Bei „Hart aber fair“ diskutierten die Teilnehmer über die Zukunft der Friedensinitiativen im Ukraine-Krieg. Dabei gerät der SPD-Politiker Ralf Stegner wegen eines bisher geheimen Treffens mit russischen Abgesandten in die Kritik. Die Kontrahenten fordern Erklärungen, doch er reagiert unwirsch.

Kommt es zur Waffenruhe in der Ukraine? Als Vorbedingung für weitere Verhandlungen hatten Friedrich Merz und die europäischen Verbündeten Polen, Frankreich und Großbritannien eine Feuerpause ab Montag gefordert. Doch Wladimir Putins Pressesprecher Dmitri Peskow nannte das westliche Ultimatum schlicht „inakzeptabel“. Am Montag behandelte „Hart aber fair“ die jüngsten außenpolitischen Entwicklungen. „Putin, Trump, eine Welt in Unruhe: Wohin führt Merz Deutschland?“, fragte Louis Klamroth die Politiker Roderich Kiesewetter (CDU), Ralf Stegner (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Michael Lüders (BSW), den Welt-Journalisten Jörg Wimalasena sowie Sophie von der Tann, ARD-Korrespondentin für Israel.

„Wichtig ist, dass miteinander gesprochen wird“, sagte Roderich Kiesewetter, „aber Waffenstillstand heißt nicht Frieden“. Auch Reparationen müssten etwa besprochen werden. Der Oberst a.D. zeigte aber ein in weiten Teilen negatives Weltbild. Putin werde auf die Vorschläge bei etwaigen Gesprächen in Istanbul ohnehin nicht eingehen, obwohl Trump ihm bereits zugestanden habe, dass die Ukraine Gebiete abtreten müsse, nicht in die Nato dürfe und den Waffenstillstand nicht mit westlichen Truppen absichern dürfe. „Die USA stehen nicht auf der Seite Europas“, warnte er. „Wir müssen auf der Seite der Ukraine stehen.“

Sophie von der Tann zeigte sich gleichsam skeptisch, was die US-Amerikaner betrifft. Aktuell gelte „Trump first, dann America first“. Weder als Ordnungsmacht noch für das Völkerrecht stünden die Vereinigten Staaten ein. Und dennoch seien letztlich sie es, die bezüglich der Konflikte einen Unterschied machen könnten. Jörg Wimalasena kritisierte dagegen die vorherige US-Regierung von Joe Biden, unter der es keine Friedensinitiativen gegeben hatte. „Dass Trump sich da einschaltet, ist sehr gut“, bewertete der Journalist. Friedrich Merz übernehme inzwischen dessen Vokabular, wenn er sage, „das Töten muss aufhören“.

„Er will ja letztendlich Vorteile für sich haben. Das wird dann geframet als ‚das Töten muss aufhören‘“, sagte dagegen Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit Blick auf das Rohstoffabkommen mit der Ukraine. Wenig Vertrauen zeigte sie zudem in den US-Sondergesandten Steve Witkoff, der mit dem russischen Außenminister verhandeln müsse. „Herr Lawrow ist ein Hund. Der zieht Herrn Witkoff übern Tisch, bevor der den Kaffee ausgetrunken hat.“ Sie beanstandete, dass vor allem Olaf Scholz nur nach Absprache mit den Vereinigten Staaten gehandelt habe. Europa habe sich zu sehr führen lassen wollen.

Michael Lüders bemängelte mehrfach die zu geringen Bemühungen, mit Russland Gespräche zu führen. Doch das Thema führte zu einem zwanzigminütigen, oft hitzigen Disput bei „Hart aber fair“. Recherchen von „Kontraste“ hatten ergeben, dass Ralf Stegner im April neben Matthias Platzeck (SPD) und Ronald Pofalla (CDU) an einem Dialogformat mit russischen Abgesandten in Baku teilgenommen hatte. „Ein frei gewählter Abgeordneter kann reisen, wohin er möchte“, erklärte nun der SPD-Politiker, „und Reden dient immer dazu, herauszufinden, was die andere Seite denkt, und zu vermitteln, was man selber denkt.“

„Die Frage ist ja, was bezwecken Sie damit?“, fragte Strack-Zimmermann. Sie bezweifelte, dass die russische Delegation an seiner oder ihrer Meinung interessiert gewesen sein könnte. „Was für eine Hybris muss man haben, zu glauben, dass man den Unterschied macht?“ Stegner reagierte darauf unwirsch. „Das ist eine Frechheit, um das mal klar zu sagen“, entgegnete er. „Ich glaube nicht, dass ich zum Weltfrieden beitragen kann.“ Für die konterfreudige FDP-Politikerin machte der SPD-Politiker damit eine Flanke auf. „Ja, was machen Sie denn da – eine Kegeltour, oder was?“ Doch der Attackierte pochte auf Sachlichkeit und verbat sich Ratschläge.

Mehrmals wehrte sich Stegner auch gegen implizite Vorwürfe, er habe Geheimnisverrat begangen. Ganz direkt bewertete Kiesewetter das Treffen in Aserbaidschan als Sicherheitsrisiko. „Welche Gespräche werden da geführt? Wie wird mit den Informationen umgegangen? Wurde Bundeskanzler Scholz informiert? Wird jetzt Bundeskanzler Merz informiert?“, zählte der CDU-Politiker die drängendsten Fragen auf. Der Dialog schaffe „Einfallstore für russische Narrative“ und unterlaufe die politischen Bemühungen, Russland zu isolieren. So entstehe der Eindruck, dass eine „Schattendiplomatie“ geführt werde, warnte er.

„Sie sind kein Staatsanwalt und ich bin nicht angeklagt“, erwiderte Stegner. Er wolle lediglich mitbekommen, was die andere Seite denke. Damit rannte er offen Türen bei Lüders ein. Es sei „grundsätzlich sinnvoll“, dass alle Beteiligten miteinander reden, forderte dieser. Als historisches Vorbild führte er Henry Kissinger an, der jahrelang heimlich mit den Vietcong verhandelt hatte, was diesem und Le Duc Tho den Friedensnobelpreis einbrachte. Nach Lesart der Debatte habe der Diplomat dagegen die Freiheit verraten. „Die Europäer haben nun das Problem, dass sie von dem Baum, auf dem sie gestiegen sind, nur schwer wieder runterkommen.“

Dominik Lippe berichtet für WELT regelmäßig über die abendlichen Polit-Talkshows. Der studierte Biologe ist Absolvent der Axel Springer FreeTech Academy.