In Syrien werden noch immer Schweizer Staatsangehörige festgehalten, die einst für den Islamischen Staat in den Kampf gezogen sind. Einige Staaten haben nach dem Regimewechsel in Damaskus mit der Repatriierung ihrer gefangenen Landsleute begonnen. Die Schweiz lehnt das aber ab.

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Seit mindestens sechs Jahren sind drei Schweizer ohne Gerichtsverfahren in Gefängnissen im Nordosten Syriens inhaftiert. Sie gehören zu den Zehntausenden Dschihadistinnen und Dschihadisten, die zwischen 2014 und 2019 aus Europa und anderen Teilen der Welt nach Syrien und in den Irak reisten, um sich dort der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzuschliessen.

Eine Schweizerin und ihre achtjährige Tochter werden ebenfalls im Nordosten Syriens festgehalten: in Roj, einem von zwei Lagern für Familienangehörige ehemaliger IS-Kämpfer.

Karte von Syrien mit den beiden Lagern Roj und Al-Hol

Legende:

SWI swissinfo.ch / ISW (9.12.24)

Manche Staaten, darunter der Irak und einige europäische Länder, haben inzwischen angefangen, ihre Staatsangehörigen in ihr Heimatland zurückzuführen, um sie dort vor Gericht zu stellen. Die Schweiz aber hat dies bislang abgelehnt. Sie fordert, dass diesen Gefangenen in Syrien oder im Irak der Prozess gemacht wird.

«Diese Personen werden willkürlich festgehalten», sagt der Anwalt Kastriot Lubishtani, der an der Universität Lausanne forscht, gegenüber SWI swissinfo.ch. «Wir können diese Menschen nicht ohne Verfahren und Zugang zu einem Gericht in einer Art Guantanamo lassen.» In dem US-Gefangenenlager auf Kuba wurden nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zahlreiche Menschen ohne Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit festgehalten.

Schweiz lehnt Repatriierung ab

Der Nordosten Syriens wird beherrscht von den Demokratischen Kräften Syriens, einem von Kurden dominierten Kampfverband. 2019 eroberten sie, unterstützt von den USA, die letzten Gebiete, die noch unter IS-Herrschaft gestanden hatten. Sie nahmen Zehntausende gefangen, weil sie angeblich IS-Mitglieder waren.

Laut einer Schätzung der UNO sitzen derzeit rund 9000 IS-Verdächtige ohne Gerichtsverfahren in Gefängnissen im Nordosten Syrien. Darüber hinaus werden etwa 42’500 Menschen willkürlich in den beiden Lagern al-Hol und Roj festgehalten. 60 Prozent von ihnen sind Kinder, der Rest überwiegend Frauen.

Eine verschleierte Frau im Lager al-Hol im Nordosten Syriens.

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Das Lager al-Hol im Nordosten Syrien: Hier leben Tausende, vor allem Frauen und Kinder, die mit dem Islamischen Staat in Verbindung gestanden haben sollen.

AP Photo/Bernat Armangue

«Die meisten EU-Länder wie auch andere haben die Verantwortung für ihre Staatsangehörigen an die kurdischen Behörden im Nordosten Syriens abgeschoben», sagt Matthew Cowling von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF).

Immerhin haben einige europäische Länder damit begonnen, ihre Staatsangehörigen zurückzuführen und strafrechtlich zu verfolgen – darunter Bosnien, Kosovo und Nordmazedonien. Die Niederlande und Deutschland haben zurückgekehrte Dschihadistinnen und Dschihadisten wegen Kriegsverbrechen verurteilt. Zudem haben sie, wie etwa auch Norwegen, Schweden und Dänemark, Programme zur Deradikalisierung und Wiedereingliederung eingeführt.

Die Schweiz hingegen bleibt unnachgiebig. Sie repatriiere erwachsene Dschihadistinnen und Dschihadisten aus dem Ausland nicht aktiv, teilt das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) auf Anfrage von SWI swissinfo.ch mit (vgl. Box). Das bedeutet beispielsweise, dass sie deren Rückführung nicht mit der Ausstellung eines Reisepasses unterstützt. Der entsprechende Entscheid des Justizdepartements vom März 2019 dazu bleibe weiterhin gültig.

Die Haltung des EDA

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Das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) gewährt den gefangenen Schweizer Staatsangehörigen im Nordosten Syriens nach eigenen Angaben konsularischen Schutz, «im Rahmen des Möglichen und unter Berücksichtigung der Situation seit Bekanntwerden ihrer Inhaftierung.» Ein Rechtsanspruch darauf bestehe allerdings nicht, ausser in Fällen, in denen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer Person gefährdet ist.

Das EDA stehe in Kontakt mit den inhaftierten Schweizer Staatsangehörigen sowie mit den kurdischen Behörden. Es habe kürzlich einen konsularischen Besuch im Lager Roj durchgeführt, wo die Schweizerin und ihre Tochter festgehalten werden. Ausserdem habe es virtuell Kontakt aufgenommen zu den drei inhaftierten Männern.

Bern hatte zuvor angeboten, nur die Tochter der Frau zurückzuführen. Dies hatte die Mutter jedoch abgelehnt.

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