Publiziert22. September 2025, 15:21
Promis auf Selbstfindung: «Für solche Sachen sollte SRF keine Gebührengelder gebrauchen»
Das SRF hat eine Doku-Serie angekündigt, in der Dario Cologna, Melanie Winiger und weitere Promis in einem Kloster in Südkorea zu sich selbst finden. Viele fragen sich: Ist es die Aufgabe des SRF, solche Reality-Formate zu produzieren?
SRF kündigt die Doku-Serie «Shaolin Challenge» an. Promis suchen in Südkorea nach sich selbst.
Viele Leserinnen und Leser kritisieren den Einsatz von Gebührengeldern. Sie sehen keinen Mehrwert in solchen Formaten.
SRF verteidigt die Sendung. Sie soll zur Selbstreflexion anregen und ist kostengünstiger zu produzieren.
In den Kommentarspalten von 20 Minuten war das Unverständnis gross, als das SRF die Dokumentationsserie «Shaolin Challenge» ankündigte. Für das Format sind sechs Schweizer Promis in ein Kloster in Südkorea gereist: Schauspielerin und Moderatorin Melanie Winiger (46), Snowboarder und Musiker Pat Burgener (31), Schwingerkönig Nöldi Forrer (46), Langlauf-Olympiasieger Dario Cologna (39), Schwingerkönigin Isabel Egli (28) und Model Tamy Glauser (40). Unter Anleitung von zwei Shaolin-Meistern sollten sie zu sich selbst finden und ihre innere Stärke fördern.
«Genau für solche Sachen sollten Gebührengelder von SRF nicht gebraucht werden. Nachrichten und Sinnvolles werden gestrichen», «Warum müssen wir bei dieser Selbstfindung eigentlich mitbezahlen?» oder «SRF wird echt zur Karikatur seiner selbst: Tamy Glauser bei den Shaolin-Mönchen verkaufen sie als Tiefgang», schrieben die Leserinnen und Leser von 20 Minuten. Das SRF ist nicht allein: Auch ZDF, ARD oder ORF setzen auf ähnliche Reality-Formate. Woran liegt das?
Resultat von Sparzwang: Reality-Formate lassen sich günstig produzieren
Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland und Österreich hat die Politik den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in den letzten Jahren weniger Geld zur Verfügung gestellt und gleichzeitig gefordert, mehr Online-Leistungen anzubieten. Das hat Reality-TV-Formate attraktiver gemacht. Denn solche Inhalte lassen sich günstiger und schneller produzieren, als fiktionale Fernsehfilme oder Serien, erklärt das deutsche Medienmagazin DWDL. Zudem lassen sich die Formate mehrfach verwenden: im linearen TV, in den Mediatheken, im Radio und bei Social Media.
Junge interessieren sich ausserdem überdurchschnittlich oft für Reality- und Casting-Shows, wie eine Studie des ORF zeigt. Das bedeute, dass diese Formate hälfen, die traditionell stark vom älteren Publikum geprägten Quoten in der Werbezielgruppe zu verbessern. Auch beim SRF zählt etwa die Dating-Serie «Alone Together», die sich um Paare auf einer einsamen Insel dreht, zu den meistgeschauten Unterhaltungsformaten, wie der Rechteinhaber des Formats, Banijay, schreibt.
SRF will Trash-Sendungen qualitativ übertreffen
SRF, ORF, ZDF und ARD betonen alle, dass bei ihren Reality-Formaten ein Service-public-Gedanke mitschwinge. Das Publikum solle mit den Protagonistinnen und Protagonisten dazulernen. In «Shaolin Challenge» etwa stehen Selbstreflexion, das Überwinden innerer Blockaden sowie die Frage im Zentrum: Was bleibt nach der Rückkehr in den Alltag?
Die prominenten Teilnehmenden stehen exemplarisch für Herausforderungen, die viele Menschen betreffen. «Ihre Offenheit kann inspirieren, Mut machen und zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben anregen. Ziel des Formates ist es, den gesellschaftlichen Diskurs über mentale Gesundheit und persönliche Entwicklung zu fördern. Es soll helfen, wichtige Themen wie psychische Belastungen, Selbstzweifel oder Veränderungsprozesse offen anzusprechen und zu enttabuisieren», erklärt das SRF auf Anfrage von 20 Minuten.

Die Offenheit der Promis soll dem Publikum Mut machen.
SRF
Beim Dating-Format «Alone Together» wiederum standen den Paaren zwei Psychologinnen zur Seite, was es etwa bei «Der Bachelor» nicht gebe. Reality-Shows öffentlich-rechtlichen Rundfunkorganisationen seien ausserdem immer auch ein Fenster in eine fremde Lebenswelt. Und zuletzt ist das SRF gemäss Konzession dazu verpflichtet, dem Publikum Information, Bildung, Kultur, Sport und eben auch Unterhaltung zu bieten; entsprechend breit gestaltet sich das Angebotsportfolio.
Welche positiven Folgen hat Reality-TV?
Wie andere Entertainment-Formate bietet Reality-TV den Zuschauenden eine Ablenkung vom Alltag. Die Psychologie nennt diesen Vorgang Eskapismus, eine Art Mini-Ferien.
Hinzu kommt beim Reality-TV meist eine Prise Drama zwischen den Protagonistinnen und Protagonisten. Häufig entwickelt man beim Schauen eine Präferenz für einen bestimmten Charakter und fiebert dann mit dieser Person durch die Höhen und Tiefen der Sendung mit. Dabei dominieren positive Gefühle wie Empathie und Mitgefühl.
Zum anderen triggert die Realitätsnähe des Genres das Gefühl der Identifikation. Damit unterscheiden sich Realityshows beispielsweise von Sci-Fi-Thrillern. Durch diverse Casts, die ein breites Publikum ansprechen, gerät das Element der Identifikation vor allem in neuen Sendungen noch mehr in den Vordergrund.
Ein weiterer Grund für die Popularität von Reality-TV liegt gemäss der Wissenschaft im sogenannten Voyeurismus. Menschen beobachten gerne andere in privaten oder gar peinlichen Situationen.
Welche negativen Folgen hat Reality-TV?
Trotz der positiven Gefühle wie Entspannung und Vergnügen, die Realityshows bei uns auslösen, ist es wichtig, nicht zu viel davon zu konsumieren, da Suchtpotenzial besteht. Studien fanden zudem heraus, dass die Sendungen ein negatives Körperbewusstsein auslösen können, insbesondere, wenn nur eine bestimmte Art von Körpern gezeigt wird. Shows, die Mobbing oder anderes sozial inakzeptables Verhalten zeigen, können zudem dazu führen, dass dies normalisiert wird.
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