In den letzten Wochen gab es vermehrt Drohnen-Alarme an der Ost-Flanke der NATO, den skandinavischen Ländern, Dänemark und nun auch in Deutschland. Wer die Veränderungen in der Kriegsführung zwischen Russland und der Ukraine aufmerksam verfolgt, stellt sich die Frage, warum sich die NATO und auch Deutschland nicht rechtzeitig auf solche Szenarien eingestellt haben und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen worden sind.

Wir fragten bei den Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Biberach nach den Gründen für die Versäumnisse. Wir wollten auch wissen, warum es zur Abwehr von Drohen noch keine Strategie gibt und ob angesichts der Erfahrungen, in der Ukraine z.B., die Beschaffung von Panzern überhaupt noch Sinn macht.

Reinalter: „Gefahr durch Drohnen wurde zu lange unterschätzt“

Dr. Anja Reinalter (Bündnis 90/Die Grünen) sieht eine akute Bedrohungslage: „Nachdem in der vergangenen Woche mehrfach Drohnen über Dänemark gesichtet worden sind, wird deutlich: Die Bedrohung durch Drohnen ist längst kein Zukunftsszenario mehr, sondern Realität – auch in Deutschland und Europa. Diese Gefahr wurde lange unterschätzt, auch bei uns und in der NATO.“ Nach Ansicht der Abgeordneten reagiert die Bundesregierung auf hybride Bedrohungen wie Drohnen, Sabotage und Desinformation viel zu zögerlich: „Ein aktuelles Lagebild zu den täglichen Drohnenvorfällen in Deutschland fehlt bis heute – hier ist dringend mehr Engagement nötig“, so Reinalter.

Auch zur Frage nach der Sinnhaftigkeit von Panzerbeschaffungen äußerte sich Reinalter: „Drohnen stellen neue Herausforderungen an die Verteidigung – das heißt aber nicht, dass klassische Waffensysteme überflüssig sind. Gerade im Umgang mit Drohnen gewinnen diese Systeme an Bedeutung, da sie Soldat*innen besseren Schutz bieten. Was die Zukunft der Bundeswehr betrifft, wurden zwar erste Schritte zum Einsatz von Drohnen unternommen, z.B. durch die Anschaffung des Skyrangers zur Nahbereichsflugabwehr, aber das Tempo muss deutlich höher sein. Auch da muss Schwarz-Rot dringend tätig werden.“

Gerster: „Es gibt eine NATO-Strategie zur Drohnenabwehr“

Der Biberacher Martin Gerster (SPD) beleuchtet in seiner Antwortet zunächst die Entwicklung beim Einsatz von Drohnen bei kriegerischen Auseinandersetzungen: „Drohnen kommen erst seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine 2022 und im Bergkarabach-Konflikt 2023 in großem Stil zum Einsatz. Ein solcher Einsatz von Klein- und Kleinstdrohnen war in diesem Ausmaß neu für uns und unsere Bündnispartner. Mittlerweile aber bestimmt der Einsatz von Drohnen – auch in der Wahrnehmung – maßgeblich militärische Konflikte. Vergleicht man nur Drohnen und Flugabwehr miteinander, so ist es nicht effizient, eine Drohne mit Raketen oder Munition abzuwehren, die teurer sind als die Drohne selbst. Sobald man aber die potenziellen Schäden betrachtet, die eine Drohne anrichten kann, sieht es anders aus.“

Der Abgeordnete sieht diese Maßnahmen aber trotzdem als sinnvoll an, wenn ein ziviles Wohnhaus oder ein Kraftwerk dadurch geschützt werden können, dies vor allem, wenn andernfalls der Tod von Menschen zu befürchten wäre. Zur Drohnenabwehr führt er aus: „Darüber hinaus wird daran gearbeitet, die Drohnenabwehr effizienter zu machen, z.B. mit Drohnen oder Lasertechnik. Auch verfügt die NATO vor dem Hintergrund der Bedeutung, die Drohnen inzwischen einnehmen, über eine Strategie zur Abwehr von Drohnen. Es ist richtig, dass wir uns mittlerweile verstärkt mit Drohnen befassen. Das bedeutet aber nicht, dass andere Systeme plötzlich obsolet geworden sind.“ Panzer erfüllen, nach der Meinung des Abgeordneten, einen gänzlich anderen Zweck als Drohnen und sind für andere Einsätze konzipiert. So könnten z.B. Drohnen keine Truppen gesichert transportieren.

Dahler: „Die NATO muss schnelle Antworten finden“

Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Dahler verweist in seiner Stellungnahme auf die sich schnell wandelnde Kriegsführung: „Die russische Aggression gegen die Ukraine zeigt deutlich, wie sich Kriegsführung wandelt und wie schnell neue Systeme – etwa kostengünstig und vergleichsweise einfach herstellbare Drohnen – an Bedeutung gewinnen. Die NATO muss hier besser werden und schnell Antworten finden, insbesondere ihr Beschaffungssystem optimieren.“

Für die Bundesrepublik empfiehlt er eine Bündelung der Kräfte bei der Drohnenabwehr: „Hier muss zum Schutz der Inneren Sicherheit und der kritischen Infrastruktur – wie Krankenhäuser, Energieversorger und militärische Standorte – über Zuständigkeiten und Bündelung von Kompetenzen gesprochen werden. Aktuell wäre nämlich die örtliche Polizei bei Drohnensichtungen der Ansprechpartner. Es muss deutlich schneller reagiert werden können, da Drohnen in der Regel nur kurz am Ort bleiben. Die Piloten müssen ausfindig gemacht werden können. Auf der anderen Seite muss die Reaktion verhältnismäßig bleiben und auch Gefährdungen durch einen Abschuss, insbesondere über bewohntem Gebiet, berücksichtigt werden. Wir werden das Luftsicherheitsgesetz ändern, damit die Bundeswehr in Amtshilfe Drohnen im Inland abschießen kann.“

KommentarIrrungen und Wirrungen bei Drohnenabwehr machen wenig Hoffnung

Drohnen über dem NATO-Gebiet sind mittlerweile keine Einzelfälle mehr. Über Skandinavien, dem Baltikum und an der Ostflanke sorgen sie ohnehin schon seit längerer Zeit für ein beunruhigendes Gefühl. Unbekannte Dohnen, die jetzt verstärkt über Dänemark und Norddeutschland unterwegs sind, sorgen für eine Unsicherheit bei der Bevölkerung. In nur wenigen Tagen hat sich eine neue Lage ergeben, die tausenden von Fluggästen zum Verhängnis wurden. Drohnen in der Nähe von deutschen Flughäfen (Frankfurt, München) sorgten aus Sicherheitsgründen für massive Flugausfälle. Tausende Passagiere „strandeten“, der wirtschaftliche Schaden ist immens.

Wie soll man mit diesem „Phänomen“ umgehen? „Piloten“ privater Drohnen, die zum Spaß ihre Fluggeräte in die Nähe von Flughäfen steuern, sollten unnachgiebig bestraft werden. Als „Ordnungswidrigkeit“ kann dies, in der aktuellen politischen Situation, nicht weiter geahndet werden. Hier braucht es schärfere Regelungen und auch Strafen.

Bei Drohnen, die zu Spionagezwecken eingesetzt werden, müssen Politik und die Rüstungsindustrie für schnelle Lösungen sorgen. Die unterschiedlichen Zuständigkeiten der Behörden zeigen, wie wenig reaktionsfähig unsere Demokratie ist. Dem Ganzen setzt die Bundes-Justiz-Ministerin Stefanie Hubig (SPD) noch die Krone auf. Sie will nicht, dass die Bundeswehr im Inland Drohnen bekämpft. Wer soll es den dann machen? Die Polizei, die ohnehin schon mit der Alltagarbeit überfordert ist, oder die Bundespolizei, die an Flughäfen tätig ist? Das Kompetenzgerangel zwischen Justiz-, Innen- und Verteidigungsministerium stellt unsere Politik bloß. Dort sollte man sich schnellstens darauf verständigen, dass es um die Sicherheit des Landes und ihrer Bürger geht, und nicht um Befindlichkeiten untereinander.

Eines ist sicher, die Politik hat die Entwicklung auf den Gefechtsfeldern der heutigen Zeit schlicht verpennt. Dass ausgerechnet die Ukraine, die sich im Krieg mit Russland befindet, Vorreiter der Entwicklung einer modernen Kriegsführung mit Drohnen und deren Abwehr ist, zeigt, wie wenig die NATO und auch die Bundeswehr damit Schritt gehalten und reagiert haben.

Kaum vorstellbar, welche Schäden bei uns angerichtet würden, wenn täglich hunderte Drohnen in die Republik einfliegen würden. Verteidigungsfähig wären wir aktuell jedenfalls nicht. Zumal der Militärhistoriker Sönke Neitzel, der Bundeswehr vor wenigen Tagen die Kampffähigkeit abspricht. Er sprach dabei von einer dysfunktionalen Truppe, weil zu viele Soldaten an Schreibtischen sitzen, für mögliche Einsätze also gar nicht zur Verfügung stünden. Jetzt muss aber blitzschnell gehandelt werden, das Knowhow der Ukraine sollte umgehend genutzt werden. Machen muss jetzt die Devise sein, das parteipolitische Gezänk um Zuständigkeiten ist wenig zielführend, sondern zeitraubend. Sie ermuntern damit diejenigen, die ihre Drohnen zu uns schicken, die Provokations-Spirale immer weiter zu drehen.

Das Verteidigungsministerium wäre zudem gut beraten, schnell zu überprüfen, welche Anforderungen neue und künftige Gefechtsfelder an eine moderne Armee stellen. Die Bundeswehr ist im Moment mit ihrem Ausrüstungsstand eher ein Vehikel aus dem vergangenen Jahrhundert. Eine dringend notwendige und moderne Weiterentwicklung wurde verschlafen.

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