Die Vorstellung, der alten Zeiten wegen ließe sich auch mit dieser US-Regierung wenigstens halbwegs freundschaftlich verhandeln, hat sich endgültig als Illusion erwiesen. Spätestens seit der Vorwoche ist klar, wie Donald Trump und seine Truppe rechter Ideologen die Europäer sehen – als erbärmliche Schmarotzer.

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Seine ersten zwei Amtsmonate waren schon wild genug. Trump hat ein dickes Fragezeichen hinter Washingtons Nato-Beistandspflicht gesetzt, als er die Unterstützung der Ukraine in Zweifel zog und teilweise aussetzte. Das hat in Berlin und Brüssel bekanntlich hektische Finanzmanöver ausgelöst, um sich selbst gegen ein Bedrohungsszenario aus Russland zu rüsten.

Die Ereignisse der vergangenen Tage, die am kommenden Mittwoch mit der Ausweitung des Strafzoll-Regimes ihre Fortsetzung erfahren werden, stellen eine gefährliche Eskalation auf zwei zentralen Politikfeldern dar.

„Make America Go Away“ Grönland protestiert mit „MAGA“-Slogan gegen Trumps Pläne

Nicht nur wird die enge transatlantische Handelspartnerschaft torpediert. Die USA legen mit ihren irrwitzigen Annektierungsplänen für das unter dänischer Verwaltung stehende Grönland zudem nun wirklich die Axt an das gemeinsame Verteidigungsbündnis.

Behauptungen aus Absurdistan

In dem Moment, in dem gegen den Willen eines bisherigen Alliierten tatsächlich Gebietsansprüche wahrgemacht werden sollten, ist die Nato tot. Wie sollte das auch funktionieren, gleichsam zwei Konfliktparteien im Bündnis beizustehen?

Christopher Ziedler ist Redakteur im Hauptstadtbüro. Er sagt: Die EU ist für einen Handelskrieg mit den USA gut gerüstet. Aber geradezu peinlich schwach treten die europäischen Nato-Allliierten in der Grönland-Frage auf.

Leider scheinen Trump und sein Vize J. D. Vance genau darauf abzuzielen. Die Behauptung, Grönlands Einverleibung liege in ihrem Sicherheitsinteresse, ist absurd. Das eigentlich verbündete Dänemark hat gar nichts gegen eine stärkere US-Militärpräsenz in der immer stärker eisfreien Arktisregion einzuwenden.

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Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher im EU-Binnenmarkt sind Europas schärfste Waffe gegen Trumps Zollpläne.

Dem neuen sicherheitspolitischen US-Imperialismus stehen neuer ökonomischer Isolationismus und Protektionismus gegenüber, die Europas Wirtschaft schwer zusetzen werden.

Das Land, das stets die Liberalisierung des internationalen Warenverkehrs vorangetrieben hat, setzt nun hinter einem Schutzwall hoher Zölle auf den Wiederaufbau der eigenen Industrie. Die US-Verbraucher, die bis dahin höhere Preise zahlen müssen, sind Trump egal – die in Europa erst recht.

Geheime Infos in Chat-Gruppe geteilt Stürzen Hegseth und Waltz Trump in die Krise?

Deutschland droht eine Verschärfung der wirtschaftlichen Krise, gerade die Arbeitsplätze in der Autoindustrie werden noch stärker unter Druck kommen als ohnehin. Das gilt auch für die schwarz-roten Koalitionsverhandler in Berlin, die dringend gegensteuern müssen.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Das aktuelle Welthandelssystem, Treiber der Globalisierung, mit Gewinnern und Verlierern, ist ungerecht und ruft nach Reformen. Die sollten jedoch multi- und nicht unilateral ins Werk gesetzt werden. Trump setzt – wieder einmal – statt Kooperation auf Konfrontation.

Wirtschaftlich auf Augenhöhe, militärisch abhängig

Auf seinen doppelten Angriff ist die Europäische Union und damit auch Deutschland unterschiedlich gut vorbereitet – sicherheitspolitisch quasi gar nicht, wirtschaftlich ganz ordentlich.

Als einer der großen Handelsblöcke der Welt agiert die EU in diesem Bereich auf Augenhöhe mit den USA. Die Marktmacht von 450 Millionen konsumierenden und investierenden Bürgerinnen und Bürgern ist groß. Es besteht durchaus eine Chance, Trump hier zur Umkehr zu zwingen.

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Zugleich hat der alte Kontinent unter Amerikas militärischer Schutzgarantie die eigene Verteidigungsfähigkeit vernachlässigt und erst vor wenigen Jahren eine Kehrtwende eingeleitet – finanziell und bei der Kooperation untereinander. Der Weg zur sicherheitspolitischen Souveränität aber ist noch weit. Dass nun zumindest hektisch das Geld dafür bereitgestellt wird, ist nicht mehr als ein Anfang.

Das erklärt die grundverschiedenen Reaktionen auf die Attacken aus dem Weißen Haus. Im Handelskrieg verfügt die EU selbst über mächtige Geschütze, die sie nach dem Mittwoch auffahren wird, wenn Trump seine Ankündigungen wahrmacht oder gar noch überbietet. Amerikas Bauern oder Markenfirmen werden sich umschauen, wenn ihre Produkte in Europa teurer und schwerer verkäuflich sind.

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Verdruckst und geradezu peinlich schwach treten die europäischen Nato-Alliierten in der Grönland-Frage auf. Auch vom niederländischen Ex-Premier Mark Rutte, dem Generalsekretär der Allianz, kommt bisher kein ernstes Wort dazu, obwohl die Empörung über Russlands Krieg gegen die Ukraine vor allem darauf fußt, dass mit Gewalt Grenzen verschoben werden sollen.