Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat mit dem selbsternannten „Königreich Deutschland“ die größte und einflussreichste Reichsbürgergruppe verboten. „Zweck und Tätigkeit des Vereins laufen den Strafgesetzen zuwider und richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung“, hieß es aus dem Bundesinnenministerium am Dienstag.
Dobrindt sprach von einem „bedeutenden Schlag gegen die sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter“. „Mit dem sogenannten ,Königreich Deutschland’ wurde die größte Vereinigung dieser seit Jahren wachsenden Szene verboten’“, erklärte der Minister.
Staatsoberhaupt vom „Königreich Deutschland“ festgenommen
Gegründet wurde die Gruppe im sachsen-anhaltischen Wittenberg. Selbsternanntes Staatsoberhaupt ist der 59-jährige Karatelehrer Peter Fitzek, von seinen Anhängern ehrfürchtig „Imperator Fiduziar“ genannt. Fitzek gilt als bekanntester Reichsbürger Deutschlands und musste sich bereits mehrfach vor Gericht verantworten.
Peter Fitzek bei einem Prozess vor dem Landgericht Dessau.
© dpa/Hendrik Schmidt
Im Rahmen der Razzia wurde er am Dienstagmorgen im sächsischen Halsbrücke festgenommen, wo die Gruppe einen alten Gutshof erworben hat. Inzwischen ist Fitzek in Untersuchungshaft. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof setzte am Dienstagabend einen Haftbefehl gegen ihn in Vollzug, wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte.
Dobrindt: Vereinigung „untergräbt Rechtsordnung“
„Die Mitglieder dieser Vereinigung haben einen ,Gegenstaat’ in unserem Land geschaffen und wirtschaftskriminelle Strukturen aufgebaut“, sagte Innenminister Dobrindt am Dienstagmorgen. „So untergraben sie beharrlich die Rechtsordnung und das Gewaltmonopol der Bundesrepublik. Dabei untermauern sie ihren vermeintlichen Herrschaftsanspruch durch antisemitische Verschwörungserzählungen.“
Rund 800 Einsatzkräfte durchsuchten seit dem frühen Morgen in Brandenburg, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Liegenschaften des Vereins und Wohnungen führender Mitglieder.
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Neben Fitzek nahm die Polizei drei weitere mutmaßliche Rädelsführer fest. Einer der Männer sitzt in Untersuchungshaft. Das bestätigte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof setzte demnach einen Haftbefehl der Behörde in Vollzug.
Ziel sei es, „Vereinsvermögen zu beschlagnahmen und weitere Beweismittel für die verfassungsfeindlichen Ziele und Aktivitäten des Vereins sicherzustellen“, teilte das Innenministerium weiter mit.
„Königreich Deutschland“ hatte eigene Währung
Die Gruppe existiert bereits seit 2012. In den vergangenen Jahren war es ihren Anhängern gelungen, bundesweit Immobilien zu erstehen. Anschließend behaupteten sie, die jeweiligen Grundstücke gehörten zum Staatsgebiet ihres angeblichen Königreichs. Zudem verfügte Peter Fitzek die Einführung einer eigenen Währung namens „Neue Deutsche Mark“. Nach eigenen Angaben ist die Zahl seiner Anhänger mittlerweile auf 6000 gestiegen. Experten halten diese Zahl für übertrieben.
Der Generalbundesanwalt erklärte am Dienstag, die Gruppe wolle nicht nur das System der Bundesrepublik Deutschland ersetzen, sondern ihr eigenes angebliches Staatsgebiet auf die Grenzen des Deutschen Reiches aus dem Jahr 1871 ausweiten.
Von dem Vereinsverbot seien auch zahlreiche Teilorganisationen betroffen, hieß es weiter. Es sei das Ergebnis einer engen Kooperation mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, weiteren Bundesbehörden und den Ländern. Im Vorfeld führten alle beteiligten Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden umfangreiche Ermittlungen und gemeinsame Auswertungen durch, wie das Innenministerium weiter mitteilte.
Von den mehr als 23.000 Deutschen, die laut Verfassungsschutz aktuell der Szene der Reichsbürger angehören, gilt offiziell lediglich jeder Zehnte als gewaltbereit. Der Anteil der Bewaffneten ist jedoch weitaus höher. Viele sind zudem rechtsextrem. In einer Pressekonferenz am Vormittag erklärte Innenminister Dobrindt, die Mitglieder des „Königreichs Deutschland“ würden nicht als „besonders waffenaffin“ gelten, man befinde sich hier eher im Bereich der Wirtschaftskriminalität.
Szene ist stark zerstritten
Die verschiedenen Gruppen sind in der Regel untereinander verfeindet, da jede die Macht für sich selbst beansprucht: Die „Exilregierung Deutsches Reich“ lehnt die „Kommissarische Reichsregierung“ ab, der „Freistaat Preußen“ aus Verden fehdet gegen den „Freistaat Preußen“ aus Niederkrüchten und die „Republik Freies Deutschland“.
Was alle eint, ist ihre Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland. Viele glauben, diese sei eine Firma, Deutschland besetztes Land. Dafür argumentieren sie mit falsch ausgelegten Paragrafen, historischen Unwahrheiten oder dem Weltpostvertrag.
Fitzek bereits mehrfach vor Gericht
Peter Fitzek, das selbsternannte Staatsoberhaupt seines nun verbotenen Fantasiestaats „Königreich Deutschland“, musste sich unter anderem bereits wegen gefährlicher Körperverletzung, Untreue, unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften, illegaler Versicherungsgeschäfte, Urkundenunterdrückung sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis vor Gericht verantworten.
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Im März dieses Jahres bestätigte das Oberlandesgericht Naumburg ein Urteil, wonach er eine Haftstrafe von acht Monaten ohne Bewährung wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung absitzen sollte. Fitzek hatte die Mitarbeiterin eines Security-Unternehmens gegen eine Tür gestoßen und getreten. Anschließend beschimpfte er zwei Bundeswehrsoldaten, die der Angegriffenen zur Hilfe eilten, als „Faschistenschweine“.
Nach Angaben des Generalbundesanwalts hatte die Gruppe bereits etliche pseudostaatliche Strukturen und Institutionen errichtet. So seien ein Bank- und Versicherungssystem, ein Meldeamt mit fiktiven Ausweisdokumenten sowie eine eigene Währung geschaffen worden. Die Vereinigung habe sich vor allem durch den Betrieb verbotener Bank- und Versicherungsgeschäfte finanziert, allerdings auch durch Spenden sowie Einnahmen aus Seminaren. (mit AFP und dpa)