Jerusalem/Damaskus – Vergangene Woche schien es noch, als könne es zwischen Israel und Syrien bald eine Normalisierung der Beziehungen geben. Doch daraus wird wohl erst mal nix!

Am Mittwoch bombardierte Israel militärische Ziele in Damaskus, darunter das Militärhauptquartier. Ein einmaliger Vorgang – schließlich stellte Syrien keine direkte Bedrohung für Israel dar, anders als die Militäraktionen im Libanon oder dem Jemen, von wo aus Terror-Gruppen seit Oktober 2023 Raketen auf Israel abgeschossen haben.

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Hintergrund diesmal: Israel greift in einen internen syrischen Konflikt ein. Es begreift sich als Schutzmacht der drusischen Minderheit, die auf Syrien und Israel verteilt lebt. Im jüdischen Staat gelten die etwa 150.000 Drusen als äußerst loyale Bürger, die sogar ihre Söhne zum Militär schicken, obwohl sie als Minderheit von der Wehrpflicht befreit wären. Unter den etwa 700.000 Drusen in Syrien dagegen gibt es verschiedene Fraktionen, die mal mehr, mal weniger Damaskus-treu sind.

In den vergangenen Tagen gab es in der Stadt Suweida heftige Kämpfe zwischen Beduinen-Milizen, die eigentlich der Zentralregierung unterstehen, und Drusen. Laut dem in London ansässigen Büro für Syrische Menschenrechte starben dabei 169 Menschen, darunter 5 Frauen und 6 Kinder.

Syriens Armee zieht sich zurück

Im Internet kursierten außerdem Bilder von Demütigungen drusischer Geistlicher: Sunnitische Kämpfer schnitten ihre Bärte ab.

Syriens Machthaber Ahmed al-Schaara entschuldigte sich für die Übergriffe auf Drusen und gelobte, die drusische Minderheit im Süden zu schützen. Er steht im Ruf, sein Land einen und befrieden zu wollen – doch ob er seine Armee mit den vielen Fraktionen tatsächlich im Griff hat, bleibt zweifelhaft. Seine Regierung sprach von „gesetzlosen Banden“, die für die Gewalt verantwortlich seien.

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Trotzdem machte Israel ihn für die Kämpfe verantwortlich. Die Armee werde die Truppen des Regimes so lange angreifen, bis sie sich aus dem Gebiet zurückziehen und die Drusen „in Ruhe lassen“, sagte Israels Verteidigungsminister Israel Katz.

Reaktion: Die syrische Armee meldete noch am Mittwoch, sich aus Suweida zurückzuziehen.

Was will Israel in Syrien?

War Israels Eingreifen eine reine Rettungsaktion der Drusen vor Massakern? Israelische Experten sind da geteilter Meinung.

▶︎ „Daraus lässt sich eine Lehre ziehen“, schreibt Seth Frantzman, Senior Analyst bei der Zeitung „Jerusalem Post“. „Länder können mehr tun, als nur Erklärungen abzugeben, wenn es um Völkermord und ethnische Säuberungen geht. Andere Völkermorde hätten verhindert werden können, wenn Länder bereit gewesen wären, Maßnahmen zu ergreifen“, schreibt er und verweist auf den Völkermord an den Jesiden durch die ISIS-Terrorgruppe im Irak 2014.

▶︎ Der in Bahrain ansässige Nahost-Experte Michael Horowitz erklärte BILD, Israel verfolge strategische Interessen. „Ich denke, Israel strebt zwei Ziele an: Erstens will es die Zentralregierung daran hindern, die vollständige Kontrolle über Südsyrien zu erlangen, und eine größere entmilitarisierte Zone als bisher schaffen. Zweitens will es künftige Gespräche über ein mögliches Normalisierungsabkommen beeinflussen.“

▶︎ Journalist Amit Segal meint, beides treffe zu: „Israel beobachtete die Katastrophe in Syrien – und intervenierte. Nicht nur, weil Jerusalem behauptet, es liege in seinem unmittelbaren Interesse, sondern auch, weil es Bündnisse hat, die es schützen will.“ Weiter schreibt er: „Ob dies klug war oder ob Israel in dem syrischen Treibsand gerät, wird die Geschichte noch zeigen“. Nach dem schnellen Rückzug der syrischen Armee werde Israels Intervention „hoffentlich nicht mehr lange nötig sein“.

Israel-Premier Benjamin Netanjahu teilte am Donnerstagnachmittag mit: „Wir haben eine klare Politik etabliert: die Entmilitarisierung des Gebiets südlich von Damaskus und den Schutz unserer Brüder, der Drusen“. Der Eingriff habe zu einem Waffenstillstand zwischen Drusen und Damaskus geführt.

Seth Frantzman ist Militärexperte und Senior Analyst bei der „Jerusalem Post“. Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter „Drone Wars“ (2021) und „The October 7 War“ (2024).

Michael Horowitz arbeitet seit mehr als zehn Jahren in der Think-Tank-Branche, u. a. bei LeBeck International in Bahrain.

Amit Segal ist einer der bekanntesten israelischen Journalisten mit exzellenten Zugängen zu Sicherheits- und Geheimdienstkreisen. Er arbeitet für mehrere führende Medien, wird regelmäßig in internationalen Medien (u. a. CNN) zitiert und interviewt.