Die Europäische Kommission will nächste Woche weitreichende Änderungen am KI-Gesetz vorlegen – doch die Mitgliedstaaten sind tief gespalten. Während die USA und Tech-Konzerne auf Lockerungen drängen, warnen Kritiker vor einer Verwässerung des weltweit ersten umfassenden Regelwerks für künstliche Intelligenz.
Die für den 19. November angekündigten Reformen sind Teil des „Digital Omnibus”-Pakets, mit dem Brüssel sein digitales Regelwerk vereinfachen will. Doch hinter den Kulissen tobt ein Machtkampf: Intensive Lobbyarbeit amerikanischer Tech-Riesen und Gespräche mit der Trump-Administration haben ihre Spuren hinterlassen. Gleichzeitig tickt die Uhr – bereits 2025 greifen erste Compliance-Fristen, und Unternehmen weltweit fragen sich: Was kommt da auf uns zu?
Mitten in diesen Turbulenzen veröffentlichte der Europäische Datenschutzbeauftragte am 11. November neue Leitlinien zum KI-Risikomanagement. Die Botschaft ist klar: Die praktische Umsetzung läuft weiter, ungeachtet der politischen Debatten.
Anzeige
Passend zum Thema EU-KI-Regulierung: Viele Unternehmen unterschätzen die komplexen Pflichten – von Risikoklassifikation und technischer Dokumentation bis zu starren Fristen wie August 2025/2026. Unser kostenloses E‑Book zur KI‑Verordnung fasst die wichtigsten Anforderungen praxisnah zusammen, erklärt Kennzeichnungspflichten, Risikoklassen und Dokumentationspflichten und zeigt konkrete Schritte, die Sie sofort umsetzen können, um Sanktionen zu vermeiden. Enthalten sind Checklisten und Vorlagen für Ihre praktische Umsetzung. Jetzt KI-Umsetzungsleitfaden herunterladen
Durchgesickerte Entwürfe zeigen: Die Kommission erwägt erhebliche Zugeständnisse. So könnte es eine einjährige Schonfrist für Anbieter hochriskanter KI-Systeme geben. Bußgelder bei Transparenzverstößen würden erst ab August 2027 fällig. Genau diese Pläne spalten die EU-Staaten.
Deutschland und Dänemark plädieren für die Verlängerung. Ihr Argument: Besonders kleine und mittlere Unternehmen bräuchten mehr Zeit, da technische Standards noch in Entwicklung seien. Die Niederlande widersprechen vehement. Statt Aufschub sei mehr Klarheit bei der Durchsetzung nötig – nur so entstehe Vertrauen und ein wettbewerbsfähiger europäischer Markt für menschenzentrierte KI.
Zivilgesellschaftliche Organisationen schlagen Alarm. Das Center for Democracy and Technology warnt: „Jede Verzögerung lässt Menschen schutzlos gegenüber den Gefahren hochriskanter KI-Systeme zurück.”
Die Fristen rücken näher – ob mit Aufschub oder ohne
Unabhängig von der Reformdebatte läuft die gestaffelte Umsetzung bereits. Das KI-Gesetz trat im August 2024 offiziell in Kraft. Der erste Meilenstein kommt im Februar 2025: Dann wird das Verbot von KI-Systemen mit „inakzeptablem Risiko” scharf gestellt – etwa Social-Scoring-Systeme durch Regierungen.
Weitaus brisanter für Tech-Konzerne ist der August 2025. Dann müssen Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck ihre Pflichten erfüllen. Der Hauptteil der Verordnung – einschließlich strenger Anforderungen für „Hochrisiko”-Systeme in Bereichen wie Personalwesen, Medizinprodukte oder kritische Infrastruktur – greift im August 2026 vollständig.
Experten mahnen: 2025 ist das entscheidende Vorbereitungsjahr. Unternehmen sollten jetzt mit Risikobewertungen beginnen und ihre internen Governance-Strukturen anpassen. Wer bis kurz vor Fristablauf wartet, riskiert chaotische Zustände.
Neue Leitlinien sollen Risikobewertung entmystifizieren
Der Europäische Datenschutzbeauftragte liefert praktische Hilfestellung. Seine am 11. November veröffentlichte Handreichung erklärt Organisationen, wie sie technische KI-Risiken identifizieren und mindern können – im Einklang mit den strikten EU-Datenschutzregeln.
Das Dokument verdeutlicht das enge Zusammenspiel zwischen KI-Gesetz und bestehenden Verordnungen wie der DSGVO. Im Fokus stehen Kernprinzipien: algorithmische Fairness, Transparenz und robuste menschliche Aufsicht. Die Leitlinien konkretisieren Artikel 4 des KI-Gesetzes, der umfassende technische Dokumentation, Transparenz über KI-Funktionen und gründliche Risikobewertungen während des gesamten Lebenszyklus vorschreibt.
Der Brüssel-Effekt unter Beschuss
Die EU wollte mit ihrem KI-Gesetz globale Standards setzen – der sogenannte „Brüssel-Effekt”. Doch die aktuellen Reformbestrebungen zeigen, wie schwer diese Ambition gegen massiven internationalen Wirtschafts- und Politikdruck zu verteidigen ist. Denn das Gesetz greift weit: Jedes Unternehmen, dessen KI-Output in der Union genutzt wird, muss sich daran halten – egal wo es sitzt.
Wie komplex die Rechtslage bereits ist, zeigt ein wegweisendes Urteil des Münchner Landgerichts im Fall GEMA gegen OpenAI. Das Gericht entschied: Die Nutzung urheberrechtlich geschützter Songtexte in Trainingsdaten verstößt gegen Urheberrecht und fällt nicht unter die EU-Ausnahme für Text- und Data-Mining. Ein krasser Gegensatz zur flexibleren „Fair Use”-Doktrin der USA.
Genau solche Divergenzen machen globalen KI-Entwicklern das Leben schwer. Die geplanten Reformen und die Zentralisierung der Befugnisse beim Europäischen KI-Büro sollen gegensteuern – durch schlankere Governance und kohärentere Durchsetzung.
Entscheidende Woche: Was kommt am 19. November?
Alle Augen richten sich auf die Kommissions-Ankündigung. Erst dann wird klar, wie konkret die „Digital Omnibus”-Reformen ausfallen. Werden wichtige Fristen offiziell verschoben? Wie verändern sich Definitionen und Pflichten für Hochrisiko-Systeme?
Unabhängig von möglichen Aufschüben bleibt die Marschrichtung eindeutig. Die EU hält an ihrem risikobasierten Rechtsrahmen für künstliche Intelligenz fest. Unternehmen sollten nicht auf Gnadenfrist hoffen, sondern handeln: robuste interne Governance aufbauen, KI-Compliance mit bestehenden Datenschutzstandards verzahnen und sich auf umfassende Dokumentations- und Transparenzpflichten vorbereiten.
Wer jetzt diese Kompetenzen entwickelt, sichert sich nicht nur regulatorische Sicherheit – sondern auch einen Wettbewerbsvorteil im Zeitalter der regulierten KI.
Anzeige
PS: Sie wollen Compliance jetzt proaktiv angehen und nicht erst kurz vor den Fristen reagieren? Der Gratis‑Leitfaden zur KI‑Verordnung erklärt praxisnah, wie Sie KI-Systeme richtig klassifizieren, notwendige Risikobewertungen erstellen und die erforderliche technische Dokumentation aufbauen – verständlich, ohne juristischen Ballast. Mit Vorlagen und Prioritätenliste für Maßnahmen in 2025. Gratis‑Leitfaden zur KI-Verordnung herunterladen