Altkreis Halle. „Für mich ist es das schönste Wort im Wörterbuch: Zoll“ – mit seiner unnachahmlichen Polemik versetzt US-Präsident Donald Trump die Weltwirtschaft seit seinem Amtsantritt in Schrecken. Wie extrem der Republikaner seine Zollpolitik umsetzen würde, hatten selbst Hardliner nicht erwartet: 145 Prozent auf die meisten Produkte aus China, immerhin 25 Prozent auf europäische Waren. Derzeit läuft zumindest gegenüber der EU ein Moratorium.
Von der Storck KG über Hörmann bis Poppe + Potthoff sitzen im Altkreis Halle etliche Weltunternehmen, die einen großen Teil ihres Umsatzes im Export verdienen. Für alle war Trumps Ankündigung eine Hiobsbotschaft. Die Sorge: Die Teuerung bei den Importen und Exporten und die damit verbundenen Absatzrückgänge schmälern nicht nur die Gewinne, sondern könnten am Ende auch Arbeitsplätze in der Region gefährden.
Wir haben einige der größten Unternehmen im Altkreis gefragt, ob sie die Auswirkungen der Zölle bereits spüren, wie ihre US-Kunden darauf reagieren und ob Trumps radikale Wirtschaftspolitik letztendlich auch die heimischen Arbeitnehmer treffen könnte.
Die Storck KG in Halle: Mandeln werden teurer
„Storck ist mit den ausschließlich in Deutschland produzierten Waren nicht nur in den USA vertreten, wir beziehen auch viele Rohstoffe aus den USA. Es ist daher nicht nur die Zollpolitik der USA, die Auswirkungen hat. Es kommen die Gegenmaßnahmen der Europäischen Union hinzu, die dazu führen, dass einige von Gegenzöllen betroffene landwirtschaftliche Rohstoffe wie beispielsweise Mandeln teurer werden“, erläutert Unternehmenssprecher Bernd Rößler. „Zölle sind ein Handelshemmnis und schaden stets allen Seiten. Das gilt auch für die Gegenzölle.“
Dr. Bernd Rößler, Sprecher der Haller Storck KG
(© Nicole Donath)
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Storck sei allerdings international sehr breit aufgestellt. Diese Basis erlaube es, die mit dem Zolldisput zwischen den USA und der Europäischen Union verbundenen Entwicklungen „in Ruhe zu verfolgen“, erklärt der Sprecher von Berlin aus. „Wir gehen davon aus, dass letztlich eine politische und auch wirtschaftlich vernünftige Lösung gefunden werden wird.“
Hörmann aus Steinhagen befürchtet „Abwärtsspirale“
Für den großen Steinhagener Tür- und Torhersteller beantwortet Christoph Hörmann, persönlich haftender Gesellschafter der Hörmann-Gruppe, unsere Fragen. „Natürlich spüren auch wir die weltweite, wirtschaftliche Lage, die aktuell durch die verwirrende und verunsichernde amerikanische Zollpolitik geprägt ist. So ist es für uns zum Beispiel auf dem kanadischen Markt derzeit sehr schwer, da US-Waren und damit die Produkte aus unseren amerikanischen Werken quasi boykottiert werden“, erläutert er.
Martin J. Hörmann, Gesellschafter der Steinhagener Hörmann KG.
(© Jonas Damme)
Von betroffenen amerikanischen Partnern habe man bereits Reaktionen erhalten. „Unsere US-Kunden fragen besorgt nach möglichen Preiserhöhungen. Viele von ihnen warten ab, um zu sehen, welche Zölle und Preiserhöhungen tatsächlich eingeführt werden. Zudem besteht Unsicherheit darüber, was passiert, wenn zum Zeitpunkt der Bestellung keine Zölle existieren, aber bei der Lieferung dann doch Zölle erhoben werden“, erklärt Christoph Hörmann. Diese Unsicherheit führe zu einer „vorsichtigen Haltung“ und einem zögerlichen Bestellverhalten bei den Kunden.
Entsprechend habe man versucht, das Moratorium zu nutzen. „Wir können, überall wo möglich, unsere Lagerware verschicken, solange die hohen Zölle ausgesetzt sind. Das bindet aber Kapital“, so der Gesellschafter. „Letztendlich müssen wir hoffen, dass in der Politik die Verlässlichkeit wieder zurückkehrt. Genau die fehlt aktuell, obwohl die Wirtschaft sie unbedingt braucht.“
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Folgen für die heimischen Mitarbeiter in Steinhagen, Brockhagen und darüber hinaus will Hörmann nicht ausschließen. „Auch wir sind von der weltweiten Nachfrage abhängig. Das betrifft uns sowohl direkt als auch indirekt. Direkt, weil wir weniger Produktionsteile an unsere Werke in den USA liefern. Indirekt, weil zum Beispiel unsere Kunden in Deutschland und Europa weniger investieren und Personal abbauen. Das führt zu weiteren Unsicherheiten, und die Spirale dreht sich weiter abwärts.“
Schaeffler mit Werk in Steinhagen: „Sind direkt betroffen“
„Die derzeitige Handelspolitik der Trump-Administration ist von rasch wechselnden Zöllen und unterschiedlichen Zollankündigungen gekennzeichnet. Die betroffenen Handelspartner antworten ihrerseits mit Maßnahmen. Die Schaeffler-Gruppe betreibt Werke unter anderem in den USA, Mexiko, China und der EU. Somit sind wir – wie viele andere Unternehmen auch – von den Zöllen direkt betroffen. Das betrifft sowohl ausgewählte Rohmaterialien, Teile des Intercompany-Geschäfts als auch Direktbelieferungen von Kunden über regionale Grenzen hinweg“, erläutert Unternehmenssprecher Gregor le Claire auf Anfrage.
Man prüfe derzeit eine Reihe von Handlungsoptionen, um die Auswirkungen der Zölle auf das Geschäft zu begrenzen. „Dazu gehört auch, dass die Schaeffler-Gruppe mit unseren Kunden Anpassungsklauseln vereinbart. Wir planen, die Kostenanteile der Zölle weiterzugeben, die sich anderweitig nicht verhindern lassen. Durch die dynamischen Verhältnisse ist eine abschließende quantitative Bewertung zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht möglich. Durch ein systematisches Monitoring sind wir jedoch jederzeit in der Lage, die sich rasch ändernden Sachlagen zu evaluieren. Aufgrund unserer regionalen Aufstellung können wir entsprechend schnell reagieren.“
Pikeur-Reitmoden in Werther: „Händler in Schockstarre“
Andree Baumgartner, Product- and Salesmanager Eskadron in Werther.
(© Pikeur)
„Die USA waren für uns in den vergangenen Jahren ein vielversprechender Wachstumsmarkt mit Perspektiven über das europäische Geschäft hinaus“, sagt Andree Baumgartner, Product- und Salesmanager der Marke Eskadron bei Pikeur in Werther. Dieses Potenzial sei derzeit faktisch aber nicht nutzbar, denn die Unsicherheit – sowohl auf Händler- als auch auf Konsumentenseite – wirke sich spürbar negativ auf das Bestellverhalten aus.
„Unsere US-Exporte sind dadurch nahezu zum Erliegen gekommen. Hinzu kommt, dass unsere Produkte aus unterschiedlichen Herkunftsländern innerhalb und außerhalb der EU stammen – je nach Produkt oder Produktlinie. Dadurch ist nahezu jede Bestellung von den aktuellen Zollregelungen betroffen, was eine pauschale Abwicklung verhindert und individuelle, aufwendige Rücksprache mit unseren Kunden in Schockstarre erfordert“, so Andree Baumgartner.
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Viele US-Händler warteten ab, andere stornierten oder retournierten laufende Sendungen. „Auch die Händler sind schlecht oder gar nicht informiert über die aktuellen Bestimmungen und stellen individuelle Rückfragen zur Zollabwicklung an uns“, erklärt der Salesmanager.
Für Pikeur bedeute dies hohen Aufwand in Kommunikation und Auswertungen der Produkte, um die potenziellen Zollsätze besser abschätzen und darüber informieren zu können. „Nur in enger Abstimmung mit unseren US-Händlern ist es möglich, zu prüfen, ob und wie eine Lieferung sinnvoll und wirtschaftlich durchführbar ist“, erläutert Andree Baumgartner. „Eine Umstellung der Produktionsstandorte ist für uns keine Alternative, macht zudem bei der mangelnden Planungssicherheit jenseits des Atlantiks aktuell auch keinen Sinn.“
Auswirkungen auf die heimischen Mitarbeiter befürchtet er jedoch nicht. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist der US-Markt für uns nicht in einem Ausmaß umsatzrelevant, dass dies direkten Einfluss auf unsere Personalstruktur hätte. Im Gegenteil erfordert es zusätzlichen administrativen Aufwand für Prüfung, Auswertung und intensive Kommunikation, die sich aber leider nicht in Produktivität oder höheren Umsätzen auswirkt.“
Poppe + Potthoff aus Werther prüft noch
„Zum jetzigen Zeitpunkt kommen diese Fragen für uns noch etwas zu früh. Nach Rücksprache mit unserer Geschäftsleitung sind wir derzeit noch in der Prüfung, welche Auswirkungen die Situation konkret für uns hat“, beantwortet Bastian Drexhage, PR-Manager bei Poppe + Potthoff in Werther unsere Anfrage.
Weber Food Technology in Werther setzt auf Taskforce
Zwar hat die Weber Food Technology ihren Sitz im hessischen Breidenbach, aber gerade rund 20 Millionen Euro in den Ausbau des Wertheraner Werkes investiert. Der US-Markt mache rund 30 Prozent des Weber-Umsatzes aus, sagt der Wertheraner Produktionsleiter Benjamin Schieleit. Und aufgrund der trumpschen Zollpolitik sei der derzeit schwer kalkulierbar.
Benjamin Schieleit, Produktionsleiter Weber Food Technology in Werther.
(© Silke Derkum-Homburg)
„Wir beobachten natürlich sehr genau, was dort passiert“, so Schieleit. Die Zollthematik spiele in den Gesprächen mit den amerikanischen Kunden eine große Rolle. Es gebe Anfragen, ob das deutsche Unternehmen die Mehrkosten durch die Zölle tragen könne. Insgesamt seien die amerikanischen Kunden aber recht verhalten. „Wenn man jetzt kauft, weiß einfach niemand, wie es in sechs Monaten, wenn die Maschine geliefert wird, mit den Zöllen aussieht“, sagt Benjamin Schieleit. „Wir haben bei Weber eine Taskforce gegründet, die verschiedene Szenarien durchspielt.“
Doch trotz der verhaltenen Nachfrage der US-amerikanischen Kunden geht man in der Konzernzentrale weiterhin von Wachstum aus. „Der europäische Markt ist stärker als erwartet. Wir sind momentan über unserem Umsatzplan, und wir wollen wachsen und mehr Marktanteile“, sagt Benjamin Schieleit.
Wertheraner Ölhersteller Ravenol leidet nicht
„Der US-amerikanische Markt ist zwar sehr interessant, für uns aber aktuell recht klein. Die Vertriebsstruktur befindet sich grad noch frisch im Aufbau“, erklärt Ravenol-Sprecher Dimitri Barichnowski.