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Reform der Erbschaftssteuer von Wirtschaftsweisen gefordert: Vermögende Unternehmenserben sollen höhere Abgaben leisten, um soziale Ungleichheit zu bekämpfen.
Berlin – Ein kräftiger Aufschwung für die deutsche Wirtschaft bleibt weiter aus. Im neuen Jahresgutachten warnen die sogenannten Wirtschaftsweisen die Bundesregierung davor, wichtige Chancen ungenutzt zu lassen – und mahnen Reformen in sensiblen Bereichen an. Besonders bei der Vermögensverteilung sehen sie Handlungsbedarf: Diese sei in Deutschland weiterhin stark ungleich, heißt es in dem über 300 Seiten starken Bericht.
Achim Truger, Mitglied des Sachverständigenrats, schlägt vor, große Erbschaften und Unternehmensvermögen stärker zu besteuern – eine Forderung, die für Spannungen im Rat sorgt, insbesondere mit seiner Kollegin Veronika Grimm.

Die Wirtschaftsweisen verlangen in ihrem neuen Jahresgutachten Änderungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer (im Bild mit Kanzler Merz) © IMAGO/dts NachrichtenagenturWirtschaftsweise Truger bittet Topverdiener zur Kasse: Für Chancengleichheit
Die Wirtschaftsweisen sprechen sich für eine Reform der Erbschaftsteuer aus, vor allem reiche Firmenerben sollen ihrer Meinung nach mehr Steuern zahlen. So könnten mehrere Milliarden eingenommen werden, die man für Bereiche wie die Bildung aufwenden könnte. Laut Truger könne man damit die Ungleichheit gleich an zwei Stellen reduzieren: Höhere Steuern für Reiche und mehr Chancengleichheit durch Bildung.
Er fordert eine Solidaritätsabgabe von Reichen für Krisen und Verteidung, um die Haushaltslücke, die 2029 bis zu 200 Milliarden Euro groß sein könnte, zu kitten: „Das durch Kürzungen auszugleichen, wäre sozialer Kahlschlag. Ich persönlich plädiere für eine Solidaritätsabgabe für Krisen und Verteidigung, die die sieben Prozent Topverdiener zahlen sollten“, sagt er in der SZ.
„Deutschland ist sehr ungleich und damit ungerecht“, sagt Truger. Nach Berechnungen des Sachverständigenrats besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung rund 60 Prozent des gesamten Vermögens, während die ärmere Hälfte der Haushalte – etwa 40 Millionen Menschen – lediglich etwas mehr als zwei Prozent hält. Seit der Wiedervereinigung habe sich diese Schere weiter geöffnet, heißt es im Gutachten. „Unter den Eurostaaten ist das Vermögen nur in Österreich noch ungerechter verteilt als in Deutschland“.
Das Problem in Deutschland: Geringverdiener können ihren kleinen Notgroschen nicht gewinnbringend anlegen, im Gegensatz zu Topverdienern, die über Anlagen wie Aktien oder Immobilien noch dazu verdienen können. „Deutschland ist zu einer Erbenrepublik geworden“, ist Trugers Fazit. „30 bis 50 Prozent des Vermögens kommt aus Erbschaften und Schenkungen. Aber nur ein Bruchteil der Menschen erbt viel“. Ohne Erbschaft könne man sich allerdings heutzutage in Ballungsräumen keine Immobilie mehr leisten– „und ist steigenden Mieten oft hilflos ausgesetzt“.
Deutschland ist zu einer Erbenrepublik geworden. 30 bis 50 Prozent des Vermögens kommt aus Erbschaften und Schenkungen. Aber nur ein Bruchteil der Menschen erbt viel. Dabei kann man sich ohne Erbschaft in Ballungsräumen heute in der Regel kein Haus oder keine Wohnung mehr kaufen – und ist steigenden Mieten oft hilflos ausgesetzt
Deutschland geht das Geld aus: Wirtschaftsweise Grimm kritisiert Bundesregierung
„Wir fordern außerdem, Schenkungen und Erbschaften gleichmäßiger zu besteuern. Indem man Ausnahmen abschafft oder zumindest reduziert, die vor allem großen Erbschaften nutzen“, sagt Achim Truger. Das Betriebsvermögen, also Unternehmensanteile, werde überwiegend von den reichsten ein Prozent der Haushalte gehalten und sei beim Vererben oder Verschenken vielfach privilegiert. „Es geschieht häufig, dass gigantische Betriebsvermögen mit lächerlich niedrigen Sätzen besteuert werden – oder gar nicht. Wenn ich 150.000 Euro von der Tante erbe, zahle ich im Zweifel mehr als jemand, dem eine Firma im Milliardenwert in den Schoß fällt. Bei Erbschaften von 100.000 bis 200.000 Euro werden im Schnitt 13 Prozent Steuern gezahlt, über 20 Millionen nur acht Prozent. Das ist doch völlig ungerecht“, so Truger. Die Regierung müsse daher handeln.
Ratsmitglied Veronika Grimm widersprach in einem Minderheitsvotum: In der aktuellen Lage schwacher privater Investitionsneigung sei die Diskussion einer höheren Besteuerung von Betriebsvermögen „fahrlässig“ – sie sagt dies in Hinblick auf Familienunternehmen in Deutschland. Sie kritisiert in einem ergänzenden Abschnitt des Gutachtens die Bundesregierung unter Friedrich Merz und warnt davor, dass die derzeitige Politik von „Wahlgeschenken“ und mangelndem Reformwillen geprägt sei. In der Bild kritisiert sie die Politik scharf: „Ab 2029 geben wir die gesamten Einnahmen des Staates für Soziales, Verteidigung und Zinszahlungen aus. Für mehr ist laut Finanzplanung kein Geld da. Diese Finanzplanung ist ein Offenbarungseid“.