Schon am Donnerstag könnte es in Istanbul zu Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine kommen. Kremlchef Wladimir Putin wollte die ukrainische Regierung politisch ausspielen, ist nun aber selbst im Zugzwang.

In mehr als drei Kriegsjahren in der Ukraine war von einem Friedensprozess lange nichts zu merken. Doch nun könnte der Kreml mit der ukrainischen Regierung verhandeln; schon am Donnerstag könnte es zu Gesprächen in Istanbul kommen. Optimisten sehen darin ein positives Signal, Pessimisten befürchten erneut ein taktisches Manöver des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Einig sind sich Analysten darin, dass eine mögliche Aufnahme von direkten Gesprächen zu diesem Zeitpunkt überrascht.

Es ist ein politisches Schachspiel, das die Weltöffentlichkeit in den vergangenen Tagen erlebte. Putin versucht dabei, die Ukraine als friedensunwillig darzustellen. Dieser Plan ist nicht aufgegangen. Offenbar rechnete er nicht mit den Zügen des ukrainischen Präsidenten – und mit der Unberechenbarkeit von Donald Trump.

Der russische Krieg in der Ukraine wird auch an vielen politischen Fronten geführt. Putin ist daran interessiert, dass Russland international wieder anschlussfähiger wird. Dafür muss er zumindest so tun, als sei er ernsthaft an einem Ende der Kämpfe interessiert. Auch deshalb bedient Moskau seit Kriegsbeginn das Narrativ, westliche Staaten würden die Ukraine zum Weiterkämpfen drängen.

Diesem Plan traten die E4-Staaten – Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen – am vergangenen Wochenende entgegen, als sie Moskau drängten, einem 30-tägigen Waffenstillstand zuzustimmen. Andernfalls drohten sie mit weiteren Sanktionen gegen Russland. Zuvor hatte auch US-Präsident Donald Trump seinem russischen Amtskollegen mit Strafmaßnahmen gedroht, sollte dieser einen Waffenstillstand ausschlagen.

Die Ereignisse haben sich seither plötzlich überschlagen.

Putin ignorierte dieses Ultimatum, schlug seinerseits am Sonntag direkte Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland vor. Dabei konnte der Kreml davon ausgehen, dass Trump auch Verhandlungen ohne Vorbedingungen unterstützt – schließlich hatte sich der US-Präsident schon Wochen zuvor dafür ausgesprochen. Und er tat es auch jetzt wieder.

Doch der Effekt, den sich der Kreml offenbar erhofft hatte, blieb aus. Putins Angebot führte dazu, dass sich die Europäer und die Ukraine blitzschnell der Position der US-Regierung anpassten. Selenskyj wollte nicht nur mit Russland verhandeln, er wollte Putin am Donnerstag in der türkischen Metropole auch persönlich treffen. Er werde nach Istanbul kommen und warten, erklärte der ukrainische Präsident.

Putin steckt seitdem in einem Dilemma. Einerseits sieht er sich in der Ukraine militärisch noch immer in der Offensive. Er möchte seinen Krieg deshalb wohl weiterführen, andererseits Trump aber nicht vor den Kopf stoßen. Denn das russische Regime verfolgt mehrere strategische Ziele: auf Zeit spielen, um mindestens die von Russland völkerrechtswidrig annektierten Oblaste in der Ukraine komplett zu erobern. Zudem ist es in Putins Interesse, Trump vom Rest der Nato zu spalten und bestenfalls die US-Sanktionen gegen Russland loszuwerden. Doch Letzteres ist für Moskau mit dem Treffen der europäischen Staatschefs in weite Ferne gerückt.