Essen – Es ist eine lange Häuserzeile im Essener Norden. Schon beim Aussteigen aus dem Auto: beißender Gestank. Vor den Gebäuden liegen überall Müllberge. Matratzen, Kühlschränke, Holzlatten, dreckige Teppiche und Sessel, aber auch Windeln mit Kot und Essensreste. Und dann huscht eine dicke Ratte aus einem Müllberg und klettert in ein Loch in der Wiese. Hier an der Frillendorfer Straße ist das schlimmste Müll-Viertel Deutschlands.
Unmittelbar unter dem Müllberg befindet sich offenbar ein riesiges, unterirdisches Nest
Foto: Gerd Scheewel
Rentner legt Rattenfallen aus
Anwohner Dieter Körner ist der Rattenfänger von Frillendorf. Der Rentner lebt seit vielen Jahren in einem gepflegten Mehrfamilienhaus neben den Müll-Häusern. Sein Haus ist lange in Familienbesitz, dort leben mehrere Generationen.
Sein Problem: Sein Garten grenzt an die vermüllten Innenhöfe. „Gestank und Ratten kommen dadurch auch zu uns. Mehrmals in der Woche ist die Rattenfalle voll, alleine letztes Jahr habe ich 47 Ratten gefangen. Der Rekordtag war der 1. Mai, da habe ich vier Ratten erwischt.“
Anwohner Dieter Körner ist der unfreiwillige Rattenfänger von Frillendorf, in einem Jahr fing er 47 Ratten
Foto: Gerd Scheewel
Über dem Müllberg schwirren Insekten
Als wir die komplett vermüllten Innenhöfe betreten, sieht man überall Rattenkot und Rattenlöcher im Boden. Der Gestank wird jeden Meter unerträglicher, über einem Müllberg schwirren viele Insekten.
Körner: „Das Schlimmste sind die gärenden Essensreste und vollen Windeln, wenn es jetzt wieder wärmer wird, wird es richtig schlimm. Einmal kam schon die Feuerwehr, weil eine Selbstentzündung eines Müllbergs drohte, der qualmte schon.“
Überall liegen stinkende Müllberge
Foto: Gerd Scheewel
In den Problemhäusern wohnen hauptsächlich Bulgaren und Rumänen, auch ein paar Geflüchtete. Mehrere Gesprächsversuche scheitern, Männer in Unterhemden drohen, wir sollten verschwinden, hier sei alles gut, das mit dem Müll sei ihre Sache.
Körner: „Hier gibt es auch oft Schlägereien untereinander, die Polizei wird nicht gerufen, das wird so geklärt. Nachts ist es laut, selbst kleine Kinder spielen schreiend bis nach Mitternacht zwischen den Müllbergen. Oder im vermüllten ehemaligen Sandkasten. Schlimm, Kinder so aufwachsen zu sehen.“
Im Hofeingang stehen ausgeschlachtete Kühlschränke, Kühlflüssigkeit tropft auf den Boden
Foto: Gerd Scheewel
Lesen Sie auchStadt hat kaum Handhabe über die Rattenplage
Der Stadt Essen sind die Müllberge und Rattenplage bekannt. Sie will das Problem gerne lösen, doch das gestaltet sich schwierig. So sollen diese Schrott-Immobilien mehreren verschiedenen Eigentümern gehören. Aushänge im Hausflur, den Müll unverzüglich zu entfernen, bringen gar nichts, teilweise fliegt der Müll einfach aus den Fenstern.
Trotzdem verspricht die Stadt, man versuche die Problemhäuser aufzukaufen, um dann endlich handeln zu können. Das sei aber aufgrund der komplizierten Besitzverhältnisse schwierig.
Auch auf den Wegen rund um die Häuserzeile stehen überall Sperrmüll und Schrott
Foto: Gerd Scheewel
Und die Hausverwaltung erklärt gegenüber RTL, man habe immer wieder extra den Müll abtransportieren lassen. Das hätte letztes Jahr alleine 30.000 Euro gekostet. Doch nach wenigen Tagen liegt der Müll wieder auf der Straße und im Hof. Darunter auch ausgeschlachtete Elektrogeräte und Reste von offenbar geklauten Starkstromkabeln.
Körner: „Die sind nachts mit Sprintern und Bullis unterwegs und bringen dann diesen Schrott mit. Woher will ich gar nicht wissen.“
Überall sieht man Reste von Kabeldieben, ob sie von Anwohnern stammen, ist unklar
Foto: Gerd Scheewel
„Unser Haus ist nichts mehr wert, mit dem Umfeld“
Dieter Körner bleibt also zunächst nur, weiter die großen Ratten auf seiner Terrasse zu fangen. „Ich habe echt keine Lust, hier den Rattenfänger zu spielen, habe auch keinen Jagdtrieb. Aber das ist reine Notwehr, was soll ich machen, das geht jetzt seit Jahren so und nichts ändert sich. Langsam verzweifelt man, aber was ist die Alternative? Unser Haus ist mittlerweile nichts mehr wert, mit dem Umfeld. Verkaufen und abhauen geht also auch nicht.“