Kein Lob scheint zu billig. Und Donald Trump glaubt alles, wie der Nato-Gipfel diese Woche zeigte. Europa steckt in einem seiner bizarrsten Kapitel seit der Formierung des Westens nach 1945.

Ein offensichtlich milde gestimmter US-Präsident Donald Trump vor der Pressekonferenz am Nato-Gipfel in Den Haag.
Ein offensichtlich milde gestimmter US-Präsident Donald Trump vor der Pressekonferenz am Nato-Gipfel in Den Haag.

Jakub Porzycki / NurPhoto / Getty

Die «Schleim-SMS» wird an ihm klebenbleiben: Mark Rutte, der langjährige niederländische Regierungschef und heutige Nato-Generalsekretär, hat Donald Trump im Vorfeld des Gipfeltreffens der Militärallianz diese Woche für dessen «wahrhaft aussergewöhnliche» Tatkraft bei der Bombardierung Irans gratuliert und für die Nötigung der Europäer, die «kräftig zur Kasse gebeten werden – so wie es sein sollte» und die sich zu einer deutlichen Erhöhung ihrer Militärausgaben verpflichteten. Kann sich ein hoher Amtsträger aus Europa noch mehr erniedrigen?

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Der Vorfall lässt sich auch anders sehen. Die Europäer können Rutte zu dessen wahrhaft aussergewöhnlicher Tatkraft gratulieren. Einem ausgebufften Politiker, der sich im Lauf seiner Karriere durch zahllose Krisen manövrierte und jetzt versucht, die Nato zu retten. Rutte will Trump im Boot der Allianz halten. Jede Woche, jeder Monat zählt. So einfach ist das. Der Niederländer kriecht vor der Eitelkeit und dem Machtbewusstsein des amerikanischen Präsidenten zu Kreuze, und er tut dies als Manager eines 32-Staaten-Bündnisses, nicht als Regierungs- oder Staatschef, der sich dann für den Kniefall vor seiner Nation rechtfertigen müsste. Dafür können ihm die Europäer eigentlich dankbar sein.

Natürlich versuchen auch sie, den amerikanischen Präsidenten wie einen jähzornigen Buben mit kleinen Schmeicheleien zu umgarnen. Der britische Premierminister zieht beim ersten Besuch im Oval Office einen Brief des britischen Königs an Trump aus der Vestontasche. Der deutsche Kanzler bringt eine gerahmte Geburtsurkunde von Trumps Grossvater mit. Der französische Präsident lässt sich auf pubertäre Händedruckspiele mit Trump ein. Alle wissen: Sie müssen einen Narzissten managen, einen amerikanischen Präsidenten mit einer mutmasslich dissozialen Persönlichkeitsstörung. Einen, der zwanghaft lügt und eine gefährlich niedrige Toleranz bei Frustrationen hat.

Wir stecken also in einem der bizarrsten Kapitel der europäischen Geschichte nach 1945. Der Westen, so wie er sich unter der Führungsmacht USA formierte und gegenüber dem einstigen Ostblock behauptete, ist zerbrochen. Die Europäer müssen mit einem mad king umgehen, einem nur in seiner Sprunghaftigkeit und Selbstliebe berechenbaren Präsidenten im Weissen Haus, auf dessen Wohlwollen sie gleichwohl angewiesen bleiben. Militärisch können die Europäer ihren eigenen Kontinent derzeit nicht gegenüber Russland verteidigen. Diplomatisch sind sie eine Null. Das Genfer Treffen mit dem iranischen Aussenminister – sieben Tage nach dem Beginn von Israels Krieg gegen Iran, einen Tag vor dem Bombardement durch die USA – hat aller Welt die Machtlosigkeit der Europäer gezeigt.

Selbst schuld, kann man sagen. Wer zu lange zu wenig in seine militärischen Fähigkeiten, die politische Hardware, investiert hat, muss nun, in einer geänderten Welt, eben die Folgen ertragen. Die Europäer hätten sich diese Erniedrigung redlich verdient, stellte die deutsche Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff diese Woche nach dem Nato-Gipfel fest.

Aber Rutte ist nicht der Einzige, der Trump den Ring küsst. Die anderen tun es ja auch – Trumps Republikaner im Kongress, so erfahrene Senatoren wie der Aussenpolitiker Lindsey Graham oder John Thune, der Mehrheitsführer im Senat, von denen man nicht wirklich weiss, wie sie sich morgens noch im Spiegel anschauen können. Sie alle verbiegen sich, um Trump zu gefallen, rühmen des Kaisers neue Kleider, seine angebliche Entschlusskraft, die Mär von der Verteidigung amerikanischer Interessen. Sie alle wissen, dass Trump noch die billigste Lobhudelei freudig aufgreift und – anders als der Kaiser im Märchen – von allen Selbstzweifeln befreit auch glaubt. Viele von ihnen dürften, genauso wie die Europäer, die Tage bis zum Ende von Trumps Amtszeit zählen.

President Donald Trump, center, speaks with NATO Secretary General Mark Rutte, left, during a group photo of NATO heads of state and government at the NATO summit in The Hague, Netherlands, Wednesday, June 25, 2025. (AP Photo/Geert Vanden Wijngaert) Pictures of the Week Global Photo Gallery
President Donald Trump, center, speaks with NATO Secretary General Mark Rutte, left, during a group photo of NATO heads of state and government at the NATO summit in The Hague, Netherlands, Wednesday, June 25, 2025. (AP Photo/Geert Vanden Wijngaert) Pictures of the Week Global Photo Gallery

Geert Vanden Wijngaert / AP

Einen gravierenden Unterschied jedoch gibt es zwischen der Liebedienerei der amerikanischen Politiker und jener der Europäer. Die republikanischen Senatoren gehen vor Trump in die Knie, weil sie um ihren Job und ihre Karriere fürchten. Die Europäer tun es, um den Schaden an ihren Ländern und am Nato-Bündnis zu begrenzen.

Ruttes Schmeicheleien und die der anderen Europäer sind beschämend, aber harmlos. Jeder – ausser Trump – weiss, dass sie nur Show sind. Die eigennützige Kollaboration der Republikaner mit ihrem Präsidenten dagegen hat weitreichende Folgen, angefangen beim Verrat an der Ukraine und an der Idee einer freiheitlichen internationalen Ordnung. Sie ist nicht nur beschämend, sondern gefährlich.

Ein Artikel aus der «»