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Neue Bücher zu entdecken, macht Ingrid und Hubert von Scheven auch im Ruhestand viel Freude. Neue Bücher zu entdecken, macht Ingrid und Hubert von Scheven auch im Ruhestand viel Freude. © THOMAS PLETTENBERG

Sich als Buchhändler zu versuchen, war für Ingrid und Hubert von Scheven 2003 ein Sprung ins kalte Wasser. Das Wagnis erwies sich als Glücksfall: 22 Jahre lang führten sie in Rottach-Egern den „Kolmansberger“ mit Leidenschaft und Erfolg. Ihre Erfahrung: Das Buch hat seinen Zauber nicht verloren.

Rottach-Egern/Waakirchen – Der Renner, sagt Ingrid von Scheven (65), seien die Tiktok-Bücher. Gemacht von und für „Young Adults“, junge Erwachsene, von Verlagen aufgespürt und schließlich gedruckt. Die Lust, ein richtiges Buch in die Hand zu nehmen, Seite um Seite wahrhaftig umzuschlagen, sei auch im digitalen Zeitalter so lebendig wie eh und je. „Es gab mal einen kleinen Hype um den E-Book-Reader“, meint Hubert von Scheven (75). Das elektronische Teil habe sein Gutes, spare Platz und Gewicht. „Aber es fehlt das Lesevergnügen.“

22 Jahre lang die Buchhandlung Kolmansberger geführt

Dieses Vergnügen zu vermitteln, hat dem Ehepaar 22 Jahre lang Freude bereitet. So lange haben die beiden die Buchhandlung Kolmansberger in Rottach-Egern geführt. Seit Kurzem sind sie Ruheständler. Unterdessen ist der Kolmansberger zur See-Buchhandlung geworden, die neue Inhaberin Barbara Schäfer hat umgebaut. Die Schevens sind glücklich über die Nachfolge: „Sonst hätte es in Rottach eine große Lücke gegeben.“

Die Liebe zum Buch begleitet vor allem Ingrid von Scheven schon ihr Leben lang. Sie hat Deutsch studiert, später zehn Jahre lang die Gemeindebücherei an ihrem Wohnort Waakirchen geführt und oft Nachhilfe gegeben. 1999 fiel ihr eine Stellenanzeige ins Auge: Der Kolmansberger suchte eine Mitarbeiterin. Sie probierte es mit einem neuen Job und fing Feuer: „Buchhandel ist ein wunderschöner Beruf.“

Gemeinsames Wagnis

Ihr Mann Hubert, ein Kaufmann, war zu diesem Zeitpunkt noch im Textilhandel tätig. „Mit Büchern hatte ich nichts zu tun“, erinnert er sich. Dann kam einiges zusammen. Hubert von Scheven verlor seine Arbeit, mit 54 Jahren, gleichzeitig suchte die Familie Kolmansberger einen Nachfolger für den Laden. Die Schevens überlegten und führten viele Gespräche. Letztlich entschieden sie: Wir packen das zusammen an.

Der Kaufmann und seine Frau, die Buch-Expertin, ergänzten sich als Team perfekt. „Es hat sich von Anfang an positiv entwickelt“, erzählen die beiden. Schnell entschieden sie sich, den Laden, damals zur Hälfte ein Schreibwarenhandel, ganz auf Bücher umzustellen. „Beratung war unsere Stärke“, weiß Hubert von Scheven. Seine Frau, allein für den Einkauf zuständig, bewies viel Gespür bei ihren Buchempfehlungen und hatte große Freude daran: „Es ist wahnsinnig schön, wenn es am Ende genau das Richtige war.“

Erfolg trotz Bücherriesen und Onlinehandel

Gerade zu Beginn der 2000er-Jahre, erinnert sich Hubert von Scheven, machten sich Bücherriesen wie Thalia und Hugendubel in den Innenstädten breit. „Damit haben sie die Kleinen kaputt gemacht.“ Doch dann kam Amazon und eröffnete den Online-Handel. Den Giganten mit ihren turmhohen Bücherstapeln, sagt Scheven, habe die Online-Konkurrenz viel mehr geschadet als den kleinen Buchläden, die mit Service punkten. „Wir hatten tolle Kunden“, meint Scheven. Die schätzten ganz besonders, dass beim Kolmansberger viel einheimische Literatur in den Regalen stand. Das Tal-Heft, das Tegernseer Lesebuch, die Tegernsee Krimis: alles sehr gefragt. Das meistverkaufte Werk in all den Jahren war die Kompass Wanderkarte Tegernseer Tal.

Die Freude am Gedruckten bleibt

Das düsterste Kapitel ihrer Zeit als Unternehmer erlebten die Schevens mit Corona. Im Lockdown schmolzen die Rücklagen für den Ruhestand dahin, weshalb dieser ein paar Jahre nach hinten rückte. Doch jetzt, meint Hubert von Scheven, sei es genug. Die Bücher begleiten die beiden weiterhin. Dass deren Zeit als gedruckte Werke irgendwann vorbei sein könnte, fürchten sie nicht. Es gehe eben nicht nur um den puren Inhalt: „Die Haptik, die Aufmachung: Das will man haben.“