Meinung

39% US-Importzoll auf Schweizer Waren –

Die Schweiz wird mit Trumps Zollhammer leben lernen – den USA steht das böse Erwachen noch bevor

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Bundesrat Guy Parmelin bei einer Medienkonferenz zu den Handelsbeziehungen mit den USA in Bern.

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Bundesrat Guy Parmelin sprechen an einer Medienkonferenz über die Handelsbeziehungen mit den USA, am Donnerstag, 7. August 2025, in Bern.

Bild: Peter Schneider/Keystone

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Bei seinem Gang nach Canossa harrte der deutsche König Heinrich IV. drei Tage barfüssig im Schnee in den Apenninen aus. Doch am Ende erhörte ihn schliesslich Papst Gregor VI., öffnete ihm die Tore seiner Burg und nahm ihn wieder in den Schoss der Kirche auf.

Bei ihrem Gang nach Washington in dieser Woche hatten es Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin um einiges komfortabler als Heinrich. Doch Erlösung durch US-Präsident Donald Trump gab es nicht.

Auf Schweizer Wareneinfuhren in die USA gilt seit Donnerstag ein US-Importzoll von 39%. Dabei gibt es noch nicht einmal eine wirkliche Begründung Trumps, weshalb er die Schweiz, den siebtgrössten Investor in den USA, von allen westlichen Ländern am härtesten anpackt.

Ja, das Handelsbilanzdefizit der USA mit der Schweiz ist punkto Güter gross. Das liegt aber vor allem an Schweizer Pharma- und Goldexporten, die weiterhin von Zöllen ausgenommen sind. Jetzt sind rund 60% der Exporte in die USA mit Zöllen belegt.

Keller-Sutter und Parmelin, die am Donnerstag vor die Medien traten, geloben zwar weiter, mit Washington in Verhandlung sein zu wollen. Doch ob ein Deal noch gelingt, sei nicht abzusehen, und die Schweizer Konjunktur werde alsbald die Zollkeule zu spüren bekommen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen der Maschinenbauindustrie dürften leiden. Laut ihrem Verband Swissmem sei deren US-Exportgeschäft «faktisch tot».

Jans und Cassis

Wie in den meisten Krisen wird in Bern nun erst einmal Schuld verteilt. In bürgerlichen Kreisen regt sich Groll gegen SP-Bundesrat Beat Jans und FDP-Magistrat Ignazio Cassis. Beide hätten durch Mitberichte die Verhandlungen mit Washington künstlich verzögert und einen günstigen Abschluss direkt nach dem Deal mit Grossbritannien verhindert.

EU-Freund Jans und das europhile Aussendepartement von Cassis hätten zudem darauf bestanden, aus Rücksicht auf die EU keine allzu grossen Zugeständnisse punkto Landwirtschaft zu geben. Dann schloss EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen einen Deal mit Trump – und machte weitergehende Konzessionen punkto Landwirtschaft.

«Die grossen kotierten Schweizer Unternehmen sind aufgrund ihrer internationalen Diversifikation nicht derart hart betroffen.»

Inwieweit Jans und Cassis hier wirklich Schuld trifft, werden die kommenden Tage zeigen. Tatsächlich ist es auffällig, wie viel Zeit sich der Bundesrat liess, nachdem es zu Beginn so rasch vorangegangen ist. Auf der anderen Seite hat man es aber eben mit Donald Trump zu tun, der seine Meinung auch schon mal im selben Satz ändert und für den Unberechenbarkeit die Waffe der Wahl ist.

Gegen die Pharmabranche reicht er beinahe täglich neue hohe Zolldrohungen herum. Gegen Importe von Mikrochips will er hanebüchen 100% Strafabgaben verhängen. Selbst Länder, die nun einen Deal mit ihm haben, können sich nicht mehr sicher sein. Der Einigung mit der EU verweigert er die Unterschrift, weil er entgegen der Absprache nun neu fordert, über die Investitionszusagen der EU-Unternehmen selbst völlig frei bestimmen zu können.

Der 79-Jährige macht einen derart jenseitigen Eindruck, dass die Märkte mittlerweile alles aus seinem Munde zu diskontieren scheinen. So handelte die Schweizer Börse am Tag eins des Zollschocks mit substanziellen Gewinnen. Die grossen kotierten Schweizer Unternehmen sind aufgrund ihrer internationalen Diversifikation dann aber auch nicht derart hart betroffen.

Hochdynamisches Wesen

Die politische Linke im Land und EU-freundliche Kreise fordern nun jedenfalls, das Wahlvolk solle rasch die neuen Verträge mit Brüssel annehmen. Sich angesichts des Zollhammers allzu voreilig in die Arme der EU zu stürzen, ist aber unangebracht. Der Handel insbesondere mit dem wichtigsten Partner in der EU, Deutschland, läuft problemlos.

Die massiven Summen, die Berlin in den kommenden Jahren in Verteidigung und Infrastruktur stecken will, können den Zollschock gar mehr als wettmachen. Auch Schweizer Unternehmen werden hier profitieren.

Grundsätzlich steht Politik und Wirtschaft in der Schweiz eine Urschweizer Tugend in der jetzigen Situation gut zu Gesicht: Ruhe und Gelassenheit. Die Schweizer Wirtschaft ist ein hochdynamisches, innovatives Wesen, das schon viele Krisen überstanden hat, und sich auch jetzt anpassen wird.

Die betroffenen Unternehmen werden sich seit Beginn des Trump’schen Zollkonflikts Gedanken gemacht haben, was im schlimmsten Fall zu tun ist: Sparprogramme, Produktionsverlagerungen oder die Erschliessung neuer Absatzmärkte dürften jetzt ins Rollen kommen. In einer Übergangsphase stellt ihnen der Bundesrat das Instrument der Kurzarbeit zur Verfügung, das bereits während Corona gute Dienste geleistet hat.

«Es ist nicht vermessen, zu behaupten, dass die wirtschaftliche Dynamik in den USA nachlassen wird.»

Die Landesregierung kann darüber hinaus Abhilfe schaffen, indem er neue Freihandelsabkommen rasch verhandelt und bestehende ausdehnt. Am meisten wäre den Unternehmen wohl geholfen, wenn die bürgerliche Mehrheit im Parlament jetzt zusammensteht, Steuern senkt und Bürokratie abbaut, um die Kosten für Betroffene zu senken. Eine Sistierung der OECD-Mindeststeuer ist vor diesem Hintergrund ebenfalls zu prüfen.

Gegenmassnahmen in blinder Wut zu ergreifen, ist jetzt zwar verführerisch: Dazu zählen ein Zoll auf Goldexporte oder Zölle auf US-Importe, Devestitionen in US-Aktien und-Anleihen durch die Schweizerische Nationalbank oder die Stornierung des Auftrags für den F-35. Das alles würde die Lage aber nur verschlimmern, und die Schweiz nur noch härter treffen. Zu Recht hat der Bundesrat hier eine Absage erteilt.

Amerikas Trump-Steuer

Am Ende könnte die grösste Abhilfe für die Schweiz tatsächlich aus den USA kommen. Nicht nur weil um den kommenden Jahreswechsel herum das oberste US-Gericht darüber entscheiden, ob Trump überhaupt so einfach wie er es getan hat, diese Zölle erheben darf. Schon davor könnten sich die US-Unternehmen und -Konsumenten als die grössten Leidtragenden der Politik Trumps erweisen.

Denn zwar wurden Waren aus der Schweiz und vielen anderen Ländern nun mit substanziellen Zöllen auf einem ihrer wichtigsten Absatzmärkte belegt. Das Gros der Zölle auf fast alle Waren, die ins Land kommen, zahlen die Amerikaner am Ende aber selbst. 25, 35 und 30% bei ihren grössten Handelspartnern Mexiko, Kanada und China, 15% bei zwei grossen Handelspartnern, Japan und der EU. Rund 20% bei vielen asiatischen Handelszentren.

Der Durchschnittszoll für die Amerikaner liegt nun bei knapp 20%, da wo er in den 1930er-Jahren lag, als die sogenannten Smoot-Hawley-Zölle die grosse Depression auslösten. Gemäss Schätzungen werden amerikanische Haushalte nun mit bis zu über 2000 $ pro Jahr belastet.

Ein besonders absurdes Beispiel ist dabei der Deal mit Japan: Die Autohersteller des Inselstaats können mit einem 15%-Zoll ihre Waren in die USA exportieren, während die US-Fahrzeugbauer auf alle importierten Komponenten Abgaben zahlen müssen, darunter den Wahnsinnszoll von 50% auf Stahl, Aluminium und Kupfer. Ihre Produkte drohen dadurch im eigenen Land nicht mehr wettbewerbsfähig zu werden.

Da ist es nicht vermessen, zu behaupten, dass die wirtschaftliche Dynamik in den USA nachlassen wird. Bereits ist im ersten Halbjahr ist das US-Wirtschaftswachstum substanziell geringer als im Vorjahreszeitraum ausgefallen. In den aktuellen Inflationsdaten zeigen sich die ersten Zoll-Spuren und bereits im vergangenen Monat wurden viel weniger neue Stellen geschaffen als erwartet.

Geht das so weiter, wird die Republikanische Partei Trumps bei der Kongresswahl im kommenden Jahr eine krachende Niederlage einfahren. Angesichts dessen stellt sich die Frage, wie lange Trump an diesen Zöllen – auch an den 39% gegen die Schweiz – festhalten wird.

Spätestens ein zukünftiger US-Präsidentschaftskandidat könnte in zwei Jahren mit dem Versprechen reüssieren, diese verheerende Trump-Steuer wieder zu kassieren. Ein kommender Gang nach Washington wird für einen nächsten Bundespräsidenten dann hoffentlich so erfolgreich sein der von Heinrich nach Canossa.

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