Der deutsche Finanzminister Lars Klingbeil reist an diesem Montag nach Washington. Seine Verhandlungsmacht ist begrenzt. Aber in der EU könnte der Sozialdemokrat viel durchsetzen – wenn er sich traut.

Clemens Bilan / EPA
Sie lesen einen Auszug aus dem Newsletter «Der andere Blick am Morgen», heute von Anna Schiller, Redaktorin NZZ Deutschland. Abonnieren Sie den Newsletter kostenlos. Nicht in Deutschland wohnhaft? Hier profitieren.
Der deutsche Finanzminister Lars Klingbeil reagierte in der vergangenen Woche gelassen, als die Zoll-Einigung zwischen der EU und den USA verkündet wurde. Die Verhandlungslösung sei «erst mal gut», sagte er lapidar. Europa habe seine Interessen verteidigt.
Doch das Ergebnis der Verhandlungen kann den Vizekanzler kaum zufrieden stimmen. Die USA erheben künftig auf die meisten Waren aus der EU Importzölle von 15 Prozent, dürfen aber selbst zollfrei in die Staatengemeinschaft exportieren. Im Interesse der europäischen Wirtschaft ist das nicht.
Diese Asymmetrie dürfte auch Thema sein, wenn Klingbeil an diesem Montag in Washington seinen amerikanischen Amtskollegen Scott Bessent trifft. In dem Gespräch soll es laut dem deutschen Finanzministerium auch um die «Herausforderungen im Zusammenhang mit der Grundsatzeinigung im Handelskonflikt» gehen.
Deutschland muss auf EU-Reformen drängen
Noch ist das Abkommen mit den USA nicht in Stein gemeisselt. Die Europäer hoffen vor allem bei den deutlich höheren Zöllen auf Stahl und Aluminium auf Nachbesserungen.
Für Klingbeil gibt es einen Hoffnungsschimmer. Bessent gilt in der Regierung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump als eine Stimme der Vernunft. Bevor er in die Politik wechselte, machte er Karriere in der internationalen Finanzbranche. Bessent ist einer liberalen Handelspolitik also prinzipiell zugeneigt.
Dennoch findet das Gespräch unter schlechten Voraussetzungen statt. Die USA sind schon lange kein Garant für Freihandel mehr. Und unter Trump sind sie als Verhandlungspartner unberechenbar geworden. Nur weil man ihm entgegenkommt, bedeutet das noch lange nicht, dass man auf einen fairen Deal hoffen darf. Die Schweiz musste dies gerade schmerzlich feststellen.
Hinzu kommt: Die Europäer haben in Washington kaum noch Verhandlungsmacht, ein deutscher Finanzminister alleine schon gar nicht. Die Abhängigkeit von den USA, etwa bei der Verteidigung, schränkt die Handlungsfähigkeit ein. Die EU könnte sich allenfalls China wirtschaftlich stärker zuwenden. Das ist aber politisch nicht gewollt.
Deshalb bleibt nur ein Weg. Die Staatengemeinschaft muss sich selbst aus ihrem Dilemma befreien. Sie muss den Binnenmarkt liberalisieren und die überbordende Bürokratie konsequent abbauen. Zudem muss die EU dringend neue Handelsabkommen schliessen, allen voran mit dem Mercosur in Lateinamerika.
Deutschland verfügt mit seiner noch vorhandenen wirtschaftlichen Stärke nach wie vor über die nötige Macht, diese Reformen in der EU anzustossen. Wenn deutsche Minister künftig wieder auf Augenhöhe mit ihren amerikanischen Gesprächspartnern verhandeln wollen, sollten sie diese Macht jetzt nutzen.