D er Stahlgipfel im Kanzleramt war ein Gipfel des Scheiterns. Da reicht es nicht aus, dass alle Teilnehmenden betonten, wie wichtig die Stahlindustrie für Deutschland sei. Die Bundesregierung hat einmal mehr gezeigt, wie kurzsichtig sie Wirtschaftspolitik betreibt. Sie setzt auf Maßnahmen wie EU-Schutzzölle oder den Industriestrompreis, die maximal den Status quo konservieren. Eine Sache hat hingegen bei der Diskussion über die Überwindung der Stahlkrise keine wirkliche Rolle gespielt: die Dekarbonisierung der Industrie.

Beim Stahl zeigt sich, dass der Markt nicht alles regelt, dass es eine Wirtschaftspolitik braucht, die sich nicht in bloßen Steuersenkungen und Reduzierung der Bürokratie erschöpft. Es braucht eine Politik, die aktiv gestalten will, die eine Vision hat, wie die Wirtschaft von morgen aussehen soll, und deswegen bestimmte Bereiche gezielt fördert. Nichtstun aus ideologischen Gründen, weil Klimaschutz angeblich die Industrie belaste, wird fatale Folgen haben.

Will Deutschland Industrieland bleiben, dann ist eine hiesige Stahlproduktion auch in Zukunft notwendig. Die Branche ist eine Schlüsselindustrie, Stahl Ausgangspunkt für eine ganze Reihe von Industriegüter. Hauptabnehmer der hiesigen Produktion sind neben der Bauwirtschaft vor allem der Maschinenbau und die Automobilindustrie, die beiden wichtigsten deutschen Exportbranchen.

Es geht um Resilienz

Dabei geht es nicht nur um eine möglichst wettbewerbsfähige Produktion. Es geht vor allem auch um Resilienz. Wie wichtig diese ist, zeigt der Handelsstreit um den Hersteller Nexperia. Weil dieser derzeit keine Chips liefert, musste der Automobilzulieferer Bosch bereits Kurzarbeit anmelden.

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Gäbe es hierzulande eine eigenständige Chipindustrie, wäre dies vermutlich nicht nötig. Soll es nicht nur in 5, sondern in 25 Jahren noch eine Stahlproduktion geben, reichen Maßnahmen wie ein EU-Schutzzoll, ein Industriestrompreis oder Buy-Local-Vorgaben nicht aus.

Die Branche muss gezielt bei der Transformation hin zu einer klimaneutralen Produktion unterstützt werden. Etwa in Form einer garantierten Abnahme von grünem Stahl beim Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. Doch dies spielte beim Stahlgipfel kaum eine Rolle.

Dabei wäre die Gelegenheit für Merz durchaus gut gewesen, zu zeigen, dass er auch Klimaschutz kann. Im Anschluss an den Stahlgipfel machte er sich zu internationalen Klimaberatungen nach Brasilien auf. Mit konkreten Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Industrie im Gepäck hätte er sich dort feiern können. So weit kann Merz nicht denken.