Das international bekannte Hamburg Ballett kommt nicht zur Ruhe. Bei ihren Vorwürfen gegen Intendant Demis Volpi erhalten die Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie nun Unterstützung aus Düsseldorf. Dort war Volpi vier Jahre lang Ballettchef, bevor er in Hamburg auf John Neumeier folgte.
Die Krise beim weltweit bekannten Hamburg Ballett spitzt sich zu. Nachdem mehrere Erste Solistinnen und Solisten der Compagnie gekündigt haben und Startänzer Alexandr Trusch den neuen Intendanten Demis Volpi öffentlich kritisiert hatte, tauchen nun neue Vorwürfe auf. Demnach untermauern 17 derzeitige und ehemalige Tänzerinnen und Tänzer aus Düsseldorf in einem Brief an Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) die Anschuldigungen an den Ballettchef, wie der NDR berichtet. Volpi leitete vier Jahre lang das „Ballett am Rhein“, ehe er in Hamburg auf John Neumeier folgte.
Der Brief, der dem NDR vorliegt, sei eine Solidaritätsbekundung. So heißt es in dem Schreiben, dass der heute 39-jährige Volpi in Düsseldorf ein Arbeitsumfeld geschaffen habe, das von „inkonsequenter Kommunikation, mangelnder Transparenz, einer Atmosphäre der Angst und Unsicherheit geprägt“ war. Versprechungen und Anweisungen hätten sich oft widersprochen, was bei den Tänzerinnen und Tänzern zu Verwirrung und Frustration geführt habe.
Zudem wurde konstruktives Feedback häufig mit negativen Konsequenzen beantwortet, was den offenen Austausch erschwerte und das Vertrauen untergrub, wie der NDR weiter aus dem Brief zitiert. „Für viele wurde die Erfahrung nicht nur entmutigend, sondern auch traumatisch, was sich negativ auf ihr Selbstvertrauen, ihre Motivation und ihr allgemeines Wohlbefinden auswirkte.“ Die Arbeitsatmosphäre sei derartig belastend gewesen, dass beim „Ballett am Rhein“ langjährige Tänzerinnen und Tänzer vor Ablauf ihrer Verträge gekündigt hätten – dies sei ein in der Ballettszene äußerst ungewöhnlicher Vorgang.
In Hamburg hatten kürzlich ebenfalls fünf der elf Ersten Solisten zum Ende der laufenden Spielzeit gekündigt, darunter die Stars Madoka Sudai und Trusch. Gut 30 weitere Tänzerinnen und Tänzer unterzeichneten einen Brandbrief an Kultursenator Brosda , in dem sie von einem „toxischen Arbeitsklima“ berichteten. Überdies zeigte sich Trusch, der seit 18 Jahren in Hamburg tanzt, in einem NDR-Bericht „unfassbar enttäuscht von der Qualität und von diesem Mittelmaß“.
„Wir nehmen die Vorwürfe ernst“
Mit Blick auf die Anschuldigungen aus Düsseldorf schreibt Brosda auf Anfrage des NDR: „Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst und führen im Hintergrund sehr viele Gespräche, damit alle Seiten aufeinander zugehen und wieder zu einem konstruktiven und vertrauensvollen Austausch kommen.“ Für die Lösung der aktuellen Konflikte am Hamburg Ballett brauche es ein erneuertes Miteinander. Die Bereitschaft dazu auf allen Seiten sei die Voraussetzung dafür, dass die offensichtlich notwendigen Veränderungen gemeinsam gestaltet und getragen werden könnten.
Die ersten Schritte mit externer Begleitung sind dazu laut Brosda gemacht, der weitere Weg müsse sehr ernsthaft und selbstkritisch gegangen werden. „Intendanz und Kompagnie müssen jetzt schnell gemeinsam Lösungen finden, um zu verhindern, dass alle weiter Schaden nehmen“, betont der Kultursenator.
Demis Volpi wollte sich nach Angaben des NDR nicht zu dem Brief aus Düsseldorf äußern. Sein Amt in Hamburg übernahm der Deutsch-Argentinier zu Beginn der Spielzeit 2024/25 vom 86-jährigen Choreografen John Neumeier, der die Compagnie aufgebaut und von 1973 bis 2024 geleitet hatte.
Im Gespräch mit WELT erklärte Volpi kürzlich: „Ich habe damit gerechnet, dass diese Transition schwierig wird, weil jeder Wechsel dieser Dimension für alle Beteiligten eine Herausforderung darstellt.“ Er hätte sich aber erhofft, „dass wir die Herausforderung als Compagnie intern miteinander im respektvollen Umgang meistern können“ und bleibe „trotz allem überzeugt, dass es gelingen kann“. Er sei zuversichtlich, „eine Kultur zu festigen, die auf gegenseitigem Respekt beruht“.
Doch die Zeit drängt: Denn die 50. Ausgabe der Hamburger Ballett-Tage wird am 6. Juli mit der Uraufführung von „Demian“ eröffnet, der ersten abendfüllenden Kreation von Intendant Volpi für das Hamburg Ballett. Das Festival bildet jährlich den Höhepunkt und Abschluss der aktuellen Spielzeit und soll „wie unter einem Brennglas die geballte Vielfalt des Hamburg Ballett in nur zwei Wochen zusammenführen“.