Griechischer Rafale-Kampfjet bei einer Nato-Übung. Bild: U.S. Air Force. Silhouette Eurofighter. Bild: wpevortuna / Shutterstock.com / Grafik: TP
Nato-Partner Griechenland und Türkei rüsten auf. Spannungen im Mittelmeer wachsen. Droht ein Konflikt zwischen Verbündeten?
In Europa bereitet man sich auf einen möglichen Krieg vor. So auch auf dem Balkan. Doch dort ist nicht unbedingt Russland der gefürchtete Gegner. Eine Umfrage brachte es vor einem Monat erneut an den Tag. Griechen und Türken sind sich einig darin, die Nato nicht sehr zu mögen. Zudem frönen beide dem Wettrüsten.
Gemischtes Image der Nato – Friedensgarant oder Förderer von Diktaturen?
Das Image der Nato als Verteidigungsbündnis, welches seit der Gründung im April 1949 den Frieden garantiert, ist uns in Deutschland bekannt. Die Nachbarn in Österreich setzten dagegen – bis jetzt – auf Neutralität. Jüngste Äußerungen der österreichischen Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) deuten jedoch darauf hin, dass ein möglicher Nato-Beitritt zumindest angedacht wird. Meinl-Reisinger begründet dies mit der Bedrohung durch den russischen Präsidenten Vladimir Putin. Sie sieht aber zurzeit keine Mehrheit im Parlament und der Bevölkerung.
Eine Umfrage des Pew Research Centers bezüglich der Akzeptanz der Nato durch die Bevölkerung in dreizehn von zweiunddreißig Nato-Staaten zeigte, dass es innerhalb der Allianz ein gemischtes Bild gibt.
Im Mittel stehen 66 Prozent der Befragten dem Militärbündnis positiv gegenüber. In Polen sind es 81 Prozent, dahinter folgen Deutschland mit 73 Prozent und das Neu-Mitglied Schweden mit 72 Prozent. Relativ unbeliebt ist die Nato in Frankreich, wo sie nur von 58 Prozent befürwortet wird und in den USA, wo nur 60 Prozent von ihr überzeugt sind.
Knapp unter dem Strich liegt die Nato in Spanien, wo sie 47 Prozent überzeugt. Dagegen kann in der Türkei, wo nur 30 Prozent von der Nato überzeugt sind, sowie in Griechenland, wo die Fürsprache mit 28 Prozent am niedrigsten ist, von einer faktischen Ablehnung der Nato ausgegangenen werden. 72 beziehungsweise 70 Prozent Ablehnung sind ein imposantes Ergebnis.
Ein Teil der Umfrage betraf das Ansehen des russischen Präsidenten Vladimir Putin in den Nato-Mitgliedstaaten. Hier registrierte Pew eine Korrelation der Beliebtheit von Putin in Griechenland und der Türkei mit der Ablehnung des Verteidigungsbündnisses. Einen Kausalzusammenhang scheint man dagegen nicht konstruieren zu wollen.
Das Pew Research Center bemerkt zur Türkei und Griechenland, “dort genießt die Organisation historisch gesehen weniger Ansehen als in anderen Mitgliedsstaaten”. Pew verweist damit auf die jüngere Geschichte.
Tatsächlich bestehen zwischen beiden “Verbündeten” teilweise extreme Spannungen, die sich auch während der gemeinsamen Nato-Mitgliedschaft in militärischen Konflikten manifestierten. Aktuell manifestiert sich das im Säbelrasseln in der Ägäis, wann immer es um die Nutzung unter dem Meer schlummernder fossiler Energieträger oder um Fischfangrechte geht.
Der griechische Verteidigungsminister Nikos Dendias warnt vor einem nahenden drohenden Krieg und reformiert deswegen das komplette Militär. Dendias sieht durch die jüngsten bilateralen Entwicklungen eine stetig steigende Kriegsgefahr
Griechen und Türken schossen zum letzten Mal vor rund 51 Jahren beim Zypern-Konflikt in einer kriegerischen Auseinandersetzung aufeinander. Seit dem 30. Juli 1974 und dem Genfer Zypern-Abkommen wacht die UNO mit einer Pufferzone auf der zweigeteilten Insel über die Einhaltung der Waffenruhe.
Als Reaktion auf die türkische Invasion trat im August 1974, kurz nach dem Sturz der Militär-Junta, Griechenland für knapp sechs Jahre aus dem militärischen Teil der Nato aus. Man begründete den Schritt mit:
… Die Nato hat sich als unfähig erwiesen, die Türkei an einem neuen barbarischen und grundlosen Angriff auf Zypern zu hindern … Die Nato hat daher keine Existenzberechtigung und kann ihren Gründungszweck nicht erfüllen, da sie einen Krieg zwischen zwei ihrer Mitglieder nicht verhindern kann…
Ein weiterer Grund für den kurzzeitigen Austritt war die Unterstützung der Nato für die von 1967 bis 1974 regierende faschistische Diktatur. Diese hatte zudem mit einem von ihr initiierten Putsch auf Zypern die türkische Invasion und damit die Teilung der Insel ausgelöst. Statt zum Garanten für die Demokratie und Frieden wurde die Nato für die Griechen zum Synonym der Diktatur und des Krieges.
Kein Nato-Beitritt für Zypern
Die Inselrepublik Zypern, um die sich Türken und Griechen streiten, kann wegen der Kontroverse der Nato-Partner nicht selbst ins Verteidigungsbündnis eintreten.
De Jure ist der besetzte Nordteil der Insel von einer fremden Macht okkupiertes EU-Gebiet. Die Insel ist als “unsinkbarer Flugzeugträger” des Nahen Ostens strategisch wichtig. Aber das allein reicht nicht, um die Nato zur aktiven Lösung des Konflikts zu bewegen. Schließlich kann der “Flugzeugträger” ganz pragmatisch über die exterritorial auf Zypern existierenden souveränen britischen Militärbasen der früheren Kolonialmacht genutzt werden.
Mit Merz kommen die Eurofighter
Die Aussicht auf eine Verbesserung des politischen Klimas im östlichen Mittelmeer hat sich mit dem Regierungswechsel in Berlin getrübt. Anders als unter Bundeskanzler Olaf Scholz hat das Kabinett unter Friedrich Merz die lange blockierten Eurofighter Kampfjets für die Türkei frei zu geben.
Die Griechen setzen dagegen auf Rafale-Jets aus französischer Produktion. Beide verbündete Erzfeinde werden zusätzlich weitere Milliarden in F-35 Kampfflugzeuge aus US-Produktion investieren und ihrer bestehenden F-16 Flotte mit Modernisierungspaketen ein Update verpassen.
Zur Freude der internationalen Waffenindustrie und zum Entsetzen der Bevölkerung stürzen sich die Griechen ins Wettrüsten. Die Türkei, der von Seiten des Berliner Tagespiegels jüngst eine Schlüsselrolle in der Region zugeschrieben wurde, plant weitsichtiger.
Sie möchte eigene Panzer, eigene Tayfun-Block 4 Hyperschallraketen und auch selbst entwickelte Kriegsschiffe produzieren. Dazu kommt als strategisch wichtiges Prestige-Objekt ein “Steel-Dome”, ein von der türkischen Industrie entwickeltes Flugabwehrsystem. Griechenland will dagegen den Iron Dome aus israelischer Produktion erwerben.
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist die Türkei, sehr zum Verdruss der griechischen Regierung, “unvermeidlich“. Recep Tayyip Erdogan und die zweitgrößten Streitkräfte der Nato sind in Zeiten der Kriegsangst und US-Amerikanischen Wankelmütigkeit gefragt wie nie.
EU-Partner und EVP-Parteifreund Mitsotakis wurde von der Regierung in Berlin schlicht über die Freigabe der Eurofighter informiert. Die Einwände und Ängste des betont bündnistreuen Griechen wurden beiseitegeschoben.
Läuft alles nach Plan, wird die Türkei nicht nur unumstrittene Regionalmacht auf dem Balkan und im Nahen Osten. Noch hat Mitsotakis theoretisch einen Trumpf im Ärmel. Er könnte mit einem Veto der Türkei den Zugang zum EU-Rüstungsprogramm verwehren. Das aber wäre sehr unwahrscheinlich.