„Alles ist teurer geworden, meine Rente reicht nur für das Nötigste“, klagt die 68-jährige Rossitza Kaltschewa. Für den wöchentlichen Einkauf beim nahe gelegenen Discounter gibt die Rentnerin aus Sofia bis zu 200 Lew aus. Das sind umgerechnet etwa 100 Euro. Mit ihrer Rente von 450 Euro liegt sie im Landesdurchschnitt. „Weder die Renten, noch die Gehälter steigen so schnell wie die Inflation“, sagt Rossitzas Mann Iwajlo während sie die Einkäufe einpacken. Wie die Kaltschews denken viele in Bulgarien und befürchten, dass mit dem Euro alles noch teurer wird. Die rechtspopulistische und russlandfreundliche Partei „Wasraschdane“ (Dt.: Wiedergeburt), die drittstärkste politische Kraft im Land, nutzt diese Ängste gezielt.
Desinformation befeuert Vorbehalte gegen den Euro
Seit Monaten läuft in den sozialen Netzwerken eine regelrechte Desinformationskampagne gegen die Einführung der Gemeinschaftswährung. Die Fake News gipfelten vor Kurzem in einer absurden Äußerung von Rada Lajkowa, einer bulgarischen Europaabgeordneten der Partei „Wasraschdane“ in der EP-Fraktion „Europa der souveränen Nationen“. Ende April unterzeichnete Lajkowa in Moskau einen Partnerschaftsvertrag mit Putins „Einiges Russland“. Sie behauptet, dass die Ersparnisse der Bulgaren für die europäische Aufrüstung herangezogen werden könnten.
Lajkowa erklärte in einem Podcast, die Europäische Kommission überlege gerade, wie Ersparnisse, die Bürger ein halbes Jahr lang unangetastet auf ihren Bankkonten liegen haben, für die Finanzierung von europäischen Aufrüstungsprojekten konfisziert werden könnten. Lajkowas tausendfach geteilte Äußerung erreichte auf Facebook knapp zwei Millionen Menschen, über 18.000 haben darauf reagiert und 3.500 haben kommentiert. Einen Artikel mit ähnlichen Behauptungen, der ebenfalls vielfach geteilt worden ist, veröffentlichte im März die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS.
Fake News und tatsächliche Pläne der EU
Was Lajkowa und die TASS-Meldungen verbreiten, weist der bulgarische Europaabgeordnete der GERB-Partei, Emil Radew, entschieden als Fake News zurück: „Diese gezielte Desinformationskampagne will Ängste schüren und die Bulgaren gegen Europa aufbringen. Der Zeitpunkt ist nicht zufällig gewählt – wir stehen an der Schwelle des Beitritts zur Eurozone.“
Auch die Europäische Kommission, bulgarische Regierungsvertreter und Europaabgeordnete der demokratischen Parteien dementierten. Was die EU tatsächlich plant, ist ein Mechanismus, der private Investitionen von EU-Bürgern erleichtern soll. Bei den EU-Plänen zur „Spar- und Investitionsunion“ bleibe die Kontrolle über ihr Geld bei den Bürgerinnen und Bürgern selbst, betont Radew.
Bulgarischer Lew seit Jahren an den Euro gekoppelt
Preisschwankungen wird es laut der bulgarischen Regierung nach der Euro-Einführung nicht geben. Das begründete Finanzministerin Temenuschka Petkowa wiederholt mit einer Besonderheit Bulgariens: 1997 wurde der Wechselkurs des bulgarischen Lew infolge einer drastischen Finanzkrise und Hyperinflation zunächst an die D-Mark und ab 2002 an den Euro gekoppelt und ist entsprechend konstant.