Die Europäische Kommission, genauer die EU-Generaldirektion Umwelt, hat sich gegen einen sechsspurigen Ausbau der Autobahn 643 bei Mainz ausgesprochen. Stattdessen rät die Behörde, die zur Vorbereitung eines Planfeststellungsverfahrens 2020 von dem damals zuständigen Landesbetrieb Mobilität Worms um eine Stellungnahme gebeten worden war, dass sich alle Beteiligte noch einmal in der Sache zusammensetzen. Denn die durch das bedeutende Naturschutzgebiet „Mainzer Sand“ führende Autobahn zwischen dem Dreieck Mainz und der Schiersteiner Brücke sollte nur behutsam verbreitert werden.

Am Ende könnte womöglich doch die schon lange diskutierte Vier-plus-zwei-Variante realisiert werden. Dann würde der Verkehr künftig wie gehabt auf vier Fahrspuren fließen und nur bei Bedarf zusätzlich auf zwei eigens dafür zu ertüchtigenden Seitenstreifen. Denn das hat sich laut Kommission anderswo in Deutschland schon bewährt.

Bei dem seit mehr als einem Vierteljahrhundert diskutierten Verkehrsprojekt geht es um den Ausbau des aus A 60 und A 643 bestehenden Autobahnrings, zu dem auch die acht Kilometer lange und auf hessischer Seite schon verbreiterte Strecke vom Dreieck Mainz bis in die Nachbarstadt Wiesbaden gehört. Bei der Anfrage geht es nur um den recht kurzen Abschnitt von der seit 2023 über sechs Spuren verfügenden Schiersteiner Brücke bis zur Auf- und Abfahrt Mainz-Gonsenheim. Der Anschluss an die neu geschaffene Rheinquerung erweist sich bei näherem Hinsehen allerdings als ein ebenfalls dringend zu ersetzendes Brückenbauwerk, dessen Pfeiler im Mombacher Unterfeld stehen. Inzwischen wird das gesamte Projekt von der Autobahn GmbH des Bundes verantwortet.

Einzigartig - in Europa finden sich nicht viele Naturschutzgebiete wie den Mainzer Sand, der für Vögel und Insekten ein wichtiger Lebensraum ist.Einzigartig – in Europa finden sich nicht viele Naturschutzgebiete wie den Mainzer Sand, der für Vögel und Insekten ein wichtiger Lebensraum ist.dpa

Die EU-Experten haben in ihrem Brief an das Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz kritisiert, dass unter anderem die für das Bauvorhaben in einem Flora-Fauna-Habitat zentrale Verträglichkeitsprüfung als unzureichend zu bewerten sei. Außerdem würden die vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen nicht genügen, um die zu erwartenden erheblichen Schäden in dem europäischen Vogelschutzgebiet und Natura-2000-Areal zu kompensieren. Nicht zuletzt seien einzelne Argumente, wie etwa die Frage nach einem möglichen Tempolimit und einer temporären Seitenstreifenfreigabe, nicht gebührend untersucht und auch nicht überzeugend widerlegt worden.

Dezernentin sieht Öko-Wert bestätigt

„Ich bin sehr glücklich, dass die EU den Plänen zum sechsspurigen Ausbau der A 643 in der vorgelegten Form nicht zustimmen kann“, sagte die Mainzer Verkehrs- und Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (Die Grünen) nach dem Bekanntwerden der Entscheidung. Der Mainzer Sand sei ein einzigartiges Schutzgebiet, „dessen großer ökologischer Wert somit noch einmal bestätigt worden ist“.

Aus gutem Grund werde von der Stadt und dem Bündnis „Nix in den Mainzer Sand setzen“ schon seit vielen Jahren die Vier-plus-zwei-Lösung favorisiert. Die vergleichsweise flächensparende Variante wurde vom Bundesverkehrsministerium, dem seit 2009 mehrere Unions- oder FDP-Politiker vorstanden, allerdings immer wieder abgelehnt. Auch die Liberalen in der Stadt und im Bundesland Rheinland-Pfalz sehen Vorteile bei der großen Lösung mit sechs Fahrstreifen und zwei Standspuren.

Die Grünen und SPD haben die EU-Anregung erfreut aufgenommen, dass sich alle zuständigen Stellen noch einmal beraten sollten. Denn aus fachlicher Sicht ist es laut Kommission nicht nachvollziehbar, warum die auch von der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt präferierte Vier-plus-zwei-Variante nicht möglich sein solle, die „einen Kompromiss und die größtmögliche Minimierung des Eingriffs auf das Schutzgebiet“ darstelle.