Inmitten von schweren Kämpfen zwischen Drusen und Beduinen im Süden Syriens mit mindestens 99 Toten haben Gespräche über eine Waffenruhe nach Angaben einer Drusengruppe begonnen. “Derzeit finden Verhandlungen zwischen den Führungspersönlichkeiten von Suweida und Vertretern des Verteidigungsministeriums und der Sicherheitskräfte statt, um zu einer Lösung zu gelangen”, teilte Bassem Fachr, der Sprecher einer der wichtigsten bewaffneten Drusengruppen, mit. Die Stadt Suweida wird mehrheitlich von Angehörigen der religiösen Minderheit der Drusen bewohnt.
Der Konflikt war laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag ausgebrochen, nachdem bewaffnete Beduinen einen drusischen Gemüsehändler entführt und Blockaden auf der Hauptschnellstraße zwischen Suweida und Damaskus errichtet hatten. Die syrische Übergangsregierung setzte daraufhin Sicherheitskräfte in dem Gebiet ein.
Was ist die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte?
Auch nach dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad ist der Zugang zu verlässlichen Informationen über Entwicklungen in Syrien weiterhin schwierig. Dies gilt insbesondere für Kampfgeschehen. Anhänger des gestürzten Diktators, die neue Übergangsregierung unter der Führung islamistischer Milizionäre oder kurdische Einheiten im Norden des Landes sind nur drei der vielen Fraktionen im Land, die jeweils eigene Interessen verfolgen und ihre Sichtweise verbreiten.
Viele westliche Medien berufen sich daher weiterhin auf die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights, SOHR). Die Organisation wurde 2006 von dem Exilsyrer Rami Abdelrahman (bekannt auch unter seinem bürgerlichen Namen Osama Suleiman) in Großbritannien gegründet. Nach Beginn des Bürgerkriegs war ihr Ziel, die Zahlen von Verletzten und Getöteten möglichst genau zu erfassen sowie Informationen über Menschenrechtsverletzungen zu sammeln.
Quelle für die von der Beobachtungsstelle gesammelten Informationen waren und sind nach wie vor Aktivisten vor Ort – nach eigenen Angaben sollen es Hunderte sein. Die Informationen der Aktivisten werden von Abdelrahman sowie von seinen Kontaktleuten in Syrien gesammelt, im Anschluss so gut wie möglich überprüft und schließlich veröffentlicht.
Abdelrahman gilt als umstrittene Figur, von verschiedenen Seiten wurde ihm in der Vergangenheit die Verbreitung von Fehlinformationen vorgeworfen. Internationale Menschenrechtsorganisationen halten die von der Beobachtungsstelle zur Verfügung gestellten Informationen jedoch für überwiegend verlässlich. 2020 erhielt Abdelrahman für seine “herausragende Leistung, Menschenrechtsverletzungen in Syrien akribisch zu dokumentieren”, den Sonderpreis beim jährlich verliehenen Stern-Preis (ehemals Nannen Preis).
Am Montagabend riefen die religiösen Autoritäten der Drusen in Suweida in einer gemeinsamen Erklärung zu einem Waffenstillstand auf und bekräftigten, dass sie keine Gegner der syrischen Übergangsregierung seien. Drusensprecher Fachr warf den Beduinen vor, an der Seite der syrischen Streitkräfte Angriffe auf drusische Siedlungen zu verüben. Laut Fachr seien fünf Ortschaften in der Umgebung von Suweida bereits von den staatlichen Sicherheitskräften eingenommen worden. Einem Reporter der Nachrichtenagentur AFP zufolge hatten Streitkräfte des syrischen Verteidigungsministeriums am Montag das von Drusen bewohnte Dorf Al-Masraa unter ihre Kontrolle gebracht.
Israel greift syrische Panzer an
Die Gewalt gegen die Drusen verschärfte zudem den Konflikt zwischen Syrien und Israel. Israels Militär griff in der Region nach eigenen Angaben mehrere Panzer
an. Die Kampffahrzeuge hätten sich auf die Stadt Suwaida zubewegt, der
Angriff sollte das verhindern, teilte das israelische Militär später
mit. Israels Verteidigungsminister Israel Katz sagte, die Angriffe seien “eine Botschaft und eine klare Warnung an das syrische Regime”. Israel werde nicht zulassen, dass den Drusen in Syrien Schaden zugefügt werde, schrieb er im Onlinedienst X.
Zwischen Beduinen und Drusen in der südlichen syrischen Provinz Suweida gibt es schon seit langer Zeit Auseinandersetzungen, die immer wieder in Gewalt münden. Mitglieder der sunnitischen Beduinenstämme hatten bei früheren Auseinandersetzungen auf der Seite der syrischen Sicherheitskräfte gekämpft. Die religiöse Minderheit der Drusen war im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervorgegangen.
Im April und Mai waren bei Gefechten zwischen Anhängern der neuen islamistischen Regierung in Damaskus und der religiösen Minderheit der Drusen in Syrien mehrere Menschen getötet worden.
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