westfälische CDU-Abgeordnete Marc Henrichmann übernehmen. Der bisherige Vorsitzende Roderich Kiesewetter (CDU) wurde von seiner Fraktion nicht mehr nominiert. Auch der frühere SPD-Vize Ralf Stegner ist künftig nicht mehr dabei. (dpa/lem)