Der Schwangerschaftsabbruch gehört in die Verfassung, um Frauen das Recht dauerhaft abzusichern, eine ungewollte Schwangerschaft abzubrechen, ohne sich strafbar zu machen. Und ohne politische Einmischung. So verteidigen Organisationen wie das Planning Familial oder die JIF ihre Unterstützung des Gesetzesvorschlags des Déi Lénk-Abgeordneten Marc Baum, den Abbruch in der Verfassung zu verankern.

Lesen Sie auch:Hollerichs Aussagen zur Abtreibung sorgen für Empörung

Dies mit Blick auf die Entwicklungen in den USA, wo eine rechte, christlich-fundamentalistische Mehrheit des Obersten Gerichts das bundesweite Recht zum Abbruch gekippt und auf die Ebene der Bundesstaaten verwiesen hat.

Von gesellschaftlicher Bedeutung

Die Argumentation hinkt. Denn mit der Verankerung bekommt keine Frau mehr Rechte. Zumal CSV und DP bereits debattieren, es nicht als Recht in die Verfassung zu schreiben, sondern als Freiheit, wie die Franzosen. Ein solcher Passus macht das Recht von Frauen, über ihren Körper zu entscheiden, nicht sicherer.

Niemand ist gezwungen, eine Schwangerschaft abzubrechen.

Als Jurist müsste Luc Frieden wissen: Selbst ein Grundrecht ist nicht absolut, sondern muss gegen andere Rechtsgüter abgewogen werden. Aber: Um Juristisches geht es bei der Forderung nicht vorrangig. Der politische Kampf wurde vor fast 50 Jahren von engagierten Sozialistinnen und einigen Liberalen gewonnen. Seitdem gibt es ein Gesetz, das Frauen den straffreien Abbruch unter bestimmten Konditionen ermöglicht. Die Initiative ist eher symbolisch.

Lesen Sie auch:Debatte um Abtreibungsrecht spaltet Chamber

Als gesellschaftliches Zeichen kann die Verankerung dennoch nicht unterschätzt werden. Immer wieder sind die Rechte von Frauen, das auf den eigenen Körper, auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit, Gegenstand von Einschnitten und Machtdemonstrationen: Ob in Polen oder in den USA, ob im Kapitalismus oder im Sozialismus, ob im Christentum oder im Islam wird der Zugang zur weiblichen Reproduktion ideologisiert.

Eine treibende Rolle dabei spielen Religionen. In Luxemburg ist es Kardinal Jean-Claude Hollerich, der gegen eine Einschreibung in die Verfassung mobilisiert. Obschon er feststellt, dass die Säkularisierung in Luxemburg weit vorangeschritten ist und ein Großteil der Bevölkerung fortschrittlicher denkt, als es der Kirche lieb wäre. Das war bereits bei der Homoehe zu beobachten.

Die Kirche als Leibwächterin

Allerdings folgt für Hollerich aus der Erkenntnis nicht, dass sich die (männerdominierte) Kirchenspitze zurückhält. Sie versucht, sich weiter als Leibwächter aufzudrängen. In der Chamber liegt neuerdings eine Petition von Abbruchgegnern vor. Wer genau hinschaut, erkennt darin eine Aktion von Mitgliedern eines Lebensschützervereins. Was sie nicht sagen: Dass niemand gezwungen ist, eine Schwangerschaft abzubrechen.

Lesen Sie auch:Neue Petitionen: Soll der Schwangerschaftsabbruch in die Verfassung?

Eine „aufgestülpte Zwangsmeinung“, wie Kardinal Hollerich die Verfassungsinitiative nennt, wäre die Verankerung nicht. Auch Schlagwörter wie „totalitäres System“ sind in dem Kontext schlicht daneben. Schließlich braucht es dafür eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen im Parlament.

Der Staatsrat hat den Weg mit einem positiven Gutachten frei gemacht. In einer Demokratie ist das Volk und seine gewählte Vertretung der Souverän. Und nicht die Kirche. Oder, wie es Xavier Bettel ausdrückt: Willkommen im Jahr 2025.