Um die sich abzeichnenden deutlichen Steigerungen im Verteidigungsbereich zu finanzieren sieht Verteidigungsministerin Yuriko Backes (DP) eine moderate Neuverschuldung als legitim an. In dem Bereich sei noch Spielraum, doch es gelte eines zu bedenken: „Unser Triple A ist und bleibt absolut wichtig und wir dürfen nichts machen, um das zu gefährden“, sagte Backes am Montagabend beim „Luxemburger Wort“-Leserevent zur Verteidigung in der Abtei Neumünster.
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Mehr als 170 Zuhörerinnen und Zuhörer nahmen an der Podiumsdiskussion teil. Foto: Anouk Antony
Beim NATO-Gipfel in Den Haag einigten sich die Mitgliedstaaten des Verteidigungsbündnisses darauf, ihre Wehretats deutlich zu erhöhen. Bis spätestens 2035 sollen künftig fünf statt zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgegeben werden. Das stellt ein Land wie Luxemburg, das derzeit noch weit von den zwei Prozent entfernt ist, vor Herausforderungen. Auf die Frage von LW-Redakteur und Moderator Jan Kreller, ob es innerhalb der Regierung Diskussionen über die neue Vorgabe gegeben habe, antwortete Backes, Luxemburg wolle nicht den breiten Konsens innerhalb der NATO gefährden.
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„Es geht hier nicht darum, jetzt in einen Rüstungswahn zu fallen“, konterte Backes. Die Europäer müssten sich künftig selbst verteidigen. Und wir sind geografisch einfach viel näher am Krieg.“ Es gelte, weiterhin mit den Amerikanern zusammenzuarbeiten, aber als Europäer eigenständig zu werden. Luxemburg habe über viele Jahre zu wenig in Verteidigung investiert. Die Infrastruktur der Luxemburger Armee sei in Teilen deutlich überaltert.
Die Präsidentin der Europäischen Investitionsbank, Nadia Calviño, verglich die Aufrüstung mit der Herausforderung durch die Pandemie. Foto: Anouk Antony
Mit Blick auf die Ukraine stellte Backes klar, dass Stärke gefragt sei. Man dürfe nicht ignorieren, dass auch Luxemburg durch Russland gefährdet sei. „Die Bedrohung ist da. Wir stehen vor einem totalen Paradigmenwechsel.“ Selbst, wenn das Szenario nicht eintrete, dass Russland in einigen Jahren mit Panzern und Raketen ein baltisches Land angreife, sei definitiv die Gefahr von Cyberattacken hoch. „Wir müssen das klare Signal geben: Wir machen kein Appeasement“, so Backes. Es brauche eine glaubwürdige Abschreckung der NATO.
Einstmals deutlich höherer Militäretat
Der Militärhistoriker Benoît Niederkorn erläuterte, dass Luxemburg einst deutlich mehr Geld in seiner Armee steckte. Foto: Anouk Antony
Doch kann Luxemburg sich im Ernstfall verteidigen? Der Ex-NATO-Offizier Patrick Fautsch ist da skeptisch: „Im Moment, im aktuellen Setting, eher nicht, da fehlt es noch an einer Fortsetzung eines kulturellen Wandels“, analysierte der pensionierte Armeeangehörige. Doch das Fünf-Prozent-Ziel sei nicht konkret genug, Luxemburg müsse sich auf eigene Vorgaben stützen: „Wir müssen uns fragen, was für eine Armee wir wollen, was sie wirklich können muss, und dann erst stellt sich die Frage der Ressourcen. Wir sprechen viel über Mittel, aber nicht über Ziele.“ Luxemburg sei zudem gut beraten, wenn es deutlich mehr mit anderen Armeen zusammenarbeite. „Man muss wegkommen von einem rein nationalen Ansatz.“
Mediahuis-Generaldirektor Paul Peckels begrüßte die Podiumsgäste. Foto: Anouk Antony
Dass Luxemburg vergleichsweise wenig Geld für Verteidigung ausgibt, war beileibe nicht immer so. Der Militärhistoriker Benoît Niederkorn erinnerte an die Anfänge der Luxemburger Armee nach dem Zweiten Weltkrieg, wo das Militär „aus dem Stehgreif“ neu habe aufgebaut werden müssen. Noch während des Krieges sei Luxemburg von den Alliierten aufgetragen worden, zwei Militärbataillone mit insgesamt 3.000 Mann zu schaffen.
Anfangs sei die Luxemburger Armee noch in einer ehemaligen Wehrmachtskaserne in Bitburg untergebracht worden. Der Luxemburger NATO-Beitrag sei zu diesem Zeitpunkt noch sehr hoch gewesen, 1954 etwa sei ein Zehntel des Staatsbudgets dafür verwendet worden.
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Die Präsidentin der Europäischen Investitionsbank, Nadia Calviño, wies auf die historische Herausforderung der neuen Sicherheitslage hin. Sie zog Vergleiche zu einer anderen großen Challenge der jüngeren Zeit. In der Corona-Pandemie hätten die Staaten beim Kauf von Masken gegeneinander gearbeitet. Doch man habe aus dem Fehler gelernt und bei der Beschaffung von Impfstoffen zusammengearbeitet. „Wir machten das als Europäer zusammen und hatten Erfolg“, so die Leiterin der Bank, die mittlerweile zahlreiche militärische Projekte mitfinanziert.
Von zentraler Bedeutung sei eine stärkere Standardisierung bei der Beschaffung:, „Wir müssen uns koordinieren, und hier hat die EIB eine Rolle“. So finanziert die EIB etwa einen Militärcampus in Litauen, der dann von der Bundeswehr betrieben werden soll. „Wenn wir zusammenarbeiten, bin ich zuversichtlich, dass wir erfolgreich sind“, so Calviño.