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Mehr Nutzlast und mehr Reichweite: Die Marinedrohnen der Ukraine wachsen zu Kampfschiffen im Kleinen heran – Putin darf keine in die Finger bekommen.
Kiew – „Hier können wir den Ukrainern zeigen, wie sie das Geld, das sie uns gespendet haben, am effektivsten einsetzen können“, sagt Iwan Lukaschewitsch. Den Brigadegeneral des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU) zitiert der britische Independent im Rahmen der Vorstellung einer verbesserten „Sea Baby“-Drohne; mit der wollen die Verteidiger im Ukraine-Krieg ihrem Widersacher Wladimir Putin auch noch seine letzten Ansprüche auf das Schwarze Meer streitig machen – auch die NATO profitiert.

Seedrohne der neuen Generation „Sea Baby“: Der Brigadegeneral des militärischen Spionageabwehrdienstes der SSU, Rufzeichen „Hunter“, informiert Medienvertreter während der Präsentation des unbemannten ukrainischen Mehrzweck-Oberflächenfahrzeugs „Sea Baby“ der neuen Generation, das vom Sicherheitsdienst der Ukraine entwickelt wurde. © IMAGO/Chubotin Kirill/Ukrinform/ABACA
Die deutlich verbesserte „Sea Baby“-Seedrohne könne „nun im gesamten Schwarzen Meer operieren, wesentlich schwerere Waffen tragen und künstliche Intelligenz für präzise Zielerfassung nutzen“, schreiben Efrem Lukatsky und Derek Gatopoulos. Den Autoren des Independent habe der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) bestätigt, dass die Einsatzreichweite der Drohne von 1.000 Kilometern auf 1.500 Kilometer erweitert worden sei und seine Nutzlastkapazität nun bis zu 2.000 Kilogramm betrage; also mehr als das Doppelte der Vorgänger. Die Präsentation einer schlagkräftigeren Version dieser Drohne ist keine Premiere: Die Ukraine behauptete bereits im Sommer 2024, ihre „Sea Baby“-Drohnen seien ‚viel‘ leistungsfähiger geworden und könnten russische Schiffe überall im Schwarzen Meer treffen“, wie der Business Insider geschrieben hatte.
Mehr Nutzlast und mehr Reichweite gegen Putins Flotte: Die „Sea Babies“ werden erwachsen
Das Schwarze Meer ist wohl der einzige militärische Hotspot, auf dem die Ukraine uneingeschränkt die Initiative behält – vor allem auch aufgrund ihrer Sea Baby-Drohnen, die die Schwarzmeer-Flotte bereits mehrfach empfindlich getroffen hatten. Die Drohnen seien schon damals aufgerüstet worden, um mehr als eine Tonne Sprengstoff über eine Entfernung von mehr als 1.000 Kilometern zu transportieren, sagte Artem Dehtiarenko laut dem Business Insider. Der Sprecher des ukrainischen Geheimdienstes (SBU) erklärt, das entspräche einer Steigerung von 800 Kilogramm. „Heute kann die SBU feindliche Schiffe praktisch überall im Schwarzen Meer angreifen“, zitiert der Business Insider aus einer Ukrinform-Meldung. Das heißt, dass die Ukraine auch schon vor mehr als einem Jahr große Stücke auf diese Waffe gehalten hatte.
„Der geopolitische Kontext der Ukraine ist wirklich einzigartig. Die Marinesysteme der Ukraine sind aus evolutionären Zwängen entstanden – sie sind aus der Realität des Krieges entstanden, nicht aus der Theorie.“
„Wir brauchen unsere Handelsflotte, damit sie segeln und arbeiten kann und die Wirtschaft am Leben bleibt, damit die Russen keinen Einfluss darauf haben“, äußerte Lukaschewitsch gegenüber Reuters während einer jüngst veranstalteten Präsentation der aufgemotzten ukrainischen Seedrohnen. Neben reinen Kamikazedrohnen sind die ukrainischen Seedrohnen längst in der Lage, auch ferngesteuerte Waffensysteme wie Raketenwerfer und Maschinenwaffen zu tragen – die „Sea Babies“ werden erwachsen. Das kommt nicht von ungefähr – ein großer Teile der „Sea Baby“-Flotte ist spendenfinanziert. Anfang 2024 hatten die Online-Spendenplattform „United24“ und die ukrainische Monobank eine Kampagne zur Produktion von 35 Stück dieses Drohnentyps gestartet. Insgesamt siebeneinhalb Millionen US-Dollar sollten zusammenkommen.
Panzer, Drohnen, Luftabwehr: Waffen für die Ukraine

Das Ergebnis ist unbekannt. „Der nächste Schritt hängt von Ihnen ab“, appelliert die Website an ihre Besucher; drei große Erfolge der Drohne listet sie auf – allerdings scheinen die beiden ersten Angriffe die spektakulärsten gewesen zu sein: Durch eine Attacke am 29. Oktober 2022 auf die Bucht von Sewastopol seien die russischen Fregatten Admiral Makarov und Admiral Essen sowie der Minensucher Ivan Golubets sowie das Patrouillenschiff Lady beschädigt worden. Am 17. Juli 2023 sei die Kertsch-Brücke von einer „Sea Baby“-Drohne getroffen und beschädigt worden. „Die legendäre Spezialoperation des Sicherheitsdienstes der Ukraine begrub die russische Arroganz endgültig“ rühmen die „United24“-Administratoren die Tücke ihrer Marinedrohne.
Zivilisten sammeln für Ukraine-Krieg: Allein durch eine einzige Organisation fast 500 Millionen US-Dollar
„Der Abzug russischer Kriegsschiffe von der Krim ist der jüngste Hinweis darauf, dass die Ukraine allen Widrigkeiten zum Trotz den Seekrieg tatsächlich gewinnt“, behauptete Peter Dickinson vor rund einem Jahr in einer Analyse für den US-Thinktank „Atlantic Council“. Ein Grund dafür liegt an den „Sea Baby“-Drohnen, die etwas länger und breiter sind als ihre Magura-Pendants. Sie können Rammladungen aus Sprengstoff tragen, Raketenwerfer und Maschinenwaffen, wie Marine-Journalist Hi Sutton schreibt: „Die letzte bemerkenswerte Konfiguration ist eine ferngesteuerte Waffenstation. Details sind begrenzt, aber es wurden Aufnahmen veröffentlicht, die zeigen, wie sie russische Hubschrauber und Jets angreifen. Ein verwandtes „Sea Baby II“-Schiff wurde mit Radar und einem 14,5-mm-KPWT-Maschinengewehr gezeigt.“
Vieles davon haben haben weder westliche Regierungen noch der ukrainische Staatshaushalt bezahlt. „Direkte Spenden von Zivilisten sind zu einer stetigen, groß angelegten Quelle der Militärfinanzierung geworden“, schreiben Margaryta Klymak und ihre Co-Autoren. „In den letzten drei Jahren erreichten die Spenden von Bürgern an das ukrainische Militär allein durch eine einzige Organisation fast 500 Millionen US-Dollar“, so der in London ansässige Thinktank „Centre for Economic Policy Research“ (CEPR) über die Nichtregierungsorganisation „Come Back Alive“. „Anhand täglicher Spendendaten zeigt er, dass zivile Opfer und Medienberichte an der Front zu einem sofortigen und deutlichen Anstieg der Spenden führen, die zur Ausrüstung militärischer Einheiten beitragen.“
Effektiv gegen Russland: Entwickelt zu mächtigen Überwasser-Kampfschiffen im Miniatur-Format
Olga Boichak hat zum zweiten Jahrestag des Ukraine-Krieges publiziert, dass in einer Umfrage bis zu 60 Prozent der erwachsenen Bevölkerung angegeben hätte, regelmäßig von ihrem Gehalt für die Verteidigung zu spenden. „Darüber hinaus haben 46 Prozent verschiedene Sachspenden wie Kleidung gespendet, und 16 Prozent leisten Sachspenden durch Freiwilligenarbeit“, schreibt die Professorin von der Universität Sydney. Die Forschungsmethode sei eine anonyme Online-Umfrage mit einer Stichprobe von mehr als 30.000 Personen in der Altersgruppe von 34 bis 45 Jahren. Diese Zahlen müssen auch hoch bleiben, weil Russland den Sieg über die Ukraine ansonsten rein ökonomisch gewinnt, wie Reuters nahe legt – die Kosten des Krieges steigen ins Unermessliche:
„Während sich der Krieg mit Russland in sein viertes Jahr zieht, werden die Kämpfe immer teurer. Ukrainische Regierungsvertreter gaben an, dass der Krieg derzeit rund 172 Millionen US-Dollar pro Tag kostet, verglichen mit rund 140 Millionen Dollar vor einem Jahr“, schreibt die Nachrichtenagentur „.Der Fall der Ukraine zeigt, dass Bürger unter den richtigen Bedingungen – wichtigen Ereignissen, transparenten Institutionen und dringendem Bedarf – freiwillig zur Landesverteidigung beitragen“, schreibt deren Autorin Margaryta Klymak. Den „Sea Babies“ kommt das zugute. Sie werden entwickelt zu mächtigen Überwasser-Kampfschiffen im Miniatur-Format. Die Spenden hätten dazu beigetragen, die neuen Schiffe mit KI-gestützten Freund-Feind-Zielsysteme auszustatten, sie seien imstande, kleine Angriffsdrohnen zu starten und mehrschichtige Selbstzerstörungssysteme.
Blaupause für die NATO: „Sie sind aus der Realität des Krieges entstanden, nicht aus der Theorie“
Mit den „Sea Babies“ dürfe viel passieren, nur dürften sie dem Feind nicht „lebend“ in die Hände fallen: „Wir wissen, dass Russland versucht, ukrainische Marinedrohnen zu kopieren und sie, soweit möglich, bereits gegen ukrainisches Territorium einsetzt“, sagte Lukaschewitsch laut Reuters. Allerdings würde dadurch neben der Ukraine auch die NATO extrem gefährdet. „Moskau betrachtet Marinedrohnen als terroristische Waffe“, schreibt Marine-Journalist Hi Sutton. Auch die Ostsee ist durch kommende autonome Waffensysteme Russlands bedroht. Die Ukraine nutzt heute schon die Technik, an der die NATO noch länger herumlaboriert. Im Schwarzen Meer wird auch um die Zukunft der Ostsee gekämpft.
Möglicherweise werden die Magura- und „Sea Baby“-Drohnen die Blaupausen für die kommenden Mini-Überwasser-Kampfschiffe auch der westlichen Verteidigungsallianz. Abgesehen davon, dass Russland letztendlich ebenfalls von der Cleverness der Ukrainer profitiert: Bessere Erfahrungen hätte die NATO für ihre Seestreitkräfte der Zukunft kaum selbst machen können. Ukrainische Entwickler bauten, was in ihrer Umgebung funktionierte, schreibt Olena Kryzhanivska. Die Ukraine hätte umgesetzt, was der Gegner beziehungsweise die „Kriegsökonomie“ ihr aufgezwungen habe, so die Autorin der Open-Acces-Plattorm Ukraine‘s Arms Monitor: „kostengünstige, anpassungsfähige Plattformen, die enorme Effekte erzielen können“. Das bestätigte ihr auch Rui Costa, ein ehemaliger portugiesischer Marineoffizier und Vorstandsmitglied der Königlich Niederländischen Gesellschaft für Schiffsingenieurwesen:
„Der geopolitische Kontext der Ukraine ist wirklich einzigartig. Die Marinesysteme der Ukraine sind aus evolutionären Zwängen entstanden – sie sind aus der Realität des Krieges entstanden, nicht aus der Theorie.“ (Quellen: Atlantic Council, Centre for Economic Policy Research, Universität Sydney, Reuters, Independent, Business Insider, Hi Sutton, Ukraine‘s Arms Monitor) (hz)