Der russische Präsident Wladimir Putin hat ein Treffen zwischen russischen und ukrainischen Vertretern in Istanbul vorgeschlagen – dort könne dann ein Waffenstillstand verabredet werden. Was jedoch einmal mehr ein Ablenkungsmanöver sein dürfte.
Die Anführer Europas haben dem Kreml am Samstag in Kiew ein unmissverständliches Ultimatum gestellt: Ab Montag muss ein mindestens 30 Tage andauernder Waffenstillstand in Kraft treten – sonst verschärft die „Koalition der Willigen“ ihr Vorgehen gegenüber Russland. „Keine (russischen, d. Red.) Bedingungen mehr, keine Verzögerungen“, sagte der britische Premier Keir Starmer, „ohne Wenn, ohne Aber.“
Und Wladimir Putins Reaktion in der Nacht zu Sonntag? Ein „Wenn“ und ein „Aber“. Vor Reportern aus aller Welt stellte der 72-jährige russische Präsident klar: Russland lehnt den Vorschlag der Europäer ab, der mit US-Präsident Donald Trump abgestimmt war. Putin schlug ein Treffen zwischen russischen und ukrainischen Vertretern für den 15. Mai in Istanbul vor. Dann, so die Ansage, könne man über einen Waffenstillstand reden.
Kurz gesagt: ein klassischer Putin also. Er weicht aus, lenkt ab, tut alles, um einen echten Friedensprozess hinauszuzögern und die Einheit zwischen Europa und den USA zu testen. Auch, weil er weiterhin mächtige Partner an seiner Seite weiß: China liefert Bauteile für Waffen, der Iran Raketen und Kamikazedrohnen – und Nordkorea verheizt sogar Tausende eigene Landsleute an der Front für Putins Krieg.
Schon vor Wochen hat die Ukraine dem amerikanischen Vorschlag eines 30 Tage langen Waffenstillstands zugestimmt – ohne Vorbedingungen. Es ist der Kreml, der sich sperrt. Putin will bestimmen, wann und in welchem Rahmen über ein Ende seines Kriegs gesprochen wird. Der Aggressor will von seinen Kriegszielen nicht abrücken, sondern sieht die gesamte Ukraine weiterhin als legitimes russisches Einflussgebiet. Das machte er auch in seiner Rede in der Nacht auf Sonntag klar, in der er mal wieder davon sprach, die „Ursachen dieses Kriegs“ beseitigen zu wollen. Damit meint Putin eine eigenständige und starke Ukraine, die vom Westen gestützt wird.
Vielsagend ist auch, dass der Kreml erneut Istanbul als Ort für Gespräche mit den Ukrainern vorschlägt. In der türkischen Großstadt fanden im Frühjahr 2022 die ersten Friedensgespräche statt – wenige Monate nach der russischen Vollinvasion. Was damals von Russland gefordert wurde, käme einer Kapitulation der Ukraine gleich. Ein Entwurf sah unter anderem eine drastische Demilitarisierung der ukrainischen Streitkräfte vor.
Emmanuel Macron hat den Gegenvorschlag Putins am Sonntag als „Ausweichmanöver“ bezeichnet. Er stellte noch einmal klar, dass es ohne Waffenstillstand keine Gespräche geben kann.
Jetzt muss die „Koalition der Willigen“ zeigen, dass sie es ernst meint. Jetzt müssen den großen Worten vom Samstag auch große Taten folgen. Das heißt: Bleibt Putin bei seiner Weigerung eines Waffenstillstands ab Montag, müssen massive Sanktionen gegen Russland und neue, umfangreiche Waffenlieferungen für die Ukraine folgen. Das würde auch weitreichende Waffen wie zum Beispiel Taurus-Marschflugkörper erfordern.
Diese Tage sind ein Test für die neue europäische Einheit und ihren Willen. Macron, Starmer, Tusk und Merz sind mit ihrem Ultimatum weit vorgeprescht. Wer solche Ansagen macht, muss konsequent bleiben. Sonst verliert Europa jede Glaubwürdigkeit.