Man könnte sagen: Die SPÖ bringt nicht einmal eine Pro-forma-Abstimmung im Parteivorstand zusammen. Die Sozialdemokraten nominierten Andreas Babler diese Woche erneut als Kandidat für den Parteivorsitz. Das Problem dabei: Es waren bei Weitem nicht mehr alle Vorstandsmitglieder anwesend, und die Kür erfolgte mittels Handzeichen. Laut einer Interpretation der Statuten hätte jedoch geheim abgestimmt werden müssen. Darauf pochen jedenfalls interne Gegner von Andreas Babler. Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim meint hingegen: „In der SPÖ ist es gängige Praxis, dass Kandidaten für interne Wahlen im Vorstand per Handzeichen nominiert und dann von den entsprechenden Gremien in geheimer Wahl gewählt werden.“
Und die mangelnde Vollzähligkeit? Dem neuen oberösterreichischen SPÖ-Vorsitzenden Martin Winkler zufolge erklärt sich das dadurch, dass Leute wie er wegmussten und ohnehin schon zuvor im Präsidium ihre Zustimmung zu Babler gegeben hätten. Das sieht auch die SPÖ-Führung so: Am Ergebnis hätte es nichts geändert. Dort glaubt man vielmehr an eine erneute Intrige der Babler-Widersacher in der Partei.
Zusammenfassend lässt sich also sagen: Die Querelen in der SPÖ sind immer noch nicht ausgestanden. Erst am vergangenen Wochenende haben sich zwei Vertreter des rechten Flügels öffentlich mit Kritik an Babler hervorgetan. Erstaunlicherweise kam ihre Kritik von links, sie warfen Babler nämlich vor, die Pensionisten mit der Zustimmung zur (nur) gestaffelten Erhöhung der Renten im Stich gelassen zu haben. Es hätte den vollen Inflationsausgleich für alle gebraucht, hatte der steirische SPÖ-Chef, Max Lercher, erklärt. Beim burgenländischen SPÖ-Klubchef, Roland Fürst, klang das noch drastischer: „Jene Kräfte innerhalb der Partei, die Andreas Babler zum Parteichef gemacht haben, sind gefordert und in Verantwortung, den Parteivorsitzenden zur Räson zu bringen.“
Zwischen der burgenländischen SPÖ und der Bundespartei herrscht Eiszeit. Eine Gesprächsbasis zwischen Hans Peter Doskozil und Andreas Babler gibt es nicht. Angekündigte Telefonate fanden nie statt. Eiszeit herrscht weiterhin auch zwischen Hans Peter Doskozil und dem Wiener Bürgermeister, Michael Ludwig. Der Grund für das Zerwürfnis neben politischen Sachfragen: Wiener Genossen hätten ihn für die Freimaurer anwerben wollen, so beschreibt es Doskozil in seinem Buch „Hausverstand“. Doch er habe abgelehnt und sich somit offenbar den Groll der Wiener zugezogen. Diese Woche kündigte Doskozil an, gegen das Vorhaben von Wiens SPÖ-Gesundheitsstadtrat, Peter Hacker, keine Gastpatienten aus dem Burgenland in Wien mehr anzunehmen, rechtlich vorgehen zu wollen.
Neuer SPÖ-Chef in Kärnten
Nicht nur in der Steiermark wird am Samstag mit Max Lercher offiziell ein neuer SPÖ-Chef gewählt, sondern auch in Kärnten. Und dort ist die Wahl noch eine Spur bedeutungsvoller. Denn der SPÖ-Vorsitzende wird auch Landeshauptmann werden. Der derzeitige, Peter Kaiser, ist ein Linker gewesen und dann im Amt zum Pragmatiker geworden. Der künftige, Daniel Fellner, war immer schon Pragmatiker. Und so kündigte er unlängst in der „Presse“ auch an, ebenso mit der FPÖ zusammenarbeiten zu wollen. Damit liegt er nicht unbedingt auf einer Linie mit der Bundespartei des Andreas Babler. In Kärnten wird schon über eine künftige rot-blaue Koalition gemunkelt. Zur rot-blauen Achse trägt nicht zuletzt das gute Verhältnis von Fellner zu Christian Ragger bei. Der Anwalt ist FPÖ-Nationalratsabgeordneter und war vor Jahren selbst Obmann der Kärntner Freiheitlichen. Beide, Ragger wie Fellner, stammen aus dem Lavanttal.
Bablers Wandlung
Eine kleine Wandlung vom Linken zum Pragmatiker hat auch Andreas Babler hinter sich. Der rote Rebell von einst hat sich mittlerweile als Regierungspolitiker neu erfunden. Und als solcher muss Babler nun auch ÖVP-Politik, in Teilen auch Neos-Politik, mittragen. Babler hat sich dadurch ÖVP-Chef Christian Stocker angenähert. Wobei sich die beiden aus der niederösterreichischen Landespolitik schon länger kennen. Das Verhältnis scheint wirklich friktionsfrei, um nicht zu sagen freundschaftlich. Beide versuchen, dem anderen Luft zu lassen, Raum zu geben. So brachte Babler seine Mietpreisbremse wie Stocker sein Kopftuchverbot durch. Und die Pensionserhöhung war ein echter Kompromiss.
Als Parteichef scheint Andreas Babler jedenfalls einbetoniert. Beim Parteitag im kommenden Frühjahr wird er – nach der Zustimmung per Handzeichen im Parteivorstand – erneut gewählt werden. Nach der Statutenänderung bekäme man ihn auch kaum los. Um ihn gegen seinen Willen abzusetzen, brauchte es die Unterschriften von zehn Prozent aller SPÖ-Mitglieder, um eine Urabstimmung über den Parteivorsitz abzuhalten. Diese müssten dann auch erst überprüft werden – ob wirklich alle SPÖ-Mitglieder sind. Das kann also dauern. Dazu braucht man für einen Antritt noch 1500 Unterstützungserklärungen.
Babler wird also bleiben, was er ist: SPÖ-Vorsitzender und Vizekanzler. Es war ein unerwarteter, in dieser Dimension auch ungewöhnlicher Aufstieg innerhalb kürzester Zeit für den vormaligen Bürgermeister einer Kleinstadt, der auch einiges über die Mechanismen in der heutigen österreichischen Sozialdemokratie erzählt. Andreas Babler scheint im Vizekanzleramt jedenfalls angekommen. Mehr geben die Umfragen auch nicht her.
Pop statt Oper
Was etliche im SPÖ-Umfeld allerdings nicht recht verstanden haben, war, warum Babler statt des Sports, der viele breitenwirksame Auftrittsmöglichkeiten böte, einer Welt, in der der Traiskirchner wirklich zu Hause ist, als Minister die Kulturagenden gewählt hat. Zumal es dort angesichts der Budgetkürzungen nicht wirklich etwas zu gewinnen gibt – von Vertretern der Filmwirtschaft wurde Babler gleich einmal heftig kritisiert. Mit der sogenannten Hochkultur scheint er zu fremdeln. In der Staatsoper wurde er seit Amtsantritt noch nicht gesichtet. Kabarett und Pop/Rock sind mehr sein Ding.
Bei der Architektur-Biennale in Venedig war er immerhin, den Österreichischen Staatspreis für Literatur hat er vergeben. Bei Vernissagen zeige er sich gern, weiß der „Falter“. Die Wiener Museumsdirektoren traf er zum „Speeddating“. Mit anderen Kultur-Stakeholdern ist er im Austausch. Seine Rede bei den Bregenzer Festspielen wurde als nicht sehr inspiriert empfunden. Dafür stand er mit jener bei den Salzburger Festspielen mehr als alle anderen im Rampenlicht – was allerdings daran lag, dass währenddessen Pro-Palästina-Aktivisten die Bühne stürmten.
Aber möglicherweise ergibt Andreas Babler als Kulturminister doch Sinn: Hätte die Kürzungen ein Türkiser oder gar Blauer vorgenommen, wäre der Aufschrei vermutlich noch weit größer gewesen. Sein Standing in der Kulturszene hat ihn und seine Partei davor bewahrt, denn dort gilt Babler nach wie vor als Linker. Daran dürfte auch der Pensionskompromiss nichts ändern.