Berlin – Bahnt sich eine neue Wende in der Israel-Politik von Kanzler Friedrich Merz an?
Die Bundesregierung möchte am Freitag ein Abschluss-Dokument zur Palästina-Frage unterstützen, das Frankreich und Saudi-Arabien in der UN einbringen. Dies bestätigte das Auswärtige Amt gegenüber BILD. Das Papier enthält gleich mehrere Punkte, die als Abweichung von der bisherigen deutschen Position angesehen werden. Vor allem ein Punkt wird in Jerusalem nach BILD-Informationen als Wende der deutschen Israel-Politik angesehen.
Sollen Millionen Palästinenser nach Israel einwandern dürfen?
So wird in Unterpunkt Nr. 6 etwa die „schnellstmögliche Verwirklichung eines (…) Staates Palästina“ gefordert. Anders als Deutschlands bisherige Position, das keinen Zeitplan für die Zwei-Staaten-Lösung vorsah, ist im Dokument von „zeitgebundenen“ Schritten die Rede.
▶︎ Als noch bedeutender wird in Israel der Unterpunkt 39 gesehen. Darin heißt es, es solle ein „Rahmen geschaffen werden, der eine angemessene Unterstützung zur Lösung der Flüchtlingsfrage bietet, wobei das Rückkehrrecht erneut bekräftigt wird“.
Mit dem sogenannten Rückkehrrecht ist gemeint, dass im Zuge der Staatsgründung Israels geflohene oder vertriebene Palästinenser UND ihre Millionen Nachkommen nach Israel kommen dürften. Aus Israels Sicht käme eine Masseneinwanderung von Palästinensern aus aller Welt dem Ende des jüdischen Staates gleich. Bereits jetzt sind etwa 20 Prozent der Einwohner arabisch.
Rückblick: Israel wurde sofort nach der Gründung im Jahr 1948 von mehreren arabischen Staaten angegriffen, die das Land auslöschen wollten. Im Zuge des Krieges verließen etwa 700.000 Araber Israel, weil sie vertrieben wurden oder flohen. Ähnlich viele Juden wurden aus arabischen Staaten vertrieben und kamen nach Israel. Besonders ist, dass die UN-Behörde UNRWA auch den Millionen Nachkommen der palästinensischen Flüchtlinge das Rückkehrrecht einräumen will.
Bundesregierung: Keine Wende der Israel-Politik
Ist die Unterstützung des „Rückkehrrechts“ eine Wende der deutschen Politik?
Die Bundesregierung widerspricht auf BILD-Anfrage. Aus dem Auswärtigen Amt von Johann Wadephul (62, CDU) hieß es, dass die Flüchtlingsfrage aus Sicht der Regierung „in direkten Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien gelöst werden“ müsse. Mit der Unterstützung der neuen Erklärung weiche man nicht von der „bekannten Linie der Bundesregierung“ ab.
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So sieht es auch das Kanzleramt auf BILD-Anfrage. „Die völkerrechtliche Position der Bundesregierung hat sich kein Jota geändert“, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius (59) zu BILD. Es sei falsch, von einer Wende zu sprechen.
Sprich: Israelis und Palästinenser müssten über die Flüchtlingsfrage verhandeln, sagt Berlin. Doch so steht es nicht im Dokument, dem die Bundesregierung überraschend zustimmen will.
Selbst Emmanuel Macrons (47) Nahost-Gesandter gab Ende August auf X zu, dass die aktuelle Formulierung „ein Fehler“ sei, „den wir korrigieren“. Doch noch steht sie unverändert auf der UN-Website im Abschlussdokument, das Deutschland unterstützt.
Wie BILD erfuhr, plant die Bundesregierung, eine Protokollerklärung abzugeben, in der festgestellt wird, dass die deutsche Haltung zum Nahostkonflikt sich nicht geändert habe. Ein Schritt, der kaum nötig wäre, wenn das Dokument tatsächlich der bisherigen deutschen Haltung entspräche, sagen Kritiker.
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, dass das Dokument den Grundsätzen der deutschen Politik entspricht sowie eine klare Verurteilung der palästinensischen Hamas-Terroristen und des Terrors vom 7. Oktober enthalte. Zudem werde darin gefordert, dass die Hamas in Gaza nicht mehr regieren soll. Dies sei „nun endlich internationaler Konsens, der auch von allen Mitgliedern der Arabischen Liga mitgetragen wurde“.
Regierungssprecher Kornelius sagte BILD: „Ziel der Resolution ist die Bekräftigung der Zwei-Staaten-Lösung als Ziel eines zugegebenermaßen langen und mühsamen Prozesses.“