Friedrich Merz

Stand: 19.11.2025 19:09 Uhr

Kanzler Merz hat beim Klimagipfel in Brasilien mit abwertenden Aussagen über Belém für einen Eklat gesorgt. In Brasilien und auch in Deutschland gibt es nun Ärger. Merz sagt, das Verhältnis zu Brasilien sei deshalb nicht belastet.

Mit einer Bemerkung beim Klimagipfel in Belém hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Brasilien und nun auch in Deutschland für Empörung gesorgt. Beim Handelskongress in Berlin hatte Merz vergangene Woche abfällig über seinen Kurzaufenthalt in Belém gesprochen, wo derzeit die Klimakonferenz stattfindet. Alle in seiner Delegation seien froh gewesen, dort abzureisen.

Konkret sagte Merz: “Meine Damen und Herren, wir leben in einem der schönsten Länder der Welt. Ich habe einige Journalisten, die mit mir in Brasilien waren, letzte Woche gefragt: Wer von euch würde denn gerne hierbleiben? Da hat keiner die Hand gehoben. Die waren alle froh, dass wir vor allem Dingen von diesem Ort, an dem wir da waren, in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind.”

Merz will “völlig unbelastetes” Gespräch mit Lula führen

Nun hat auch Merz auf die Kritik reagiert: Er sieht das deutsch-brasilianische Verhältnis durch seine Äußerung nicht als belastet an. “Ich habe gesagt, Deutschland ist eines der schönsten Länder der Welt, und das wird vermutlich auch Präsident Lula so akzeptieren”, sagte der CDU-Vorsitzende bei einer Pressekonferenz mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson in Berlin. 

Umweltminister Carsten Schneider (SPD) habe am Nachmittag mit Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in Brasilien gesprochen, sagte Merz. “Ich hab ihn gebeten, Präsident Lula meine herzlichen Grüße auszurichten.” Er selbst werde am Wochenende beim G20-Gipfel in Johannesburg ein “weiteres gutes Gespräch” mit Lula führen, “völlig unbelastet”.

Regierungssprecher: Keine Entschuldigung nötig

Vor der Reaktion des Kanzlers hatte Regierungssprecher Stefan Kornelius gesagt, dass Merz sich nicht entschuldigen werde. Es sei kein Schaden für die Beziehungen zu Brasilien entstanden. Kornelius widersprach der Lesart, dass sich der Kanzler “missfallend” oder gar “angewidert” über die Stadt am Amazonas geäußert habe.

“Er hat gesagt, wir leben in einem der schönsten Länder der Welt und das hat er auf Deutschland bezogen”, erläuterte Kornelius. Brasilien gehöre zwar sicherlich auch zu den schönsten Ländern der Welt. “Aber, dass der deutsche Bundeskanzler hier eine kleine Hierarchisierung vornimmt, ist, glaube ich, jetzt nicht verwerflich.”

Nouripour: Keine weiteren sprachlichen Entgleisungen

Mit Blick auf den G20-Gipfel in Südafrika ruft Bundestags-Vizepräsident Omid Nouripour den Kanzler allerdings zu verantwortungsvoller Kommunikation auf. “Die richtige Wortwahl ist das Fundament der Staatskunst”, sagte der Grünen-Politiker der Nachrichtenagentur dpa.

Da US-Präsident Donald Trump und Chinas Präsident Xi Jinping beim G20-Gipfel nicht dabei seien, sei Merz der Regierungschef der dort größten Volkswirtschaft, betonte Nouripour. Daraus erwachse eine besondere Verantwortung. “Da ist es von größter Bedeutung, dass es nicht zu weiteren sprachlichen Entgleisungen kommt auf Kosten demokratischer Partnerschaften.” 

Wenn man Deutschland in der Welt vertrete, gehe es nicht darum, mal frei reden zu dürfen, erklärte Nouripour. Er warnte: “Wenn der Kanzler das nicht beherzigt, schadet er Deutschland und den nationalen Interessen.”

Grüne: “Taktlos und respektlos”

Doch die Kritik an Merz ist vielstimmig. “Langsam fragt man sich, ob der Kanzler überhaupt noch irgendwo auftreten kann, ohne Deutschland in Erklärungsnot zu bringen”, sagte die Co-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge. “Das Bild, das der Kanzler bei seiner Brasilien-Reise abgegeben hat, war fatal: außenpolitisch taktlos, klimapolitisch ambitionslos und gegenüber Brasilien schlicht respektlos.”

“Bedient Vorurteil vom ‘arroganten Deutschen'”

Die SPD-Politikerin Isabel Cademartori sagte über die Äußerung des Kanzlers: “Sie bedient das Vorurteil vom ‘arroganten Deutschen’ und fällt in eine Phase, in der der ‘Westen’ – insbesondere durch das Auftreten von Donald Trump – in Südamerika als aggressiv und imperialistisch wahrgenommen wird”, sagte sie dem Spiegel. Gerade jetzt wäre aus ihrer Sicht eine europäische Charmeoffensive erforderlich, die echte Partnerschaft auf Augenhöhe signalisiere. 

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace fordert eine Entschuldigung des Kanzlers. “Friedrich Merz muss sich bei der Bevölkerung von Belém entschuldigen”, sagte der Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser. Die Vertreter der deutschen Nichtregierungsorganisationen in Belém hätten sich für Merz fremdgeschämt. Man erlebe eine super organisierte COP und erfahre große Gastfreundschaft der Brasilianer.

Shitstorm in Sozialen Netzwerken

In Sozialen Netzwerken ging ein regelrechter Shitstorm über Merz nieder. Von unhöflich bis rassistisch wurde die Aussage eingestuft. Einige Nutzer erwarteten eine Entschuldigung; andere gingen sogar noch weiter und forderten, der Bundeskanzler dürfe nie wieder in Brasilien empfangen werden.

Auch örtliche Medien kritisierten Merz. Dabei gab es auch Äußerungen, die Merz unterstellten, mit seinen Äußerungen Stimmen bei Neonazis in Deutschland zu suchen. Auch wurde er beschuldigt, das “weiße Überlegenheitsgefühl” zur Schau gestellt zu haben, das zum Zweiten Weltkrieg geführt habe. Allerdings gab es auch Verständnis für Merz in Sozialen Medien. So kritisieren einige Brasilianer die Zustände in der Stadt Belém.

Brasilien: “Unglücklich, arrogant, voreingenommen”

Scharfe Antworten kamen auch direkt aus Brasilien: Der Bundeskanzler hätte besser eine Kneipe im Teilstaat Pará oder eine Tanzveranstaltung besuchen sollen, erklärte Präsident Lula da Silva. Berlin biete “nicht zehn Prozent der Qualität, die Pará zu bieten” habe. Belém ist die Hauptstadt von Pará.

Beléms Bürgermeister Igor Normando bezeichnete die Äußerung als “unglücklich, arrogant und voreingenommen”. Der Gouverneur von Pará, Helder Barbalho, erklärte: “Eine voreingenommene Äußerung offenbart mehr über den, der das sagt, als über das, worüber er spricht.”

Der Bürgermeister von Rio de Janeiro, Eduardo Paes, beschimpfte Merz auf der Plattform X als “Nazi” und “Hitlers Vagabunden-Sohn”. Die Veröffentlichung wurde später wieder gelöscht und durch eine andere ersetzt, in der Paes schrieb, das brasilianische Außenministerium möge sich beruhigen. “Es lebe die Freundschaft zwischen Brasilien und Deutschland.” Ob das Außenministerium Paes zum Löschen des Posts riet, ist nicht bekannt.

Klingbeil und Schneider wollen Wogen glätten

Beschwichtigende Töne kamen von Vizekanzler Lars Klingbeil: Die Irritationen über die Äußerungen von Merz werden sich seiner Meinung nach schnell ausräumen lassen. “Ich glaube, insgesamt muss man sagen, war das ein sehr guter Besuch, den der Bundeskanzler auch in Belém hatte”, sagte der SPD-Politiker bei einer Reise in China. Man sei auch dabei, mit Brasilien Projekte auf den Weg zu bringen. Er habe auch wahrgenommen, dass es diese Irritation gebe, aber die werde man sehr schnell ausräumen. Auf die Frage, ob man sich als Kanzler so äußern sollte, sagte Klingbeil: “Ich bin immer dafür, dass Politiker auch mal frei reden dürfen.”

Auch Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) bemüht sich darum, die Wogen zu glätten. So veröffentlichte er in Sozialen Medien ein Bild von einem Besuch im Urwald und lobte die Gastgeber: “Brasilien ist ein wunderbares Land mit freundlichen Menschen und guten Gastgebern. Schade, dass ich nach der COP nicht länger bleiben kann. Ich hätte ein paar Ideen, zum Beispiel mit meinen Freunden aus dem Amazonas zu angeln.”