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Das Ende eines Tabus: Finnland und andere Nato-Staaten kündigen das Verbot von Antipersonenminen. Die Sorge vor Moskau wächst.
Helsinki – Mit einer historischen Abkehr vom internationalen Konsens beenden mehrere ost- und nordeuropäische Nato-Staaten den Selbstverzicht auf Antipersonenminen. Finnland, Litauen, Lettland, Estland und Polen haben ihren Austritt aus der Ottawa-Konvention angekündigt und senden damit, wie sie selbst betonen, „eine klare Botschaft“ Richtung Moskau: Die Bedrohung durch Russland zwinge sie, alle Mittel zur Verteidigung zu nutzen.
Osteuropäische Nato-Staaten steigen aus Landminen-Verbot aus, Finnland macht Ernst
Finnland hat als einer der ersten Staaten den Austritt offiziell bei den Vereinten Nationen eingereicht, wie Reuters am Freitag (11. Juli) vermeldete. Nach Angaben des Außenministeriums wird der Rückzug sechs Monate nach der Notifikation wirksam, also im Januar 2026. Das Parlament hatte im Juni mit breiter Mehrheit für den Austritt gestimmt.
Hintergrund ist die veränderte Sicherheitslage seit dem von Russland begonnen Ukraine-Krieg: Die lange Zeit neutrale Nation sieht sich durch die 1340 Kilometer lange Grenze zu Russland massiv bedroht und will die Verteidigungsfähigkeit ausbauen. Gemeinsam mit den baltischen Staaten und Polen betonte Finnland in einer gemeinsamen Erklärung der jeweiligen Verteidigungsminister, so die Newsweek, die Entscheidung sei eine „klare Botschaft: Unsere Länder sind bereit und können jede notwendige Maßnahme ergreifen, um unser Territorium und unsere Freiheit zu verteidigen“.
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Fotostrecke ansehenIn Anbetracht des Ukraine-Kriegs und Putins Aggressionen: Produktion eigener Landminen rückt näher
Im Frühjahr hatten die Verteidigungsminister Polens, Litauens, Lettlands und Estlands bereits erklärt, dass ein Festhalten am Minenverbot angesichts der russischen Aggression nicht mehr tragbar sei. Polen plant ebenfalls, schreibt die Newsweek, seine Grenze zu Russland mit Minenfeldern zu sichern und bereitet die Wiederaufnahme der Minenproduktion vor. Auch Litauen und Finnland wollen im kommenden Jahr die Produktion moderner Antipersonenminen aufnehmen, sobald der Austritt aus der Ottawa-Konvention formal rechtskräftig wird.
Finnlands Verteidigungsindustrie – darunter Unternehmen wie Nammo Lapua, Insta und Raikka – bereitet sich bereits darauf vor, neue Minentypen zu entwickeln und zu fertigen. Ziel sei es, die Landesverteidigung zu stärken, die Minen aber auch gegebenenfalls an die Ukraine zu liefern, notiert die finnische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Yle.

Russlands Präsident Putin und ein Warnschild „Miinoja“ (finnisch: Minen): Osteuropäische Staaten wollen mit neuen Minenfeldern auf die russische Bedrohung reagieren. © Foto links: IMAGO / SNA | Foto rechts: X (Screenshot) / @emilkastehelmiNato-Staaten wollen Antipersonenminen gegen Putin: Humanitäre Kritik und Sorge um Zivilpersonen
Die Entscheidung der entsprechenden Nato-Staaten löst international scharfe Kritik aus. UN-Generalsekretär António Guterres forderte alle Staaten auf, ihre Verpflichtungen einzuhalten: „Eine Welt ohne Antipersonenminen ist nicht nur möglich, sie ist in Reichweite.“
Menschenrechtsorganisationen warnen, dass über 80 Prozent der Minenopfer weltweit Zivilisten sind, darunter viele Kinder, und die Gefahr durch Minen oft noch Jahrzehnte nach einem Krieg fortbesteht, so das Online-Magazin Army Recognition. 2024/2025 wurden gemäß Newsweek weltweit mindestens 5757 Menschen durch Landminen oder Blindgänger getötet oder verletzt – die Mehrheit davon Zivilisten.
Was sind Antipersonenminen?
Antipersonenminen sind Sprengkörper, die durch Menschen ausgelöst werden – meist durch Betreten oder Annäherung. Sie wurden entwickelt, um feindliche Soldaten zu verletzen oder zu töten, treffen jedoch häufig auch Zivilisten.
Seit 1997 sind sie durch die Ottawa-Konvention in über 160 Staaten verboten. Russland, die USA und China gehören nicht zu den Unterzeichnern. Mehr als 80 % der Minenopfer sind Zivilisten, darunter viele Kinder. Minen bleiben oft Jahrzehnte nach Kriegsende eine Gefahr. Die wichtigsten Minentypen sind Druckminen, Stockminen, Springminen und Richtminen.
Quellen: landmine.de, ZDFheute, demira.org, tagesschau.de
Antipersonenminen an den Nato-Grenzen: Rechtfertigung mit Ukraine-Krieg und russischem Vorgehen
Osteuropäische Regierungen betonen, dass Russland – ebenso wie die USA und China – die Ottawa-Konvention nie unterzeichnet hat und im Ukraine-Krieg weiterhin Minen einsetzt.. Die neuen Minen sollen nur im Verteidigungsfall zum Einsatz kommen und werden laut Litauens Verteidigungsministerium ausschließlich für den Notfall gelagert, berichtet Reuters.
Die baltischen Staaten und Polen, so Swissinfo, werten ihren Schritt derweil als Teil einer Kettenreaktion angesichts der zunehmenden Unsicherheit in Europa und warnen vor einer weiteren Erosion humanitärer Abrüstungsnormen.
Fakt ist: Der Bruch mit dem Minenverbot markiert einen Paradigmenwechsel in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik Europas. Für viele Regierungen an der Ostflanke sind Antipersonenminen künftig ein unverzichtbares Abschreckungsinstrument – trotz aller Risiken und internationaler Kritik. „Wenn wir sie auf Lager haben, ist das die beste Garantie, dass sie niemals eingesetzt werden müssen“, sagte ein finnischer Regierungsvertreter gegenüber Reuters.