Die wachsende Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen ist längst kein fernes Zukunftsszenario mehr, sondern bereits Realität. Jährlich sterben nach Schätzungen des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) mehr als 35.000 Menschen in der EU, Island und Norwegen an Infektionen, die mit gängigen Antibiotika nicht mehr behandelbar sind.
Vor diesem Hintergrund hat Luxemburg nun seinen neuen Jahresbericht veröffentlicht, der die Daten zu Antibiotikaverbrauch und Resistenzlage in den Bereichen Humanmedizin, Veterinärmedizin, Lebensmittel und Umwelt zusammenführt.
Der Bericht basiert auf dem Nationalen Antibiotika-Plan (PNA), der von 2018 bis 2022 lief und bis Ende 2024 verlängert wurde. „Laut der Weltgesundheitsorganisation stellt die Antibiotikaresistenz eine der größten Gefahren für die öffentliche Gesundheit dar und betrifft sowohl Menschen als auch Tiere“, heißt in der entsprechenden gemeinsamen Pressemitteilung der Ministerien für Gesundheit und soziale Sicherheit sowie Landwirtschaft, Ernährung und Weinbau.
Steigender Verbrauch in der Humanmedizin
Kern des Nationalplans ist der „One Health“-Ansatz: Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt sollen nicht isoliert, sondern in ihrem Zusammenspiel betrachtet werden. Dieses Konzept, das inzwischen auch auf europäischer Ebene Standard ist, soll helfen, die komplexen Übertragungswege von Resistenzen besser zu verstehen und gezielt einzudämmen.
Rückstände von Antibiotika sind nach Angaben der Ministerien für Gesundheit und Landwirtschaft auch in luxemburgischen Oberflächengewässern nachgewiesen worden. Foto: Shutterstock
Besonders beunruhigend sei demnach die Entwicklung im Bereich der Humanmedizin. Der Gesamtverbrauch von Antibiotika sei hierzulande seit 2021 angestiegen. 2023 habe Luxemburg schließlich über dem europäischen Durchschnitt gelegen. Parallel dazu seien auch die Resistenzraten bei verschiedenen Erregern im Vergleich zu 2022 angestiegen. „Zwar liegen die Werte nach wie vor unter den europäischen Mittelwerten, allerdings ist der Trend eindeutig“, so die Ministerien weiter.
Das Gesundheitsministerium empfiehlt daher, stärker auf sogenannte „Schmalspektrum-Antibiotika“ zu setzen, die gezielter wirken und weniger Resistenzdruck erzeugen. Ebenso sollen Impfprogramme, konsequente Handhygiene, das Tragen von Masken in Risikosituationen und eine bessere Infektionsprävention in Kliniken helfen, den Kreislauf von Infektionen und Behandlungen zu durchbrechen.
Tiermedizin: Luxemburg als Musterschüler
Ganz anders stelle sich die Lage im Veterinärbereich dar. Hier gehöre Luxemburg europaweit zu den Ländern mit den niedrigsten Verkaufszahlen für Antibiotika im Nutztiersektor. Auch die Resistenzlage bei Tieren, die für die Lebensmittelproduktion bestimmt sind, sowie die Sicherheit von tierischen Produkten bewegten sich auf einem günstigen Niveau im europäischen Vergleich.
Trotzdem bleibe die Regierung nicht untätig. Zu den Prioritäten zähle die Einschränkung des Einsatzes sogenannter „kritischer Antibiotika“ nach Einschätzung von Fachgremien wie der Antimicrobial Advice Ad Hoc Expert Group (AMEG). Zudem soll die Datenerhebung zur tatsächlichen Anwendung im Stall verbessert werden, um ein noch genaueres Bild zu gewinnen.
Zwar liegen die Werte nach wie vor unter den europäischen Mittelwerten, allerdings ist der Trend eindeutig.
Ministerien für Gesundheit und Landwirtschaft
Lebensmittel und Umwelt: kaum Rückstände, offene Fragen
In puncto Lebensmittelsicherheit falle die Bilanz ebenfalls positiv aus: 2023 seien weder in Nahrungsmitteln noch in Futtermitteln Rückstände von Antibiotika über den zulässigen Grenzwerten gefunden worden. Sorgen bereite dagegen der Umweltbereich. In luxemburgischen Oberflächengewässern seien Antibiotika-Rückstände zwar festgestellt, doch fehlten bislang europaweit klare Umweltqualitätsnormen. Ohne solche Referenzwerte bleibe unklar, welche Risiken die gemessenen Konzentrationen tatsächlich bergen.
Europäische Vorgaben und nationale Verantwortung
Die Ergebnisse des Berichts werden auch vor dem Hintergrund neuer europäischer Vorgaben bewertet. Der Rat der EU hatte im Juni 2023 empfohlen, die Anstrengungen im Kampf gegen antimikrobielle Resistenzen europaweit zu verstärken. Luxemburg bewege sich hier im soliden Mittelfeld: weder ein Problemfall noch ein Ausreißer nach oben, aber auch nicht in allen Bereichen ein Vorbild.
Ein zentrales Werkzeug bleibe die integrierte Überwachung. So zeigte ein im Bericht präsentiertes Genomsequenzieren von Salmonellen-Stämmen aus Mensch und Tier, wie leicht Resistenzen über Artgrenzen hinweg zirkulieren können.
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Angesichts der Ergebnisse arbeite die Regierung bereits an einer Fortführung des nationalen Antibiotikaplans über 2024 hinaus. Das Ziel bleibe klar: den Verbrauch von Antibiotika so weit wie möglich senken, Resistenzen systematisch überwachen und verhindern, dass eine der wichtigsten Errungenschaften der modernen Medizin unwiederbringlich an Wirkung verliert.