Das Vorhaben von Mobilitätsministerin Yuriko Backes, am Flughafen Luxemburg einen „virtuellen Tower“ einzurichten, stößt auf Widerstand der Fluglotsen. Virtuelle oder Remote-Tower sind eine Möglichkeit, die Flugverkehrskontrolle aus der Ferne mit Kameras und digitalen Schnittstellen durchzuführen. Wie die Fluglotsenvereinigung GLCCA am Dienstag mitteilt, ist sie zu den Plänen nicht konsultiert worden. Im Vorfeld habe es keinen echten Dialog mit den Fluglotsen gegeben, „die später mit diesem System arbeiten sollen“, so die GLCCA.
Sie lehnt die Idee aus mehreren Gründen ab. „Digitalisierung, wie sie von der EU gefordert wird, und der Betrieb eines virtuellen Towers sind zwei völlig unterschiedliche Dinge“, so die Fluglotsenvereinigung. Der „Digital European Sky“ verfolgt das Ziel, den Luftverkehr in Europa effizienter, nachhaltiger und sicherer zu gestalten, unter anderem durch die Reduktion von Verspätungen, die Optimierung von Flugrouten, die Integration neuer Luftfahrzeuge wie Drohnen sowie durch verbesserte digitale Vernetzung und den Datenaustausch.
Virtuell statt Neubau
Wie Yuriko Backes (DP) erklärt, findet der lange diskutierte Neubau eines Towers nicht statt. Das Projekt für einen neuen Kontrollturm war 2018 vom Regierungsrat beschlossen worden. Angesichts der vielen Neubauten, die in den letzten drei Jahrzehnten auf dem Flughafen errichtet wurden, gibt es aber laut Ministerin „nur wenige potenzielle Standorte für ein hohes Gebäude wie einen Kontrollturm, der die gesamte Start- und Landebahn im Blick haben muss.“
Der schließlich gewählte Standort, der sich etwa 15 Meter unterhalb des höchsten Niveaus der Start- und Landebahn befindet, erfordert einen Turm von recht beachtlicher Höhe. Der Bau erhielt nicht die Zustimmung der Gemeindeverwaltung von Sandweiler. Statt dessen wurde nun der Bau eines Flugsicherungszentrums 2 vom Typ „virtuell“ genehmigt, das schrittweise die Operationen des klassischen Towers und der Anflugkontrolle übernehmen soll.
„Gleichzeitig bleibt der derzeitige Tower in Betrieb und wird als Hybrid- oder Dual-Tower eingerichtet“, so Yuriko Backes in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Marc Spautz und Emile Eicher (beide CSV) sowie Yves Cruchten und Ben Polidori (beide LSAP). Durch „Remote Tower“ könnte die Flugsicherung irgendwann von einem anderen Flughafen im Ausland aus erfolgen. Das sei nicht geplant, so Backes. Heute setzen hauptsächlich Regionalflughäfen diese Technologie ein: so wird etwa der Flugverkehr in Saarbrücken von Leipzig aus ferngesteuert, auch Charleroi und Lüttich sollen bald von einem Fernverwaltungszentrum in der Nähe von Namur aus verwaltet werden.
„Die GLCCA unterstützt diese Ziele ausdrücklich und setzt sich seit Jahren aktiv für deren Umsetzung ein“, erklärt die Vereinigung. „Dennoch wurde das Projekt bislang nicht realisiert, nicht weil es am Engagement der Fluglotsen mangelt, sondern weil diese neuen Technologien selbstverständlich nicht von den Fluglotsen selbst finanziert oder beschafft werden müssen.“
Ein Flughafen kann laut GLCCA in vollem Umfang am digitalen Luftraum teilnehmen, ohne einen virtuellen Tower zu betreiben. Entscheidend sei die Anbindung an moderne Systeme und die Nutzung bestehender Datenplattformen wie zum Beispiel SWIM (System Wide Information Management), das unter anderem Flugsicherung, Wetterdienste und Flughäfen miteinander vernetzt. Ein virtueller Tower sei hierfür nicht erforderlich. Große Flughäfen wie Frankfurt, Paris-CDG, Mailand oder auch Zürich würden solchen System vertrauen statt virtuelle Tower einzusetzen, sagen die Fluglotsen.
Besondere Sorge bereitet den Fluglotsen die Betriebssicherheit virtueller Systeme. Bei Nebel, tiefstehender Sonne oder auch technischen Störungen wie Cyberangriffen kann die Leistung etwa von Kameras und Sensoren eingeschränkt sein. Virtuelle Türme würden keine wesentlichen Vorteile gegenüber herkömmlichen Türmen in komplexen oder stark frequentierten Umgebungen bieten. „Die langfristige Betriebssicherheit, das menschliche Bewusstsein und die Unabhängigkeit eines herkömmlichen Turms sind nach wie vor unübertroffen“, sagen die Fluglotsen.
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