Werther. Gibt es eine Verbindung zwischen dem US-Präsidenten und dem reichsten Mann der Welt auf der einen Seite und einer Gruppe von 83 Cashew-Bäuerinnen im Norden Ghanas sowie einer Wissenschaftlerin aus Werther auf der anderen? „Nein“, würde man spontan antworten. Sie sind sich noch nie begegnet, werden es höchstwahrscheinlich auch nie und haben wenig Gemeinsamkeiten. Doch die Entwicklungen in den ersten 100 Tagen der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump haben das Leben von 83 Frauen in der nord-ghanaischen Stadt Damongo nachhaltig beeinflusst.
Rund 8.100 Kilometer Luftlinie trennen Washington D.C. und Damongo. Die Wertheranerin Dr. Karin Gaesing war dort Anfang April für zwei Wochen unterwegs. Karin Gaesing arbeitet für das Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg. Regelmäßig ist sie in verschiedenen afrikanischen Ländern unterwegs – um Projekte zu beraten, wissenschaftlich auszuwerten und zu begleiten.
Dass der Milliardär Elon Musk im Auftrag von Donald Trump die US-Agentur für internationale Entwicklung – kurz USAID – zerschlagen hat und somit die Hauptbehörde der Vereinigten Staaten, die Entwicklungshilfe und Auslandshilfe leistet, kurz vor der Auflösung steht, hat Karin Gaesing vor Ort in Ghana direkt mitbekommen. „In der Community der Entwicklungshelfer in Ghana war es das beherrschende Thema“, erzählt sie nach ihrer Rückkehr. „Die Menschen rennen uns die Türen ein und fragen, ob wir einspringen können“, sagt sie.
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Wertheranerin unterstützt besonders die Frauen
Mit „wir“ ist die GIZ gemeint, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die ähnlich wie USAID Entwicklungshilfeprojekte durchführt und finanziert. Ihr Hauptauftraggeber ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), für das wiederum auch Karin Gaesing beratend tätig ist. Aktuell berät die Wertheranerin ein Projekt, in dem es um Cashew-Nüsse geht und – wie immer bei Karin Gaesing – darum, die Frauen vor Ort zu unterstützen.
83 Frauen, aufgeteilt in drei Gruppen, sind Teil des Projektes. Sie haben in den vergangenen Jahren gelernt, dass sie die Cashewnüsse, die in der Region angebaut und vermarktet werden, noch viel umfangreicher für die Ernährung ihrer Familien nutzen können. Denn Cashewnüsse hängen nicht direkt an den Zweigen der Bäume, auf denen sie wachsen, sondern unterhalb sogenannter Cashewäpfel.
„Bislang wurden die Äpfel bei der Ernte der Nüsse weggeworfen. Sie sind zwar sehr lecker, aber leicht verderblich“, sagt Karin Gaesing. Doch durch die Beratung der Entwicklungshelfer haben die Frauen gelernt, die Äpfel – die streng genommen keine Äpfel sind, sondern verdickte Fruchtstiele – ebenfalls zu verwerten. Gemischt mit Granatäpfeln und Ingwer lässt sich daraus ein schmackhaftes Getränk herstellen und somit Geld verdienen. Die Frauen, von denen viele verwitwet sind, können so das Familieneinkommen aufbessern.
Bislang wurden die Äpfel, unter denen die Cashewnüsse hängen, nicht verwertet. Durch Karin Gaesings Projekt Wertschöpfungskette Cashew ist das jetzt anders.
(© Karin Gaesing)
Stillstand in Ghana durch Kürzungen von Trumps Politik
Vorausgesetzt, sie haben entsprechende Saftpressen – und an dieser Stelle kommen Donald Trump und Elon Musk ins Spiel. Die Pressen wurden bislang nämlich von „Feed the Future“ zur Verfügung gestellt, einer Initiative der US-Regierung zur Hungerbekämpfung. Doch durch die sofortige Einstellung sämtlicher Programme, falle diese Möglichkeit des Zuverdienstes für die Frauen weg, erklärt Karin Gaesing.
Und nicht nur das. Die Felder mit den Cashewbäumen liegen oft mehrere Kilometer außerhalb der Dörfer. Um die Äpfel auch in größeren Mengen verarbeiten zu können, müssen sie dorthin transportiert werden – und das möglichst vorsichtig. Denn sind die Früchte einmal beschädigt, können sie zur Saftherstellung nicht mehr verwendet werden. Die Frauen hatten deshalb bei „Feed the Future“ Gelder beantragt, um pro Gruppe ein Trycicle – ein motorisiertes Dreirad mit Ladefläche – kaufen zu können.
Doch dessen Anschaffung bleibt nun ein Traum. „Das bedeutet, dass die Frauen weiterhin nur kleine Mengen produzieren und nicht expandieren können“, sagt Karin Gaesing. Doch nicht nur diese Auswirkung des trump’schen Kahlschlags hat sie beobachtet. „Unzählige der einheimischen Projektmitarbeiter stehen nun ebenfalls auf der Straße“, sagt sie. „Und da hängen ja ganze Familien dran.“
Tricycles sind in Westafrika sehr verbreitet. Die Frauen aus Damongo bräuchten die Motorräder, um ihre Cashewäpfel zu transportieren.
(© Karin Gaesing)
Afrikaner sehen Chance in USAID-Krise
Auch ihre eigene Verwandtschaft – ihr Ehemann ist Äthiopier – ist betroffen. „Mein Schwager war bisher Fahrer bei USAID in Äthiopien. Zunächst hat er 90 Tage keinen Lohn bekommen, weil nicht feststand, wie es weitergeht. Er konnte seinen Job zum Glück behalten, aber viele andere sind nun arbeitslos.“
Noch dramatischer sei der Einschnitt im Gesundheitssektor. „Die wichtigen HIV-Medikamente fallen ebenso weg wie Impfungen“, sagt die Forscherin. Auch der gesamte Bereich „Reproduktive Gesundheit“, also Verhütung, Geburt und Nachsorge ist nun bedroht. „In Äthiopien wurden von 33 Projekten zur Reproduktiven Gesundheit 28 dichtgemacht.“
Doch wie so oft steckt in einem Ende auch ein Neuanfang. „Natürlich hofft man vor Ort schon, dass es irgendwie weitergeht. Aber in den Diskussionen der Afrikaner heißt es auch oft: Lasst uns das als Chance sehen. Und auch ich denke, dass da viel Chance drinsteckt, sich freizuschwimmen“, sagt die Expertin.
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Armutskreislauf soll durchbrochen werden
Trotzdem bewertet sie die Situation insgesamt nicht positiv. „Die Regierungskassen sind nicht gut gefüllt und es gibt viele Löcher zu stopfen“, sagt sie. Die Ortsmitarbeiter von „Feed the Future“ haben sich bisher um die Kleinbauern und -bäuerinnen gekümmert. Wenn Feed the Future kein Geld mehr hat, um zu den Bauern rauszufahren, dann kümmert sich niemand mehr um die.“
Deshalb sei es schlimm, wenn jetzt alles wegbräche. „Wir wollen Fortschritt schaffen und Weiterentwicklung. Private Betriebe, so wie die der Cashewfrauen, schaffen Arbeitsplätze. Es geht nicht darum, nur über die Runden zu kommen, sondern darum, dem Armutskreislauf zu entkommen.“
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