Woran fehlt es derzeit am meisten bei der Verteidigung der Freiheit?
Wir bräuchten mehr Mut, zu unseren Überzeugungen zu stehen. Wir haben es ja mit Kräften zu tun, welche die Stückwerk-Arbeit der Politik als nutzloses Klein-Klein permanent lächerlich machen. Aber es ist doch gerade dieses Klein-Klein, das unsere Gesellschaften effizienter, fortschrittlicher und gleichzeitig menschenfreundlicher macht, step by step. Nehmen wir etwa die Europäische Union, die so oft gescholten wird. Gewiss, sie ist manchmal schwerfällig, erzeugt oft überflüssige Bürokratie. Aber: Sie erzeugt auch Frieden und Wohlstand. Und das wissen viel zu viele Menschen viel zu wenig zu schätzen, fürchte ich.
Die Parteien der demokratischen Mitte machen einen gewaltigen Fehler, wenn sie lediglich aus einer Position der Defensive heraus agieren und Reformen fast entschuldigend angehen. Überdies sind diese dann oft auch nur halbherzig gemeint und geplant, entsprechend niedrig sind die Erwartungen. Weshalb nicht einmal mutig sein und offen, ehrlich und offensiv vorgehen? Die demokratischen Parteien müssten deutlicher machen, dass sie Strategien für die Zukunft haben.
Aber wenn sie im Hinblick auf Strategien tatsächlich eher blank sind?
Dann sollten sie dringend welche entwickeln. Die AfD weiß ganz genau, was sie will. Sollten die demokratischen Parteien das nicht erst recht? Eine selbstbewusste Politik des Schritt-für-Schritts, Fehler und Korrektur, offen und transparent, könnte noch immer erfolgreich sein. Davon bin ich überzeugt.
Friedrich Merz will der AfD insbesondere beim Thema Migration Konkurrenz machen. Hat der Bundeskanzler eine Chance auf Erfolg?
Die AfD kann Merz doch jederzeit rechts überholen. Also eher nicht. Sich nun auf das Thema Abschiebungen zu konzentrieren, greift ebenfalls zu kurz. Das hat auch die Aufregung um Merz’ “Stadtbild”-Äußerung gezeigt. Da fühlten sich auch viele Menschen angegriffen, die einen Migrationshintergrund haben und denen Merz nach eigener Aussage nicht zu nahe treten wollte.
Mittlerweile haben rund 30 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund.
Ja. Und wir sollten uns eher auf die Verfassungstreue konzentrieren. Egal, woher Menschen kommen, egal, was die Menschen tun und lassen, der Rahmen muss immer die Verfassungstreue sein. Das ist der Rahmen, in dem sich jeder nach seinem Gusto ausleben kann und soll. Dann spielt es keine Rolle, ob es ein eingebürgerter ehemaliger Flüchtling ist oder ein sogenannter Biodeutscher.