Zu Beginn des Jahres wurde bekannt, dass ein Wald zwischen Niederkorn und Sassenheim abgeholzt werden soll. Die betroffene Parzelle von knapp zwei Hektar sollte weichen, um das Industriegebiet Hahneboesch zu erweitern. Obwohl die Rodung für Anfang des Jahres angekündigt wurde, steht das Waldgebiet noch. Dennoch stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Wirtschaft Land beanspruchen darf. In Luxemburg regeln das Naturschutz- sowie das Waldgesetz, unter welchen Bedingungen Waldflächen gerodet werden dürfen.
Die Umweltorganisation „Mouvement écologique“ kritisierte das Projekt Hahneboesch und hinterfragte, ob alle Naturschutzmaßnahmen eingehalten wurden. „Die Rodung der Wälder für Industriezonen ist aus Biodiversitätssicht nicht anders zu bewerten als die Rodung für andere Zwecke. Wir bedauern, dass bei der Überarbeitung der Bebauungspläne vor Jahren Flächen, die aus Biodiversitätssicht schützenswert sind, nicht systematischer von Bauland / Aktivitätszone in Grünzone umklassiert wurden“, hält Blanche Weber, die Präsidentin der Organisation gegenüber dem „Luxemburger Wort“ fest.
Wie das Umweltministerium beschreibt, erfolgt die Ausweisung neuer Industriezonen durch die Gemeinden im Rahmen ihrer Flächennutzungspläne (PAG). „Das Umweltministerium achtet bei der Prüfung dieser Pläne grundsätzlich darauf, bestehende Waldflächen zu schonen und potenzielle Eingriffe auf ein Minimum zu beschränken. Es kann jedoch vorkommen, dass aufgrund historischer Entwicklungen bestimmte, im PAG einer Gemeinde ausgewiesene, aber bislang unbebaute Industriezonen, Waldflächen beinhalten.“
Das Waldgebiet im Hahneboesch etwa ist im PAG als „Zone d‘activités économiques nationale“ eingestuft und daher „für Aktivitäten industrieller Natur sowie für Dienstleistungsaktivitäten reserviert, die einen treibenden Einfluss auf die nationale Wirtschaftsentwicklung haben“. Demnach wäre eine Rodung möglich. Die Genehmigung dazu wurde im Jahr 2023 bereits erteilt.
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Schaffen von Ausgleichszonen
Denn allgemein bedarf es laut nationaler Forstgesetzgebung für das Umwandeln einer Waldfläche einer Genehmigung. Dafür ist die Administration de la Nature et des Forêts (ANF) zuständig. Die Behörde ist auch zuständig für das Erstellen eines Kompensationsplans. Denn wer an einer Stelle einen Wald rodet, muss ihn an anderer Stelle mit mindestens der gleichen Fläche kompensieren. Die Kompensation erfolgt über den nationalen Kompensationspool. Laut Weber müsse man bei der Diskussion unterscheiden, „ob es sich um absterbende Fichtenwälder, die kompensiert werden können, oder wertvollere alte Baumareale, wie den Hahneboesch, handelt“.
Die Kompensation kann etwa durch Aufforstung, Wiederherstellung oder Schaffung von geschützten Biotopen und Ausgleichszonen oder andere ökologische Ersatzmaßnahmen erfolgen. Die Wiederaufforstung muss im selben ökologischen Bezirk erfolgen, in dem die Rodung erfolgt ist, ergänzt das Umweltministerium. „Durch Aufforstungen kann der Verlust von Waldflächen ausgeglichen werden, da durch das Wachstum der Pflanzen wieder CO₂ aufgenommen und im Holz sowie im Boden gespeichert wird. Da das Heranwachsen eines Waldes jedoch viele Jahre in Anspruch nimmt, erfolgt die Wiederaufnahme des zuvor freigesetzten CO₂ nur schrittweise über einen längeren Zeitraum.“
Aus Daten, die das Umweltministerium vor einigen Monaten veröffentlicht hat, geht hervor, dass die Fläche der neu bepflanzten Wälder und die ausbezahlten Subventionen stark angestiegen sind. Im Jahr 2020 wurden 125 Hektar aufgeforstet; im vergangenen Jahr 2024 verdreifachte sich diese Zahl nahezu auf 340 Hektar. Auch die Höhe der Förderungen nahm mit den Jahren zu. 2020 wurden für die Wiederaufforstung von Wäldern rund 220.000 Euro ausbezahlt – 2024 waren es fast 1,5 Millionen Euro.
Wird ein Waldgebiet für eine Industriezone gerodet, so ist die zu kompensierende Fläche meist sehr groß. Im Fall Hahneboesch würde es 70 bis 80 Jahre dauern, bis ein neuer Wald als zumindest gleichwertig einzustufen sei.
Im Gewerbegebiet Hahneboesch zwischen Sassenheim und Niederkorn soll ein kleiner Wald abgeholzt werden. Foto: Mike Stebens/LW-Archiv
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Fläche in Industriezonen rationeller nutzen
Für das Mouvement écologique reicht der aktuelle Rechtsrahmen nicht aus. „Wir haben grundsätzlich das Problem – dies betrifft nicht nur Wälder -, dass auch sehr wertvolle Flächen als Bauland in Bebauungsplänen ausgewiesen sind. Diese Flächen dürfen nun a priori zerstört werden, losgelöst von deren Wertigkeit.“ Zwar sei klar, dass diese kompensiert werden müssen, doch vor allem alte Wälder seien nicht einfach so zu kompensieren, sagt Weber. „Die Reformen, die zum Naturschutzgesetz vorliegen, würden übrigens an diesem Problem nichts lösen“, erklärt die Präsidentin. Der Naturschutz sei nicht das zentrale Problem in der Siedlungspolitik.
Was muss passieren, um einen besseren Ausgleich zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Naturschutz zu erreichen? „Das eine ist sicherlich, dass nationale Aktivitätszonen auch für mittlere und kleinere Betriebe zugelassen werden müssen, was seit zig Jahren zur Diskussion steht und bisher noch nicht umgesetzt wurde“, erklärt Weber.
In zahlreichen Zonen seien einige Flächen frei, die Betriebe händeringend suchen, betont sie. Zudem solle die Fläche in Industriezonen rationeller genutzt werden. Blanche Weber bringt als Beispiel den Wohnungsmarkt an. „Beim Wohnen wird von Flächenverdichtung gesprochen. Das muss auch für Aktivitätszonen gelten, wo die einfachsten Bürogebäude zu häufig nur ein oder zwei Stockwerke haben.“
Geht es nach der Umweltschützerin, so sollte vor allem eines erfolgen: Bei bestehenden Aktivitätszonen müsse geschaut werden, ob es welche gibt, die wertvolle schutzwürdige Areale betreffen. Zwar dürften dies nur wenige sein, „doch für die anderen könnte man bereits jetzt mit Kompensierungen loslegen“, resümiert Weber.
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Aktion „Planzt Mat!“ – Auch Sie können dem Wald helfen
Jeder Interessierte kann sich mit einer Spende an der Verjüngung des Waldareals in Niederfeulen beteiligen. Diese Spenden sind steuerlich absetzbar und können via Payconiq oder über das Spendenkonto der Stiftung Hëllef fir d‘Natur – LU89 1111 0789 9941 0000 mit dem Vermerk „Planzt mat!“ – getätigt werden. In beiden Fällen erfolgt die Überweisung direkt auf das Konto der Stiftung. Ab einer Spende von 100 Euro helfen Sie dabei, eine 100 Quadratmeter große Parzelle im Waldgebiet in Niederfeulen zu erneuern.