Guy Schons, man kennt Sie eigentlich als Luxemburgisch-Sänger – wie kommen Sie jetzt auf ein rein jiddisches Programm?
Ich bin eigentlich schon seit Jahrzehnten mit jiddischem Liedgut in Kontakt, bloß am Anfang wusste ich es noch nicht…
Das müssten Sie erklären…?
Schon in den 1960ern habe ich Lieder aufgenommen, bei RTL im Studio. Was da eines Abends geschah, mein Zusammentreffen mit Jimi Hendrix, darüber haben wir uns ja schon einmal unterhalten. Eines dieser aufgenommenen Lieder war jedenfalls von Joan Baez, „Donna Donna“ – allerdings wusste ich damals noch gar nicht, dass es dazu ein jiddisches Original gibt. Das fiel mir erst zehn Jahre später auf, 1977, als ich eine Gruppe aus dem Saarland, Espe, nach Luxemburg einlud, die dieses und andere Lieder auf Jiddisch sang.
Ich bin vor einigen Jahren dazu übergegangen, Konzertvorträge mit Hintergrundinformationen zu den einzelnen Stücken zu organisieren, das kam recht gut an und irgendwann kam die Idee, das auch mal mit jiddischen Liedern zu machen.
Guy Schons in den 1970ern. Foto: LW-Archiv
Was fasziniert sie so sehr an diesen Liedern?
Es sind vor allem die Melodien, die sind sehr ausdrucksvoll, die Stücke sind melodisch sehr interessant. Man kann auch historisch einiges nachverfolgen, die ältesten Stücke in meiner Sammlung sind aus dem 16. Jahrhundert, Volkslieder mit unbekanntem Autor. Und es gibt da Parallelen zu Liedern, die auch bei uns verbreitet waren, ähnliche Inhalte. Man kann nachvollziehen, dass es einen Austausch zwischen Juden und Christen gab, eine geteilte Kultur. Die Lieder beschreiben, wie das Zusammenleben sich gestaltet hat.
Natürlich weiß man nicht genau, wie das damals gesprochen wurde, es wurde ja auch nicht so geschrieben wie heute. Luxemburgisch und andere Dialekte ja auch nicht. Jiddisch, also die Sprache der europäischen Juden, war keine ganz einheitliche Sprache, und so ist das Jiddische in Westeuropa doch näher an unserem Moselfränkischen als das osteuropäische Jiddisch, was man so kennt.
Die Juden wurden im späten Mittelalter vertrieben und haben sich dann dort angesiedelt, wo sie ihre Kultur und Religion ausüben konnten. Dort entstanden dann wieder neue Lieder, die das Leben dort thematisierten, besonders in den Ghettos im 20. Jahrhundert, aber auch aus dem Widerstand gegen die Nazi-Besatzer, wie zum Beispiel Hirsch Glicks Liebeslied „Shtil, di Nacht“ an die Partisanin Witka Kempner. Und diese Geschichten erzählt mein Vortrag.
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Wie schwer ist es Ihnen gefallen, den „jiddischen Ton“ zu treffen, sowohl sprachlich als auch musikalisch?
Jiddische Lieder gab es ja schon im Programm meiner Band Dullemajik, und „Donna Donna“ hatte ich ins Luxemburgische übertragen, hauptsächlich um zu zeigen, dass es geht. Andere Volkslieder aus Europa haben wir im Original gesungen. Ich habe als Luxemburger natürlich den Vorteil, mehrere Sprachen zu können, aber ich kann mehr Sprachen singen als sprechen. Beim Anhören und Nachspielen merkt man auch die regionalen Unterschiede im Jiddischen, je nachdem wo das Lied entstanden ist, Polen, Russland oder Ukraine zum Beispiel.
Es klingt jedenfalls nach viel Arbeit…
Mir hilft meine Erfahrung mit historischem Liedgut, ich habe zum Beispiel die Lieder von Putty Stein aus dem 19. Jahrhundert in Luxemburg erforscht. Auf die jiddischen Lieder bin ich erst nach und nach gestoßen, von einer Schallplatte zur nächsten. Aber bei meinen ganzen Recherchen haben sie mich immer wiedergefunden, sozusagen.
Ich kann immer auf Arbeit zurückgreifen, die ich bereits gemacht habe. Zum Beispiel habe ich an der Uni Zürich einen Vortrag über die Reformatoren in Deutschland und der Schweiz im Vergleich zu Luxemburg gehalten. Und dabei bin ich auch wieder auf die Juden gestoßen. Luxemburg wurde ja de facto nicht reformiert, solange wir unter der spanischen Habsburg-Herrschaft standen, später unter den Niederländern gab es dann enge Handelsverbindungen nach Antwerpen und Amsterdam – wichtige kulturelle Städte für die Juden zur damaligen Zeit. Auch aus Amsterdam habe ich Lieder gefunden, aus dem 17. Jahrhundert, wieder in einem anderen Jiddisch, enger verwandt mit unserem Moselfränkischen.
Ich bin in Kontakt mit einem Spezialisten in Berlin, der auch zu dieser Verbindung recherchiert und viele Kontakte hat. Da möchte ich nächstes Jahr gerne weitermachen, denn mein Kalender für dieses Jahr ist voll.
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Wie weit sind Sie denn mit Ihren Tournee-Vorbereitungen?
Das Programm heißt „Bei mir bist du schéin! Jiddische Lieder“. Die Premiere wird am 4. September 2025 in der Synagoge Shomre Hadas in Antwerpen stattfinden. In Luxemburg bin ich am 16. September im ehemaligen Kino Ariston in Esch, am 21. September im Festsaal des Bürger- und Kulturhauses in Mondorf und am 25. September im Kulturzentrum Neidhausen. Das CAPE Ettelbrück ist auch in Planung.
Im Februar 2026 bin ich dann für mehrere Konzerte in Südafrika, aber ich plane auch Konzerte in Berlin, Warschau, Wien und in den Niederlanden. Die Luxemburger Botschaft in Den Haag ist zum Beispiel interessiert. Weil ich mittlerweile mit 75 etwas Erholung nach einem Konzert brauche, muss ich die Termine etwas genauer planen.
Im September kommt auch die CD dazu heraus, mit ausführlicher Textbeilage und Übersetzungen auf Deutsch und Englisch.
Wie politisch ist heute ein solches Unterfangen, eine Konzertreise mit jiddischen Liedern in Richtung auch nach Osteuropa?
Man muss ganz klar sagen, Jiddisch ist eine europäische Sprache und nicht die Sprache Israels. Mein Vortrag behandelt die Zeit, bevor es den Staat Israel überhaupt gab, er reicht vom Mittelalter bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Mein Thema kann also nicht die Politik von heute sein. Wenn man mich fragen würde, zu Israel zu sprechen, würde ich sagen, ich bin kein Spezialist. Zurzeit wird oft jüdische Kultur mit Politik vermengt, das ist auch nicht immer ganz glücklich. Natürlich kann das insgesamt schon heikel sein. Es gibt einige Veranstalter, die Bedenken haben, dass etwas passiert, dass sie Sicherheitspersonal anheuern müssen und so weiter.
Ich behandle das Thema geschichtlich, ich lasse mich nicht auf aktuelle politische Fragen ein. Wenn sie aufkommen, begegne ich dem möglichst diplomatisch. Aber ich habe seit den 1960er-Jahren Anti-Kriegslieder gesungen, und das ist natürlich auch weiterhin meine Meinung.
Guy Schons geht bis nach Südafrika auf Tour
Mit seiner Mischung aus Konzert und Vortrag unter dem Titel „Bei mir bist du schéin! Jiddische Lieder“ geht der Musiker nicht nur in Luxemburg auf Tour. Das Programm um jiddisches Liedgut und seine Geschichte(-n) wird sogar in Cape Town und Johannesburg zu hören sein. Hier die Termine in der Übersicht – einige weitere sollen noch folgen und werden unter anderem auf Schons’ Facebookseite angekündigt.
04.09., 19 Uhr: Synagog Shomre Hadas, Antwerpen
16.09., 19.30 Uhr: Ariston, Esch/Alzette
21.09., 16 Uhr: Bierger- a Kulturhaus, Bad Mondorf
25.09., 19 Uhr: Centre Culturel „A Sputz“, Neidhausen/Hosingen
15.02.26, 19 Uhr: South African Jewish Museum, Cape Town
20.02.26, 19.30 Uhr: Rabbi Cyril Harris Centre, Johannesburg