«Weshalb der Finanzplatz Schweiz jetzt Weitsicht braucht»

Der Schweizer Finanzplatz hat in den letzten zwei Jahrzehnten einige Herausforderungen gemeistert: die globale Finanz- und Schuldenkrise, jahrelange Negativzinsen, die Aufhebung des Bankgeheimnisses und zuletzt die Credit-Suisse-Krise. Dennoch steht der Finanzplatz heute stabiler da als je zuvor. Die Banken verwalten mehr Vermögen, beschäftigen mehr Menschen und haben ihre Widerstandskraft unter Beweis gestellt. Das ist kein Zufall, sondern das Resultat robuster Geschäftsmodelle und einer Regulierung, die bislang mit Augenmass erfolgte. 

«Regulierung darf nie Selbstzweck sein.»

Paradigmenwechsel droht

Doch diese Balance ist gefährdet: Mit dem vom Bundesrat im Juni vorgestellten Regulierungspaket droht ein Paradigmenwechsel, weg von einer differenzierten Aufsicht hin zu pauschaler Überregulierung. Die Mehrheit der vorgeschlagenen Massnahmen soll auf alle Banken angewendet werden, obwohl nur eine betroffen war. Das ist unverhältnismässig und birgt erhebliche Risiken.

Regulierung darf nie Selbstzweck sein. Sie muss Stabilität sichern, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu untergraben.

«Natürlich braucht es Lehren aus der CS-Krise. Aber diese müssen gezielt und differenziert sein.»

Die Schweiz lebt von Offenheit, Innovationskraft und einem Finanzplatz, der weltweit Vertrauen geniesst. Wird dieser Standortfaktor leichtfertig geschwächt, gefährden wir Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und letztlich unsere wirtschaftliche Souveränität. Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister tragen heute rund 12,5 Prozent zu den Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden bei. Sie finanzieren Hypotheken, ermöglichen Unternehmertum und fördern Innovationen wie TWINT oder Distributed-Ledger-Technologien. Wer den Finanzplatz schwächt, schwächt die Schweiz.

Vielfalt nicht durch überbordende Governance-Vorgaben einengen

Natürlich braucht es Lehren aus der CS-Krise. Aber diese müssen gezielt und differenziert sein. Vier Faktoren sind dabei zentral: Erstens muss die Proportionalität gewahrt bleiben – Umfang und Ausgestaltung der Regulierung müssen verhältnismässig sein und sich an den unterschiedlichen Ausgangslagen der einzelnen Banken orientieren. Für die allermeisten Institute besteht eindeutig kein Bedarf für zusätzliche Anforderungen. Zweitens braucht es eine klare Verfahrensordnung für die Finma, die Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismässigkeit garantiert. Drittens darf die Vielfalt der Bankenlandschaft nicht durch überbordende Governance-Vorgaben eingeengt werden. Und viertens dürfen die Eigenmittelvorgaben nicht über das Ziel hinausschiessen, sondern müssen realistisch und international abgestimmt sein.

«Banken spielen eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung nachhaltiger Infrastruktur.»

Banken gestalten wirtschaftliche Sicherheit mit

Die Diskussion um Regulierung ist wichtig, aber sie darf nicht isoliert geführt werden. Wer über die Zukunft des Finanzplatzes spricht, muss auch über seine Rolle bei der Bewältigung der grossen Herausforderungen unserer Zeit sprechen: den demografischen Wandel, die digitale Transformation, die Finanzierung der Energiewende und die geopolitische Unsicherheit. All das verlangt nach einem starken, widerstandsfähigen und international vernetzten Finanzplatz. 

«Es braucht vor allem den Mut, langfristig zu denken.»

Gerade in einer Welt im Umbruch ist es entscheidend, dass die Schweiz auf einen funktionierenden, innovativen und verantwortungsvollen Finanzplatz zählen kann. Die Banken spielen eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung nachhaltiger Infrastruktur, bei der Entwicklung digitaler Lösungen für den Zahlungsverkehr oder bei der Unterstützung von KMU in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Sie sind nicht nur Dienstleister, sondern auch Mitgestalter der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sicherheit und des Fortschritts.

«Übermorgen» ist kein fernes Zukunftsszenario – es beginnt heute. Jetzt ist der Moment, um mit Weitsicht zu handeln. Damit der Schweizer Finanzplatz auch in Zukunft ein verlässlicher Pfeiler unserer Wirtschaft und Gesellschaft bleibt. Dafür braucht es nicht mehr Regulierung, sondern kluge Regulierung. Und es braucht vor allem den Mut, langfristig zu denken.

Dieser Beitrag basiert auf der Ansprache von Marcel Rohner am Bankiertag 2025, der unter dem Motto «Übermorgen» die Zukunft des Schweizer Finanzplatzes in den Fokus stellte. Die vollständige Rede gibt es hier