Ex-CIA-Chef David Petraeus hat am Donnerstag beim Salzburg Summit der Industriellenvereinigung über eine massiv veränderte Welt gesprochen. “Wir sind mit einer neuen Realität konfrontiert. Unilateralismus löst Multilateralismus ab, Hypernationalismus die Globalisierung, Angst den Optimismus.” Dazu hätten Rivalität und Aggressivität Wiedereingang in die Politik gefunden. “Die Geopolitik ist mit aller Macht zurück, der Urlaub nach Ende des Kalten Krieges ist endgültig vorbei.”
Der Fokus des früheren Vier-Sterne-Generals der US-Army lag dabei auf der Ukraine, ein Land, das er in den vergangenen Jahren sehr oft besucht hat, und auf den Folgen des Ukraine-Kriegs. “Das größte Geschenk für die NATO war Wladimir Putin. Er hat die Europäer dazu gebracht, ihre Verteidigungsausgaben nach Jahren endlich substanziell zu erhöhen. Das war längst fällig.” Der Beschluss der NATO-Mitgliedsländer, fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung und Sicherheit zu investieren, sei in den USA gut angekommen – auch bei Präsident Donald Trump.
“Wenn Putin in der Ukraine jemals erreicht, was er sich vorgenommen hat, wird er dort nicht stoppen. Moldawien und Litauen werden die nächsten Länder sein. Wir haben ihm in der Vergangenheit nicht zugehört. Putin hat einmal als größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts nicht etwa den russischen Bürgerkrieg oder die beiden Weltkriege bezeichnet, sondern die Auflösung der Sowjetunion. Und klar gemacht, sie wieder zusammenfügen zu wollen. Er muss darum unbedingt gestoppt werden.”
Es sei schwer verstehbar, dass Putin bereit ist, angesichts der minimalen Fortschritte am Schlachtfeld so schlimme Verluste hinzunehmen – mit mittlerweile rund einer Million getöteter oder verwundeter Russen. “Das ist unglaublich und wird Auswirkungen auf Russland haben – aber Putin tut weiter.” Man hätte schon 2014 konsequent handeln sollen. “Da fiel die Antwort zu wenig entschieden aus.” Putin könne nur mit weiterer umfangreicher Unterstützung der Ukraine an den Verhandlungstisch gebracht werden. Das hätten auch die jüngsten Gespräche über einen Waffenstillstand zwischen Kiew und Moskau gezeigt. “Man vereinbarte einen Austausch von Gefangenen und Gefallenen, aber nichts darüber hinaus.”
Petraeus geht von Unterstützung der USA für die Ukraine aus
Auch die USA, die im Frühjahr Druck auf die Ukraine ausgeübt haben, seien gefordert, Kiew weiter zu unterstützen. Petraeus ortet hier durchaus einen Kurswechsel von Trump. Ein 300-Millionen-Dollar-Paket für das Training und die Wartung von Systemen, die bereits in der Ukraine seien, Petraeus spricht dabei offenbar die F-16-Kampfflugzeuge an, stehe kurz davor verabschiedet zu werden.
Zudem dürfte die Trump-Administration mittlerweile erkannt haben, dass man den Ukraine-Krieg nicht isoliert von anderen geopolitischen Entwicklungen betrachten könne. “Eine Handlung in einem Weltteil hat heute Auswirkungen auf einen anderen Weltteil. Wenn man nicht gewillt ist zu helfen, egal wo, und nicht handelt, dann holt man sich nur anderswo Probleme.”
So habe etwa der hastige Abzug der US-Truppen aus Afghanistan Putin gezeigt, dass man kein verlässlicher Partner sei. “Alle anderen Länder wollten bleiben. Die Situation im Land hat sich gut entwickelt. Es gab über 18 Monate keinen einzigen Verlust in Uniform. Die Kosten für den Einsatz waren tragbar.” Trumps Vorgänger Joe Biden habe zwar 2022 durchaus richtig auf die Invasion Russlands auf die Ukraine reagiert. “Aber die F16-Flieger und anderes schweres Kriegsgerät kamen viel zu spät. Aber es ist auch heute nicht zu spät, der Ukraine zu helfen.”
“Nirgendwo auf der Welt ist die Rüstungsindustrie gerade so innovativ”
Der Krieg in der Ukraine zeige auch, wie Kriege in Zukunft aussehen werden. Bei seinem letzten Gespräch mit dem Kommandierenden der ukrainischen Streitkräfte habe er gefragt, wie viele Drohnen am Tag zuvor eingesetzt worden sein – am Boden, im Wasser und in der Luft, berichtet Petraeus. “Es waren 7.000 an einem einzigen Tag.” Die Ukraine habe mittlerweile die Kapazitäten, 3,5 Mio. Drohnen im Jahr herzustellen. “Nirgendwo auf der Welt ist die Rüstungsindustrie gerade so innovativ.” Weil das Jamming zur Drohnenabwehr, also die Blockierung des Steuersignals, so stark geworden sei, würden Drohnen mittlerweile mit dünnen Fieberoptik-Kabeln gelenkt.” Nachsatz: “Aber auch die Russen lernen rasch und produzieren sehr innovativ.”
Petraeus zeigte sich überzeugt, dass Armeen in Zukunft einen Teil ihrer großen, teuren und personalintensiven Plattformen wie etwa Kriegsschiffe auf unbemannte Systeme in großer Zahl umstellen werden. “Die werden auch nicht mehr von Piloten, sondern von KI gesteuert und agieren schneller, als es ein Mensch je könnte.” Was aber nicht heißt, dass es keine Bodentruppen mehr brauche (“This does not mean, boots on the ground do not matter any more”).
Gaza und Trump-Zölle
Für den Gaza-Konflikt empfahl Petraeus, dass Israel zuerst Sicherheit für die Menschen in Palästina schaffen müsse, um einen echten Wandel und Regimewechsel zu erzielen. “Da geht es um Basisversorgung, Schulen, Gesundheit.” Israel und sein Geheimdienst hätten zwar auf militärischer Seite zahlreiche Erfolge gefeiert, die Hamas sei aber nach vor jene Kraft in Gaza mit den meisten Waffen.
Den Zollstreit mit der EU sah der Ex-CIA-Chef durchaus gelassen. “Es wird rau und ruppig und es wird den europäischen Unternehmern nicht gefallen, aber die Zölle werden nicht so hoch sein, dass der Handel zum Erliegen kommt.” Die jüngsten Nachrichten über ein Zollabkommen seien vielversprechend. “Trump ist ein Präsident, der sich nicht um die üblichen Gepflogenheiten kümmert, und darauf ist er stolz. Er schlägt dem anderen ins Gesicht, bevor er sich mit ihm an den Tisch setzt.” Die Zölle würden zwar die Inflation in den USA anheizen, seien aber im Sinne Amerikas. “Dafür spricht, dass die Märkte derzeit aufwärts gehen.”
David Petraeus (72) wurde im Sommer 2011 Direktor des US-Auslandsgeheimdienstes CIA. Er musste allerdings bereits im November 2012 zurücktreten, weil er vertrauliche Informationen mit seiner Geliebten geteilt hat. Zuvor war der pensionierte Vier-Sterne-General der United States Army Kommandant der US-Truppen im Irak und in Afghanistan.