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Ein Ex-Kommandeur meint, dass Trumps US-Präsidentschaft die „gefährlichste Zeit“ für die Nato ist. Allerdings sei Europa nicht auf die USA angewiesen.
Straßburg/Washington, D.C./Moskau/Helsinki – Der finnische EU-Abgeordnete Pekka Toveri meint, dass sich die Nato-Staaten in Europa auch ohne die USA unter Präsident Donald Trump gegen Russland verteidigen könnten. „Selbst die europäische Nato ohne die USA ist militärisch stärker als Putins Russland“, sagte der ehemalige Kommandeur in Finnlands Armee dem Münchener Merkur von IPPEN.MEDIA.
Deshalb bezeichnet Toveri den Nato-Beitritt Finnlands als richtige Entscheidung – trotz des kriselnden transatlantischen Verhältnisses. Das Verteidigungsbündnis bestehe nicht nur aus den USA, sondern aus vielen verlässlichen Partnern. „Wir sind uns zu 100 Prozent sicher, dass – im Falle eines russischen Angriffs – uns unsere wichtigsten Verbündeten wie Norwegen, Schweden, Großbritannien und Deutschland zur Hilfe eilen würden“, sagte das EU-Ausschussmitglied für Sicherheit und Verteidigung.
Falls die USA den europäischen Ländern im Falle eines russischen Angriffs tatsächlich nicht zur Hilfe eilten, wäre für Toveri ein Bereich besonders problematisch: In der Aufklärung sei Europa im hohen Maße auf die US-amerikanischen Fähigkeiten angewiesen. Ohne diese Aufklärung wäre die Führung und Koordination der Nato-Streitkräfte deutlich erschwert. Allerdings bauten die europäischen Länder diese Fähigkeiten immer weiter auf, um sich unabhängiger machen zu können.
Trumps USA leisteten nur geringen Anteil für europäische Nato
Ansonsten leisten die USA laut Poveri nur eine geringe Kampfkraft für die europäische Verteidigung. „Die wenigen Brigaden und Schiffe machen in der europäischen Nato mit 1,5 Millionen Soldaten, 7000 Panzern und 3000 Kampfflugzeugen einen eher geringen Anteil aus“, sagte Toveri. Allerdings glaubt er, dass die USA seine europäischen Partner im Ernstfall verteidigen würden. Selbst im Falle einer Auseinandersetzung zwischen den USA und China um Taiwan würden die Vereinigten Staaten Europa gegen Russland unterstützen.

Ex-General bezeichnet US-Präsident Donald Trump als „dumm“. © Alex Brandon/dpa
Toveri ist überzeugt, dass Russland die Nato angreifen wird. „Russland ist das imperialistischste Land der Welt, und es ist eine Großmacht im Niedergang. Deshalb ist der Kreml so aggressiv“, sagte der Vorsitzende der Delegation im Parlamentarischen EU-Ukraine-Assoziationsausschuss.
In der russischen Führung gebe es keine Bereitschaft, die Gesellschaft zu verändern, um diesen drohenden Niedergang zu stoppen. Denn: Das würde bedeuten, die Korruption zu beenden und Russland in eine freiheitliche Demokratie zu verwandeln. „Aber das will Wladimir Putin nicht“, sagte Toveri.
Putin verzögere mit Ukraine-Krieg Russlands Niedergang
Im Gegenteil: Mit dem Ukraine-Krieg habe der russische Präsident eine Möglichkeit gefunden, den Niedergangs des russischen Systems hinauszuzögern, indem er auf altmodische imperialistische Weise fremde Gebiete erobert. „Putin will den unvermeidlichen Niedergang Russlands so lange wie möglich verzögern und verhindern“, sagte der Ex-Generalmajor. Zudem sei problematisch, dass Putin Russland fälschlicherweise für eine Großmacht hält.
Der Krieg sei für Putin mittlerweile überlebenswichtig. Der Kremlchef könne seinen Angriff auf die Ukraine nicht beenden. Im Friedensfall würden „alle Probleme in der russischen Gesellschaft explodieren“, vermutet der 64-Jährige. Wenn die vielen Veteranen, die teilweise an schweren posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, nach Hause kämen, warteten dort keine Perspektiven. „Die Wirtschaft in Russland ist quasi zusammengebrochen, sie beruht nur noch auf dem Krieg“, sagte Toveri.
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Im Unterschied zu vielen westlichen Experten rechnet der Finne eher mit einem russischen Angriff vor 2029. Der Grund: Russland werde die Nato angreifen, solange Trump US-Präsident ist. „Denn Trump ist dumm genug, um nicht zu verstehen, dass die nukleare Erpressung nur eine leere Karte ist, bei der man nur sagen muss, oh, Atomwaffen, na ja, die haben wir auch. Er (Trump) ist so dumm, dass er darauf hereinfallen könnte“, sagte Toveri. Für ihn sei Trumps Amtszeit „die gefährlichste Zeit“ für die Nato.
EU-Abgeordneter: Finnland ist auf möglichen Krieg mit Putins Russland gut vorbereitet
Finnland sieht er für einen möglichen Krieg mit Russland gut vorbereitet. Die finnische Regierung habe den Verteidigungshaushalt erhöht und beschaffe mehr Material für die Armee. Diese wiederum bilde mehr Soldatinnen und Soldaten für den Ernstfall aus. Zudem erhöhten die vielen Übungen mit den Nato-Partnern die finnischen Verteidigungsfähigkeiten.
Über Putins Ankündigung – Russland werde sein militärisches Personal schätzungsweise von 30.000 Soldaten auf 100.000 Soldaten hinter der finnischen Grenze aufstocken – sagte Toveri: „Unser Militär ist so stark, dass 100.000 russische Soldaten keinesfalls eine ernsthafte Bedrohung für uns darstellen.“
Auch Finnlands Zivilbevölkerung sieht der EU-Parlamentarier für einen möglichen Ernstfall gerüstet. „Wir haben keine Angst vor den Russen. Dafür haben wir aber viel Erfahrung mit ihnen“, meint der Parlamentarier. In den vergangenen Jahrhunderten habe es zahlreiche Kriege zwischen den beiden Nationen gegeben. „Wir wissen also seit langer Zeit, dass die Gefahren und Probleme aus dem Osten kommen“, so Toveri. Russlands Militärführung wisse, dass Finnland nur „schwer zu knacken“ sei. „Sie haben es schon ein paar Mal versucht und sich dabei immer die Zähne ausgebissen“, sagte Toveri.
Toveri: Diskussion über Putins Russland „amüsieren Finnen“
Die finnische Bevölkerung habe schon immer eine sehr hohe Bereitschaft gehabt, ihr Land zu verteidigen. „Wir haben eine sehr aktive freiwillige Verteidigungsbeteiligung“, sagte Toveri. Zudem böten verschiedene Organisationen zahlreiche freiwilligen Trainings für die Zivilbevölkerung an – beispielsweise, wie man Verwundete medizinisch versorgt oder ohne Strom überlebt. Nachdem Russland die Ukraine attackiert hatte, sei die Anzahl der Teilnehmer an diesen Trainings gestiegen.
Diskussionen wie in Deutschland – dass die Regierung die Gesellschaft mental auf eine drohende militärische Auseinandersetzung mit Putins Armee vorbereiten müsse – gebe es in Finnland nicht. „Da muss die finnische Regierung jetzt nichts tun, weil wir das seit Jahrzehnten machen“, sagte Toveri. Mit einer Gesamtgröße von schätzungsweise 900.000 Soldatinnen und Soldaten – inklusive Reservisten – besitze Finnland bei einer Bevölkerung von 5,6 Millionen Einwohnern eine starke Armee.
Deshalb amüsierten sich viele Finnen über Diskussionen, die in anderen Ländern geführt werden. Vor allem dann, wenn sich Leute besorgt über die zunehmende russische Bedrohung zeigten. „Diese Gefahren sind für uns nichts Neues“, sagte der ehemalige Generalmajor. (Jan-Frederik Wendt)