Wladimir Putin führt Krieg, Donald Trump poltert und die europäischen Nato-Staaten sind tief verunsichert. Wie steht es um die Zukunft des Militärbündnisses? Der frühere Nato-Chef Jens Stoltenberg erklärt, was nun getan werden muss.

Die Nato sorgt seit Jahrzehnten für Sicherheit in Europa, doch das mächtige Militärbündnis ist gegenwärtig mit massiven Krisen konfrontiert. Wladimir Putin hat mit seiner Invasion der Ukraine die europäische Sicherheitsordnung zertrümmert, Donald Trump propagiert unverhohlen seine Politik des “America First”. Wie kann es weitergehen? Kaum jemand kann diese Frage besser beantworten als Jens Stoltenberg, der frühere Generalsekretär der Nato.

Wie kann das transatlantische Bündnis auch in Zeiten eines Donald Trump weiter bestehen? Welche Fehler wurden in der Vergangenheit gemacht? Und wie kann Russland unter Wladimir Putin zu einem Frieden im Krieg gegen die Ukraine gebracht werden? Diese Fragen beantwortet Jens Stoltenberg, dessen Erinnerungen “Auf meinem Posten. In Kriegszeiten an der Spitze der Nato” kürzlich erschienen sind, im Gespräch.

t-online: Herr Stoltenberg, Sie haben der Nato rund ein Jahrzehnt als Generalsekretär gedient: Was ist die wichtigste Lehre aus dieser Zeit?

Jens Stoltenberg: Wir müssen Nordamerika und Europa weiterhin zusammenhalten. Das ist keine leichte Aufgabe, gerade in diesem Augenblick sehen wir, wie schwer es ist. Aber verschiedene Beschlüsse, die in meiner Amtszeit getroffen wurden, sind dafür nach wie vor relevant.

Es geht im Kern um das, was ich als “No-Regret”-Strategie, eine Strategie ohne Reue, bezeichne: Wir Europäer müssen mehr in die Verteidigung investieren, denn ich halte die entsprechende Kritik der Vereinigten Staaten, die von Präsident Obama, von Präsident Trump, aber auch von Präsident Biden geäußert wurde, für berechtigt. Die Europäer haben zu wenig investiert, durch eine Erhöhung unserer Verteidigungsausgaben erhöhen wir zugleich die Wahrscheinlichkeit, dass sich die USA weiterhin in der Nato engagieren.

Gilt diese Hoffnung auch für die zweite Amtszeit Donald Trumps, die reich an Herausforderungen ist?

Selbst wenn sich das unwahrscheinliche Szenario entwickeln sollte, dass die USA tatsächlich nicht an ihren Verpflichtungen festhalten, dann ist es doch umso wichtiger, dass wir in unsere militärischen Möglichkeiten investiert haben. Investitionen in die Verteidigung sind in jedem Fall die richtige Antwort. Aber das ist nicht alles: Wir müssen uns wieder verstärkt engagieren.

Als Donald Trump 2016 zum ersten Mal ins Weiße Haus gewählt wurde, ging es vor allem um zwei Fragen: Sollen wir weiterhin mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeiten? Oder sollen wir einfach nur den Atem anhalten und abwarten, ob nicht vier Jahre später ein anderer Kandidat gewählt wird? Ich plädiere für Zusammenarbeit mit der US-Regierung, alles andere wäre falsch.